BBE Europa-Nachrichten

BBE Europa-Nachrichten Nr. 7 vom 27.7.2023

Die BBE Europa-Nachrichten zu »Newsletter für Engagement und Partizipation« bieten monatlich Informationen und Hintergrundberichte zu europäischen Fragen der Engagementpolitik und -förderung, Gastbeiträge namhafter Europaexpert*innen sowie Hinweise auf internationale Beteiligungsverfahren.

Aktuelles aus europäischer Engagementpolitik und -debatte

Stellungnahme zur Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten für eine gemeinsame Asylpolitik
Schöne/ Pasemann: EU-Renaturierungsgesetz im EU-Parlament
Unterstützung der Sozialwirtschaft: Vorschläge der Kommission
Kulturelle Teilhabe und bürgerschaftliches Engagement: Bericht
Annahme des Rechtsstaatsberichts 2023 durch Kommission
Neue Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland

Schwerpunkt: Solidarische Wirtschaft und Zivilgesellschaft

Bischoff MdEP: »Solidarische Wirtschaft und Zivilgesellschaft«
Petry MdB: »Ein soziales Europa im Geiste der europäischen Solidarität darf nicht nur während Krisen gelten«
Leuchters: »Solidarische Wirtschaft und Zivilgesellschaft«
Bayer: »Ohne Zivilgesellschaft geht es nicht – Zur aktuellen Bedeutung Solidarischer Wirtschaftsformen in Europa«
Exner: »Solidarische Wirtschaft und Zivilgesellschaft«
Adloff/ Klein/ Kocka: »Kapitalismus und Zivilgesellschaft«
Kooperatives Wirtschaften für das Gemeinwohl der Zivilgesellschaft

Internationale Beteiligungsverfahren

EBI für Präzedenzfallkonzept in der EU
EBI für eine Vermögenssteuer in der EU

Aktuelles aus dem BBE und von europäischen Partnern

Stellungnahme des dbb zum »Demokratiepaket«
EU AI-Act: Zivilgesellschaft fordert Schutz der Grundrechte

Veranstaltungen, Ausschreibungen, Publikationen

Civic Innovation Fund 2023-2024
Bewerbungen für den Europäischen Sozialwirtschaftspreis sind noch bis August möglich
Freiwilligenprogramme zur Förderung des Einstiegs und Wiedereinstiegs junger Menschen in die Arbeitswelt



Hinweis


Aktuelles aus europäischer Engagementpolitik und -debatte

Stellungnahme zur Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten für eine gemeinsame Asylpolitik

Am 8. Juni 2023 einigten sich die EU-Innenminister*innen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylrechts (GEAS). BBE-Sprecher*innenrat und Geschäftsführung verabschiedeten dazu gemeinsam mit dem Beauftragten für Europäische Angelegenheiten des BBE eine Stellungnahme. Darin begrüßt das BBE Fortschritte in der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten für eine gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik. Kontrolle über die EU-Außengrenzen und Migrationssteuerung stehen nicht im Widerspruch zu internationalem Recht und zu den europäischen Werten. Andererseits wirft der »Asylkompromiss« jedoch auch Fragen hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte auf: »Die Verlagerung des Migrationsdrucks auf autoritär regierte Länder wird die Menschenrechtslage im Zusammenhang mit den großen Fluchtbewegungen unserer Zeit nicht verbessern. Vielmehr führt eine solche Politik zu noch mehr Instabilität. Sie bekämpft die Fluchtursachen nicht, sondern schafft neue. Sie ist auch geopolitisch und strategisch fragwürdig.«

Stellungnahme des BBE-Sprecher*innenrates und des Beauftragten für Europäische Angelegenheiten

Vorschlag für eine Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement, 13. Juni 2023 (PDF)

Vorschlag für eine Verordnung zur Einführung eines gemeinsamen Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes, 13. Juni 2023 (PDF)

