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Engagementstiftung

Offener Brief des BBE-Sprecher*innenrates zur Gründung der Engagementstiftung

Offener Brief des BBE-Sprecher*innenrates an die engagementpolitisch Verantwortlichen in Bundestag, Bundesministerien, Vorstand und Stiftungsrat der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamtdas BMFSFJ, das BMEL und das BMI zur Gründung der Engagementstiftung

Der Sprecher*innenrat des BBE
Offener Brief an die engagementpolitisch Verantwortlichen in Bundestag, Bundesministerien, Vorstand und Stiftungsrat der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt

Berlin, den 19.03.2021

(Fast) ein Jahr Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE).
Eine Stellungnahme des Sprecher*innenrates des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE).

Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) wird bald ein Jahr bestehen. Grund, auf eine bewegte Zeit mit großem Engagement, vielen Hoffnungen und Erfolgen, aber auch einigen Enttäuschungen zurückzublicken und konstruktive Vorschläge zur Weiterentwicklung zu unterbreiten.

Das BBE hat sich an der Diskussion um die DSEE aktiv beteiligt. Es hat die Errichtung der Stiftung politisch unterstützt, weil es darin einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung der Zivilgesellschaft sieht.

Am 2. April 2020 war es soweit. Das Errichtungsgesetz der DSEE trat in Kraft. Schon im Herbst 2019 begann die parlamentarische Befassung des Entwurfs, der durch entschiedene Interventionen der Zivilgesellschaft, auch des BBE, an zwei entscheidenden Stellen ergänzt wurde:

• Zum einen wurde die Möglichkeit einer Förderausrichtung der Stiftung explizit aufgenommen, denn der erste Entwurf betonte ausschließlich den Aufbau einer Informations- und Servicestelle für Engagement und Ehrenamt.

• Zudem wurde noch einmal sehr viel klarer die Vermeidung von Doppelstrukturen erwähnt. Dieser Gedanke folgt dem Prinzip der Subsidiarität, nicht zu überformen oder in Konkurrenz zu treten, wo es schon gut läuft.

Ohne die Jahre währenden Diskussionen um die Errichtung der DSEE historisch nachzuzeichnen, muss doch angemerkt werden, dass die starke Service- und Beratungsausrichtung der DSEE lange überhaupt kein Thema war. Die erfolgreiche Bundeskulturstiftung galt als Vorbild, die etwa 90 Prozent ihres Etats fördernd ausreicht.

Immer wieder wurde in den Debatten um Engagementpolitik die große Wahlverwandtschaft zwischen Kultur und Bürgerschaftlichem Engagement betont. Es geht in beiden Fällen darum, den Eigensinn der Zivilgesellschaft/Kultur zu achten, die Freiheit, sich gemeinwohlorientiert und kreativ in unsere Gesellschaft einzubringen, wertzuschätzen und zu fördern.

Staatliche Politik und staatsnahe Institutionen können dies vor allem durch die nachhaltige Stärkung des Bürgerschaftlichen Engagements, insbesondere seiner Anlaufstrukturen und Netzwerke, leisten. Sie sollten dies subsidiär tun, indem sie zum Beispiel besondere Regionen fördern (ländliche Gebiete, neue Bundesländer), die diesen Infrastrukturaufbau nicht allein leisten können. Sie können zudem bestimmte Schwerpunktsetzungen wie Digitalisierung verfolgen, um vorhandene Entwicklungen in der Zivilgesellschaft proaktiv zu unterstützen.

Die DSEE ist als öffentliche Stiftung durch ein Errichtungsgesetz institutionalisiert und ist vor allem dem Staatsauftrag verpflichtet. Diese juristische Form wurde bewusst der privatrechtlichen Stiftung vorgezogen. Der Staatsauftrag zeigt sich zudem in der Gremienzusammensetzung der Stiftung und ihrer Alimentierung durch den Bundeshaushalt. Sie folgt dem öffentlichen Förderrecht (AnBest etc.).

Subsidiarität als Leitgedanke der Sozialpolitik ist daher umso sensibler auf den Bereich des staatlichen Handelns und seiner gebotenen Zurückhaltung zu beziehen, um die Fähigkeit zur Selbstorganisation der Zivilgesellschaft zu stärken und nicht zu beschädigen.