Pressemitteilung des Europäischen Rates / Rates der Europäischen Union


Schöne/ Pasemann: EU-Renaturierungsgesetz im EU-Parlament

Naturschutz lebt, EVP-Blockade gescheitert – das Resümieren in ihrem Beitrag Florian Schöne, Geschäftsführer des Deutschen Naturschutzrings (DNR) und Björn Pasemann, Projektreferent für Naturschutz und Agrarpolitik beim Deutschen Natirschutzring (DNR). Am 12. Juli 2023 hatte eine Mehrheit der Abgeordneten im Europäischen Parlament für die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur gestimmt (336 Ja-Stimmen, 300 Nein-Stimmen und 13 Enthaltungen). Allerdings kam es bei der Abstimmung von zahlreichen Änderungsanträgen zu einigen Abschwächungen der Parlamentsposition gegenüber dem vorgeschlagenen Gesetzestext der Kommission. Viele Umweltverbände sehen dies dennoch als einen historischen Sieg, zumal in den Verhandlungen mit Rat und Kommission hier noch Fortschritte erzielbar seien. Die Autoren bilanzieren: »Vernunft und Weitsicht haben gegenüber einer beispiellosen Desinformationskampagne konservativer Kreise gesiegt. Denn resiliente Wälder, lebendige Auen, nasse Moore und artenreiche Agrarlandschaften sind nicht nur entscheidend für die Biodiversität, sondern auch unsere überlebensnotwendige Versicherung gegen zukünftige Schäden durch Trockenheit, Dürre und Überschwemmungen.« Der DNR ist Gründungsmitglied des BBE.

Beitrag von Florian Schöne und Björn Pasemann (HTML)

Beitrag von Florian Schöne und Björn Pasemann (PDF)


Unterstützung der Sozialwirtschaft: Vorschläge der Kommission

Im Dezember 2021 legte die Europäische Kommission den Aktionsplan für die Sozialwirtschaft vor, um dem Sektor dabei zu helfen, sich besser zu entfalten und sein Potenzial voll auszuschöpfen. In Anknüpfung daran hat die Kommission am 13. Juni 2023 einen Vorschlag für eine Ratsempfehlung vorgestellt, die den Mitgliedstaaten bei der Ausarbeitung und Umsetzung sozialwirtschaftlicher Strategien helfen soll. So sollen zum Beispiel die nationalen Steuersysteme die Sozialwirtschaft unterstützen, indem Verwaltungsverfahren vereinfacht und angemessen konzipierte steuerliche Anreize in Betracht gezogen werden. Zudem präsentierte die Kommission eine zentrale Website, auf der sozialwirtschaftliche Organisationen über EU-Finanzierungen, Schulungsmöglichkeiten und weitere einschlägige Themen informiert werden.

Aktionsplan Dezember 2021

Vorschlag für eine Ratsempfehlung Juni 2023

Gateway Sozialwirtschaft der Kommission


Kulturelle Teilhabe und bürgerschaftliches Engagement: Bericht

Die Europäische Kommission hat einen Bericht zur Wirkung kultureller Teilhabe publiziert. Danach zeigen internationale Studien einen positiven Zusammenhang zwischen kultureller Teilhabe, bürgerschaftlichem Engagement, Demokratie und sozialem Zusammenhalt. Der Bericht vom Juni 2023 enthält ebenso Empfehlungen für die kommunale, nationale und europäische Ebene, wie kulturelle Teilhabe gestärkt werden kann.

Bericht Culture and Democracy


Annahme des Rechtsstaatsberichts 2023 durch Kommission

Die Europäische Kommission hat am 5. Juli 2023 den vierten Jahresbericht über die Rechtsstaatlichkeit angenommen. Dem voraus gingen Besuche und Gespräche mit Stakeholdern in den Mitgliedsländern, Stellungnahmen der Mitgliedsländer sowie die Auswertung von Dokumenten unterschiedlicher Natur. Die Ergebnisse sind auch wichtig für die Frage nach möglichen Budgetkürzungen für einzelne Länder. Der Europa-Abgeordnete Daniel Freund, für die Grünen im Haushaltskontroll-Ausschuss des Europäischen Parlaments zuständig für den Rechtsstaatsmechanismus, konstatiert: »For the fourth year in a row, the Rule of Law reports for Poland and Hungary are poor. It is true that cosmetic reform efforts can be observed in both countries, especially regarding the judicial sector. However, these efforts exist primarily on paper. At the same time, fundamental rights are being further curtailed and media freedom massively restricted.«

Mehr Informationen und Bericht


Neue Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland

Im Deutschen Bundestag soll es zu viele Abgeordnete geben – und trotzdem drohen Vertragsverletzungsverfahren. Die Kommission hat im Juli 2023 mehrere gegen Deutschland eingeleitet. Die Themen reichen von der Anerkennung der Berufsqualifikationen von Hebammen über Seeverkehr und Luftverkehr bis hin zur Terrorismusbekämpfung. In all diesen Fällen ergehen Aufforderungsschreiben der Kommission an Deutschland, womit ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet ist. Mal trifft es dabei Deutschland allein, mal sind andere Staaten mit im Boot.

Weitere Informationen


Schwerpunkt: Solidarische Wirtschaft und Zivilgesellschaft

Bischoff MdEP: »Solidarische Wirtschaft und Zivilgesellschaft«

Gabriele Bischoff, Abgeordnete des Europäischen Parlaments, wirft in ihrem Beitrag einen arbeitspolitischen Blick auf eine solidarische Wirtschaft in Europa. Die spanische Regierung hat die Ziele ihrer Ratspräsidentschaft festgelegt und strebt vor allem eine Förderung der sozialen und wirtschaftlichen Gerechtigkeit an. Ein solidarischeres Europa kann nur unter Einbeziehung von Sozialpartnern, Wohlfahrtsverbänden und weiteren Teilen der Zivilgesellschaft entwickelt werden, so Bischoff. Eine solidarische Wirtschaft verfolgt Werte und nicht (nur) Gewinnmaximierung: »Solidarisches Wirtschaften verfolgt weitergehende Ziele als die Gewinnmaximierung zum Wohle der Einzelnen und ordnet sich nicht angeblichen Marktzwängen unter. Es ist grundlegend demokratisch, nachhaltig und schaut nicht nur auf den Wert, sondern auch auf die Werte.« Als wichtige Instrumente des solidarischen Wirtschaftens nennt Bischoff zum Beispiel die Aufstockung des Kurzarbeitergelds oder einen stärkeren Kündigungsschutz für Arbeitnehmer\*innen. Als Berichterstatterin im Beschäftigungs-Ausschuss des Europaparlaments setzt sich Gabriele Bischoff für eine signifikante Stärkung der Demokratie am Arbeitsplatz ein. Gabriele Bischoff ist unter anderem auch Vizepräsidentin des BBE-Mitglieds Europa-Union Deutschland (EUD).

Beitrag von Gabriele Bischoff (HTML)

Beitrag von Gabriele Bischoff (PDF)

Bio Gabriele Bischoff (PDF)

Präsidium Europa Union Deutschland


Petry MdB: »Ein soziales Europa im Geiste der europäischen Solidarität darf nicht nur während Krisen gelten«