Daher appelliert das BBE an Sie:

• Bauen Sie den Förderaspekt der DSEE nachhaltig und verlässlich aus. Er sollte den Schwerpunkt der Stiftungstätigkeit bilden. Der erste Aufruf zu Förderanträgen hat den riesigen Bedarf seitens der Zivilgesellschaft aufgezeigt. Nicht einmal zehn Prozent der Anträge konnten mit dem vorhandenen Fördervolumen der DSEE in 2020 bedacht werden. Die Erwartung der Zivilgesellschaft war groß. Aber groß war auch die Enttäuschung über geweckte Erwartungen, die nicht befriedigt werden konnten. Einen größeren Beweis der Fördernotwendigkeit kann es nicht geben!

• Wahren Sie das Prinzip der Subsidiarität und zwar in dreifacher Hinsicht:

o Erstens haben zivilgesellschaftliche Institutionen und Netzwerke selbst unter prekären Bedingungen ihre Selbstorganisationsfähigkeit unter Beweis gestellt. Es braucht kein neues Vernetzungsmanagement von staatlicher Seite, sondern Stärkung der bestehenden Strukturen.

o Zweitens sollte eine staatsnahe Struktur tunlichst vermeiden, als Sprachrohr der Zivilgesellschaft zu fungieren. Das widerspricht unserem demokratischen Selbstverständnis. Sofern die DSEE als Akteurin in diesem Feld in Erscheinung tritt, sollte dies in Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Partnern auf Augenhöhe geschehen.

o Drittens haben vor allem Kommunen und Länder seit Jahren bewährte Strukturen der Engagementförderung aufgebaut, die es im föderalen Miteinander zu stärken, aber nicht zu doppeln gilt.

Wir begrüßen, dass mit der DSEE ein starker Player für die Förderung der Zivilgesellschaft entstanden ist. Das BBE wird sich um eine langfristige Partnerschaft und Kooperation bemühen. Die regelmäßigen Gespräche mit dem Vorstand der DSEE haben Hoffnung gemacht. Wir glauben, dass sich unser beider Profile sehr gut ergänzen: Auf der einen Seite, die Aufgabe der selbstorganisierten Vernetzung der Zivilgesellschaft, der Ermöglichung des zivilgesellschaftlichen Diskurses und der politischen Artikulation der vielfältigen Stimmen der Zivilgesellschaft (BBE). Auf der anderen Seite die überparteiliche Beratung, z.B. in Rechtsfragen, die Bereitstellung von Fachinformationen und vor allem die Förderung von Infrastrukturen und Netzwerken der Zivilgesellschaft (DSEE). Hierbei können analog zur Ausrichtung der Bundeskulturstiftung Schwerpunkte gesetzt werden wie es jetzt schon mit Digitalisierung, ländlicher Entwicklung oder Nachwuchsgewinnung geschehen ist. Dies trägt zur Fokussierung bei, wobei die gesetzten Schwerpunkte von Zeit zu Zeit überprüft werden sollten und geändert werden können.

Wir begrüßen das beherzte Eintreten der Bundesebene für Engagementpolitik und Engagementförderung. Seit langem macht sich das BBE auch für eine gesetzliche Regelung stark, die nun mit dem angekündigten Gesetz zur wehrhaften Demokratie noch in dieser Legislaturperiode seinen Anfang nehmen kann. Hier ist uns wichtig festzustellen: Eine resiliente Demokratie wird es nicht allein durch Maßnahmen der Radikalisierungsprävention geben. Das beste Mittel für eine wehrhafte Demokratie sind stabile zivilgesellschaftliche Strukturen vor Ort in demokratisch verfassten Vereinen, Kirchengemeinden, Freiwilligenagenturen, Mehrgenerationenhäusern, Bürgerstiftungen etc.. Ein Gesetz zur wehrhaften Demokratie muss den Brückenschlag zwischen Engagementförderung und politischer Bildungsarbeit festigen. Dies sollte bei seiner Formulierung Berücksichtigung finden.

Mit freundlichen Grüßen und im Namen des BBE-Sprecher*innenrats

Dr. Thomas Röbke
Vorsitzender des Sprecher*innenrats

Brigitta Wortmann
Mitglied des Sprecher*innenrats

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