Christian Petry, europapolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Vizepräsident des BBE-Mitglieds Europäischen Bewegung Deutschland (EBD), betont die Bedeutung von NextGenerationEU für die gemeinsame Erholung der Mitgliedstaaten von den Pandemiefolgen und die Förderung sozial-ökologischer Transformationsprozesse durch Zukunftsinvestitionen. Im Gegensatz zur Bewältigung der Eurokrise setzt die EU nun auf solidarische finanzpolitische Maßnahmen, um Fehler der Vergangenheit zu vermeiden. Petry betont die Notwendigkeit einer Stärkung der Einnahmenseite, wobei die Debatte über neue Eigenmittel vorangetrieben werden soll. Die spanische Ratspräsidentschaft strebt die Festlegung gemeinsamer Mindeststandards für die Unternehmensbesteuerung und den Kampf gegen Steuervermeidung durch multinationale Unternehmen an. Diese Maßnahmen könnten die Finanzkraft der Mitgliedstaaten stärken und die Finanzierung der EU gerechter gestalten. Die Förderung sozialer Rechte und Arbeitsbedingungen sowie die Schaffung gemeinsamer europäischer Standards sind für Petry von entscheidender Bedeutung, um die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Die Verabschiedung der EU-Mindestlohnrichtlinie im September 2022 sieht er als Erfolg für faire Wettbewerbsbedingungen und hohe Arbeitsstandards in der EU. Die spanische Ratspräsidentschaft wird von Deutschland dabei unterstützt.

Beitrag von Christian Petry (HTML)

Beitrag von Christian Petry (PDF)

Vorstand Europäische Bewegung Deutschland (EBD)

NextGenerationEU


Leuchters: »Solidarische Wirtschaft und Zivilgesellschaft«

Was genau versteht man unter einer guten und nachhaltigen Unternehmensführung? Diese Frage beantwortet Maxi Leuchters, Referatsleiterin für Unternehmensrecht und Corporate Governance im I.M.U. der Hans-Böckler-Stiftung und Aufsichtsratsmitglied in einem genossenschaftlichen Kreditinstitut sowie der Commerzbank AG, in ihrem Beitrag. Mitbestimmte Unternehmen erlauben Arbeitnehmer*innen, bei wichtigen Entscheidungen mitzuwirken, was ihr Interesse an nachhaltiger Ausrichtung und Arbeitsplatzsicherheit zeigt. Diese Unternehmen investieren frühzeitig in Nachhaltigkeitsstrategien und Forschung. Die Unternehmens-Mitbestimmung fördert eine nachhaltige und demokratische Wirtschaft, ein Merkmal solidarischer Gesellschaften. Jedoch untergraben einige Unternehmen die Mitbestimmung durch Ausnutzen von Rechtslücken und Entzug von Rechten von Arbeitnehmer*innen. »Die Vorteile einer demokratischen, mitbestimmten Wirtschaft entfalten sich nur, wenn Mitbestimmung praktiziert und gefördert wird. Mitsprache- und Partizipationsrechte von Beschäftigten müssen gestärkt und der rechtliche Rahmen für Mitbestimmung ausgebaut werden. In Zeiten von Krisen und Unsicherheit ist es elementar, dass Menschen ihr direktes Umfeld und ihren Arbeitsplatz selbst mitgestalten können und ihre Stimme im Sinne nachhaltiger Unternehmensführung gehört wird.«

Beitrag von Maxi Leuchters (HTML)

Beitrag von Maxi Leuchters (PDF)


Bayer: »Ohne Zivilgesellschaft geht es nicht – Zur aktuellen Bedeutung Solidarischer Wirtschaftsformen in Europa«

In ihrem Beitrag untersucht Dr. Kristina Bayer verschiedene Formen der solidarischen Wirtschaft. Sie zeigt auf, wie Genossenschaften und Bürgergenossenschaften durch die Anwendung demokratischer Grundprinzipien wie Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung in verschiedenen Sektoren dazu beitragen, regionale Wirtschaftskreisläufe zu stabilisieren, lokale Beschäftigung zu fördern und nachhaltige Geschäftsmodelle zu entwickeln. »Ein relativ junges Feld stellen die sog. Bürgergenossenschaften dar (Bayer et al. 2021). Hier erbringen Bürger*innen Aufgaben und Dienstleistungen in ihrem Gemeinwesen eigenverantwortlich. Sie sichern die Nahversorgung, retten den ehemaligen Bahnhof vor dem Verfall, etablieren neue Kultur- und Freizeitangebote, ergänzen den ÖPNV mit innovativen Geschäftsmodellen und organisieren Unterstützungsangebote in der Nachbarschaft. An diesem Punkt gehen sie über das Prinzip der reinen Mitgliederförderung hinaus. Ihr Zweck ist vielmehr auf die Förderung des Gemeinwohls gerichtet.« Am Ende des Beitrags diskutiert Bayer die Erwartungen an die spanische Ratspräsidentschaft bezüglich einer Solidarischen Ökonomie in Europa. Dr. Kristina Bayer ist an der Universität Kassel als Forscherin und Dozentin für Solidarische Ökonomien tätig und Vorstandsmitglied der innova eG, wo sie genossenschaftliche Lösungen entwickelt und Einzelinitiativen berät. Ihr besonderer Fokus liegt auf solidarischen Wirtschaftsformen im ländlichen Raum.

Beitrag von Kristina Bayer (HTML)

Beitrag von Kristina Bayer (PDF)


Exner: »Solidarische Wirtschaft und Zivilgesellschaft«

In seinem Beitrag beleuchtet Mag. rer. nat. Dr. phil. Andreas Exner, operativer Leiter des Zentrums für nachhaltige Gesellschaftstransformation in Graz, die Bedeutung der Social Economy und Solidarischer Ökonomien anhand konkreter Beispiele. Ein solches Beispiel ist das Genossenschaftsprojekt »Um's Egg« in Losenstein, Österreich, bei dem Bürger*innen, Unternehmer*innen und Bäuer*innen gemeinsam einen Supermarkt betreiben, um die lokale Nahversorgung aufrechtzuerhalten. Exner betont die positiven Auswirkungen demokratischer Mitbestimmungsrechte in Unternehmen auf den Alltag der Menschen. Die EU definiert die Social Economy anhand von drei Kriterien: soziale oder ökologische Ziele, demokratische oder partizipative Organisation und Reinvestition der Gewinne. Dabei betont Exner: »Indem die Social Economy die Trennung zwischen Zivilgesellschaft und Wirtschaft zum Teil auflöst, eröffnet sie auch neue Potenziale einer Demokratisierung der Gesellschaft.« Des Weiteren geht er auf die spanische Ratspräsidentschaft ein, die die Social Economy als Schwerpunkt gesetzt hat, und weist auf die »Nationale Strategie für Sozialunternehmen und Soziale Innovationen« der deutschen Bundesregierung als wichtigen Anker hin.

Beitrag von Andreas Exner (HTML)

Beitrag von Andreas Exner (PDF)

Social Economy Europe

Nationale Strategie für Sozialunternehmen und Soziale Innovationen


Adloff/ Klein/ Kocka: »Kapitalismus und Zivilgesellschaft«

Frank Adloff, Ansgar Klein und Jürgen Kocka diskutieren das komplexe Verhältnis zwischen Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Dieses Verhältnis ist in der geschichts- und sozialwissenschaftlichen Forschung häufig kontrovers und unklar. Frühere Denker wie Adam Smith, Adam Ferguson und Georg Wilhelm Friedrich Hegel sahen die Märkte als eine zivilisierende Kraft und betrachteten die Wirtschaft als Teil der Zivilgesellschaft. Die Autoren betonen jedoch, dass spätestens mit Marx' Kritik der bürgerlichen Gesellschaft diese Vorstellung in Frage gestellt wurde. Im 20. Jahrhundert wurden oft dichotome Gegenüberstellungen von Wirtschaft und Zivilgesellschaft präsentiert. Die Autoren argumentieren für eine Neuvermessung des Verhältnisses von Wirtschaft und Zivilgesellschaft aus vier Gründen: Erstens müsse man auch zivilgesellschaftliches Handeln außerhalb des Sektors der Zivilgesellschaft, etwa in der Wirtschaft selbst, berücksichtigen. Zweitens werde das wirtschaftliche Handeln zivilgesellschaftlicher Organisationen oft ignoriert. Drittens kritisieren sie ein problematisches Verständnis von Wirtschaft, das die Ökonomie als autonom und nur der Rentabilitätslogik folgend konzeptionalisiert. Viertens ergeben sich wichtige Forschungsfragen, wenn man das Verhältnis von (kapitalistischer) Wirtschaft und Zivilgesellschaft genauer betrachtet. Der Beitrag erschien 2016 im Forschungsjournal Soziale Bewegungen.

Beitrag von Adloff/ Klein/ Kocka (PDF)


Kooperatives Wirtschaften für das Gemeinwohl der Zivilgesellschaft

Sozialunternehmen, Genossenschaften, Bürgergesellschaften oder Vereine: Was solche Formen kooperativen Wirtschaftens ausmacht und wie sie den sozialen und ökologischen Wandel der Gesellschaft voranbringen können, untersucht das Forschungsprojekt »Teilgabe« mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Forschenden vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, der Universität Hamburg, der Universität zu Köln und der Genossenschaft Innova zeigen: Neue Wirtschaftsformen bauen neue kollektive Eigentumsstrukturen auf und orientieren sich stark an ihren Zielgruppen. Sie setzen mehr auf das Gemeinwohl als auf Profite und handeln mit einem ausgeprägten Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Öffentlichkeit besonders transparent. BBE-Geschäftsführer, Dr. Ansgar Klein, merkte auf der Bundesversammlung des kooperativen Wirtschaftens in Deutschland, die im Juni 2023 in Kassel stattfand, an, dass auch strukturelle Bedingungen verbessert werden müssten. »Solche Arbeit ist unentbehrlich für das Gemeinwohl, den Klimaschutz und die soziale Versorgung. Anlässe wie die Bundesversammlung des kooperativen Wirtschaftens tragen dazu bei, dass ganz unterschiedliche gemeinwohlorientierte Akteure aus der Wirtschaft gemeinsam auftreten. Das ist dringend notwendig für ihre Sichtbarkeit und für die Vernetzung und Kooperation mit Akteuren aus der Zivilgesellschaft.«

Bundesversammlung Folien (PDF)

Zum Projekt „Teilgabe – kooperatives Wirtschaften in der Zivilgesellschaft“

Dokumentation der Bundesversammlung des kooperativen Wirtschaftens


Internationale Beteiligungsverfahren

EBI für Präzedenzfallkonzept in der EU

Am 31. Mai 2023 hat die Kommission die Europäische Bürgerinitiative (EBI) »Wirksame Umsetzung des Präzedenzfallkonzepts in den Mitgliedstaaten« (ECI(2023)000005) registriert. Die Organisatorinnen und Organisatoren bitten die Europäische Kommission, den Mitgliedstaaten die Einführung eines Mechanismus auf nationaler Ebene zur gegenseitigen Anerkennung rechtskräftiger Urteile von Gerichten anderer Mitgliedstaaten sowie die Möglichkeit der Berufung auf nationale Präzedenzfälle der Gerichte des fraglichen Landes vorzuschlagen. Dies soll möglich sein, wenn a) der Europäische Gerichtshof (EuGH) Gelegenheit hatte, die geltenden Bestimmungen des EU-Rechts auszulegen, und b) der fragliche Fall gleichartige oder identische Rechtsfragen betrifft. Zu diesem Zeitpunkt hat die Kommission den Vorschlag nicht inhaltlich analysiert. Der Beschluss der Kommission zur Registrierung der Bürgerinitiative bestätigt lediglich ihre rechtliche Zulässigkeit. Die Organisierenden haben sechs Monate Zeit, um mit der Unterschriftensammlung zu beginnen.

Weitere Informationen


EBI für eine Vermögenssteuer in der EU

Am 11. Juli 2023 hat die Kommission die Europäische Bürgerinitiative (EBI) »Einführung einer Vermögenssteuer zur Finanzierung des ökologischen und sozialen Wandels« (ECI(2023)000006) registriert. Die Organisatorinnen und Organistoren der Initiative fordern die Kommission auf, eine europäische Vermögenssteuer zugunsten des ökologischen und sozialen Wandels einzuführen. Mit dieser Steuer soll der ökologische und soziale Wandel finanziert werden. Die Initiative will so zum Kampf gegen den Klimawandel und gegen Ungleichheit in der gesamten EU beitragen. Zu diesem Zeitpunkt hat die Kommission den Vorschlag nicht inhaltlich analysiert. Der Beschluss der Kommission zur Registrierung der Bürgerinitiative bestätigt lediglich ihre rechtliche Zulässigkeit. Die Organisierenden haben sechs Monate Zeit, um mit der Unterschriftensammlung zu beginnen.

Weitere Informationen


Aktuelles aus dem BBE und von europäischen Partnern

Stellungnahme des dbb zum »Demokratiepaket«

Das »Demokratiepaket« der Europäischen Kommission soll noch 2023 veröffentlicht werden. Es enthält eine Reihe von Maßnahmen zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Ordnung in der Europäischen Union. Ein Vorschlag innerhalb dieses Pakets sieht vor, dass auch Lobbyisten und Nichtregierungsorganisationen verpflichtet werden sollen, ihre Finanzquellen aus Drittstaaten in nationalen Transparenzregistern offenzulegen. Der dbb »unterstützt das Vorhaben, Lobbyisten und auch Nichtregierungsorganisationen zur Offenlegung finanzieller Unterstützung aus Drittstaaten zu verpflichten«, betont allerdings, »dass die Finanzierung aus Drittstaaten nur dann ein Problem darstellt, wenn es sich bei diesen um autoritäre Regime handelt oder wenn Organisationen in demokratisch verfassten Drittstaaten nachweislich im Sinne solcher Regime handeln oder missbraucht werden, um in deren Auftrag oder Interesse über finanzielle Zuwendungen Einfluss auf Adressaten in EU-Staaten zu nehmen.« Wichtig in Bezug auf Zuwendungen aus Drittstaaten sei außerdem die Einzelfallprüfungen, ehe materiell wirksame Schlussfolgerungen gezogen würden. Der dbb ist stimmberechtigtes Mitglied des BBE und engagiert sich sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene für gewerkschaftliche und sozialpolitische Themen.

Weitere Informationen

BBE und dbb


EU AI-Act: Zivilgesellschaft fordert Schutz der Grundrechte

Zahlreiche zivile Organisationen in Europa – unter anderem auch das BBE – haben gemeinsam eine Stellungnahme zum EU-Gesetz über Künstliche Intelligenz (EU AI-Act) veröffentlicht. Sie fordern, dass der Schutz der Grundrechte der Bürger*innen im Gesetz stärker in den Vordergrund gerückt werden sollte. In der Stellungnahme wird vor möglicher Massenüberwachung, Diskriminierung und Machtmissbrauch durch Technologieunternehmen bei mangelnder Regulierung gewarnt. Die EU-Institutionen müssen die Entwicklung und Nutzung von KI-Systemen menschenfreundlich, transparent und verantwortungsbewusst gestalten. Eine weitere Forderung ist die Durchführung umfassender Rechtsfolgen-Abschätzungen für KI-Systeme. Alle Bürger*innen sollten über Entwicklungen und Entscheidungen rund um KI informiert werden und das Recht haben, Beschwerden bei nationalen Behörden einzureichen, sollten ihre Rechte verletzt werden.

Stellungnahme (ENG)


Veranstaltungen, Ausschreibungen, Publikationen

Civic Innovation Fund 2023-2024

Das CIVICS Innovation Hub möchte mit dem Civic Innovation Fund (CIF) innovative Ideen in der politischen Bildung fördern, die Partizipation, Zusammenhalt und Widerstandsfähigkeit stärken. Gesucht werden Workshops, Ausstellungen, Apps und weitere kreative Ansätze. Bewerbungen sind bis zum 1. September 2023 möglich. Ausgewählte Projekte werden auf dem NECE-Festival 2023 FUTURES! in Madrid präsentiert. Die Teilnehmenden haben die Chance, ihre Ergebnisse auch auf dem NECE-Festival 2024 BORDERS! Ende 2024 zu präsentieren. Für die Förderung müssen Projekte von mindestens zwei Partnern aus verschiedenen europäischen Ländern gemeinsam durchgeführt werden, einer davon aus dem Bildungssektor. Inklusivität und Interkulturalität sind wichtige Kriterien.

Weitere Informationen


Bewerbungen für den Europäischen Sozialwirtschaftspreis sind noch bis August möglich

Die zweite Ausgabe der Europäischen Sozialwirtschaftspreise findet am 14. November in San Sebastián (Spanien) statt. Der Aufruf zur Bewerbung richtet sich an alle sozialen Wirtschaftsunternehmen und Organisationen (Genossenschaften, gegenseitige Unternehmen, WISEs, Vereine, Stiftungen, Mikrofinanzinstitutionen, Sozialunternehmen...), die an sozialer Innovation, Kompetenzen, grünem Wandel oder Digitalisierung arbeiten. Bewerbungen können bis zum 31. August eingereicht werden.

Weitere Informationen


Freiwilligenprogramme zur Förderung des Einstiegs und Wiedereinstiegs junger Menschen in die Arbeitswelt

Die Publikation mit dem Titel »On the design of volunteer programmes to facilitate the entry and re-entry of young people into work« wurde gemeinsam von der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization) und dem Programm der Vereinten Nationen für Freiwillige (United Nations Volunteers - UNV) veröffentlicht. Das Ziel der Publikation ist es, die Hauptmerkmale von Freiwilligenprogrammen zu identifizieren und insbesondere diejenigen Programme oder Aktivitäten zu untersuchen, die dazu beitragen, die Integration und Wiedereingliederung junger Menschen in Beschäftigung zu fördern. Es richtet sich somit auf die Rolle von Freiwilligenarbeit bei der Unterstützung von jungen Menschen beim Eintritt oder Wiedereintritt in die Arbeitswelt und zeigt auf, welche Programme dabei besonders effektiv sein können.

Publikation (ENG)


Hinweis

Die nächste Ausgabe der BBE Europa-Nachrichten erscheint am 24.8.2023.

Bitte schicken Sie Ihre Informationen an [onlineredaktion(at)b-b-e.de]

Die Beiträge dieses Newsletters geben, sofern nicht ausdrücklich als solche Nachrichten gekennzeichnet, nicht die Meinung des BBE wieder, sondern repräsentieren die Vielstimmigkeit der Meinungen und Akteure im BBE und im Feld der Engagementförderung und -politik. Die Redaktion des Newsletters verfolgt das Ziel, die jeweils aktuellsten und wichtigsten Nachrichten für die Leserschaft zusammenzustellen.

Die PDF-Dokumente der Gastbeiträge im Schwerpunkt des Newsletters werden möglichst barrierearm gestaltet.

Die Hinweise auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Publikation von Nachrichten im Europa-Newsletter finden Sie unter Impressum.

Eine Übersicht über die nächsten geplanten Schwerpunkt-Themen finden Sie unter
Kommende Themen

Redaktion: PD Dr. Ansgar Klein, Dr. Rainer Sprengel, Jasmin Schneider, Rebecca Steger.



Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE)
– Geschäftsstelle –
Michaelkirchstr. 17-18
10179 Berlin-Mitte
www.b-b-e.de

Geschäftsführung: PD Dr. Ansgar Klein und Dr. Lilian Schwalb

Kontakt: ansgar.klein(at)b-b-e.de und lilian.schwalb[at]@b-b-e.de

Gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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