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DSEE

Stellungnahme zur »Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt«

Stellungnahme im Rahmen der Anhörung des Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages am 9. Dezember 2019

Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt sollte eine Förderstiftung und ein strategischer Partner der Zivilgesellschaft sein, der sich am Prinzip der Subsidiarität und am Leitbild eines „ermöglichenden Staates“ orientiert

Die Errichtung der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) wird vom Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) begrüßt. Auch dass sich hier drei Bundesressorts zusammengetan haben (BMFSFJ, BMI und BMEL), stärkt die Bedeutung einer notwendig querschnittigen Engagement-und Demokratiepolitik. Perspektivisch könnten daher auch weitere Bundesressorts hinzukommen.

Allerdings kann die DSEE eine aus Sicht des BBE zwingend erforderliche Bundeskompetenz bei der Förderung zivilgesellschaftlicher Infrastrukturen in den Feldern der Demokratie- und Engagementpolitik nicht ersetzen. Ein solcher Vorschlag, der übrigens eine starke Einbindung der Länder bei der Auswahl der nachhaltig zu fördernden Strukturen vorsieht, liegt seit längerem mit dem Entwurf für ein „Demokratiefördergesetz“ des BMFSFJ vor.

Dennoch ist die DSEE ein wichtiger ergänzender engagementpolitischer Baustein. Das BBE hätte es freilich begrüßt, wenn –wie in ursprünglichen Planungen noch vorgesehen –eine zivilrechtliche Rahmung der Stiftung gewählt worden wäre. Dies hätte die Mitwirkung der Zivilgesellschaft bei der Förderung ihrer ureigenen Angelegenheiten deutlich stärker gemacht.

Mit dem Ende September 2019 bekannt gewordenen Referentenentwurf zur Gründung einer Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt wird in kritischer Weise deutlich, dass an Stelle einer von der Zivilgesellschaft erwarteten fördernden Stiftung, die sich partnerschaftlich, subsidiär und ermöglichend verhält, eine operativ arbeitende Stiftung mit einer entsprechend hohen Zahl von Mitarbeitenden vorgesehen ist. Sie soll sich laut Entwurf operativ in Service und Infrastrukturfragen der Engagementförderung betätigen und auch selbst, so der vorgesehene Auftrag im Gesetzentwurf, als Netzwerk fungieren.

Korrekturbedarf bei Selbstverständnis und Auftrag der DSEE

Dieser Ausrichtung widerspricht das BBE energisch nicht nur, weil damit die anerkannten Prinzipien und Leitbilder guter Engagementpolitik (siehe Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags zur „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ 2002) außer Acht gelassen werden.

Beim Servicegedanken werden die praktischen Erfahrungen der Länder und Kommunen ignoriert. Diese Erfahrungen machen deutlich, dass zentrale Serviceangebote ohne niedrigschwellige Zugänge und Nähe zum eigenen Sozialraum kaum nachgefragt werden. Im Bereich von Service haben Länder und Kommunen in den vergangenen Jahren bereits ein umfangreiches Angebot an Beratungs- und Unterstützungsleistungen aufgebaut. Viele dieser Angebote benötigen zwingend lokale bzw. regionale Kenntnisse und Vernetzung. Daher ist hier eine enge Abstimmung mit Ländern und Kommunen erforderlich. Dies müsste sich auch in den Gremienstrukturen der Stiftung widerspiegeln.

Vernetzung und Infrastrukturbedarfe in Vereinen und Verbänden, aber auch in Infrastruktureinrichtungen der Förderung und Begleitung von Engagement und Teilhabe sollten im Modus zivilgesellschaftlicher Selbstorganisation operieren. Sie müssen auch offen sein für eine übergreifende Begleitung und Unterstützung des Engagements inkl. seiner wachsend informellen Anteile. Dabei sind niedrigschwellige Zugänge erforderlich.

Das dafür notwendige Hauptamt in den Infrastrukturen der Zivilgesellschaft steht vor einer wachsend komplexen Agenda von Anforderungen, für die ein klärender Curriculumsprozess für die Zukunft der Ausbildungs- und Qualifizierungsangebote erforderlich erscheint.

Notwendig ist es insgesamt, Infrastruktur gerade dort dauerhaft zu fördern und zu stabilisieren, wo Engagement stattfindet: das heißt Ressourcen vor Ort stärken und Sockelförderungen ermöglichen in guter Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Dies muss über Beratung hin zur Förderung gehen.

Die neue Stiftung darf dabei aber bestehende und langjährig systematisch mit Bund und Ländern und der Zivilgesellschaft entwickelte zivilgesellschaftliche Infrastruktur, darunter auch die Netzwerkstrukturen im Bund (BBE) und den Ländern, nicht konkurrierend verdrängen. Ihre wichtige Aufgabe besteht vielmehr in einer strategisch-partnerschaftlichen Unterstützung und Stärkung der bereits aufgebauten Vernetzungsstrukturen.

Dazu gehört etwa auch eine dringend erforderliche Stärkung des derzeit vom BBE mit den Ländern und Landesnetzwerken der Zivilgesellschaft aufgebauten „Länderforums“ für die Abstimmung von Engagement-und Demokratieförderung zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

Änderungsvorschläge zum Referentenentwurf:

Vor dem skizzierten Hintergrund wäre es erforderlich, im Referentenentwurf eine Änderung vorzunehmen: Das BBE bittet darum, im parlamentarischen Verfahren darauf hinzuwirken, dass § 3, Absatz 1, Absatz 4 und Absatz 5 jeweils um die Formulierung „Förderung und Unterstützung von... “ ergänzt wird.

Begründung:

Eine Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt sollte sich am Prinzip der Subsidiarität und am engagementpolitischen Leitbild eines „ermöglichenden Staates“ orientieren.

Die Stärkung von Vernetzung und Infrastrukturen der Zivilgesellschaft ist seit den fraktionsübergreifend erfolgten Empfehlungen der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zur „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ 2002 im Sinne des Leitbildes eines „ermöglichenden Staates“ systematisch vorangetrieben worden. Das BBE wurde als multisektorales Netzwerk auf Bundesebene in diesem Jahr gegründet und seitdem durch das BMFSFJ gefördert. Alle 16 Bundesländer wirken als Mitglieder mit; das BBE ist beratender Teilnehmer in der Bund-Länder-Kommunen-Runde zur Engagementpolitik des BMFSFJ und gemeinsam mit dem BMFSFJ Ausrichter des „Deutschen Engagementtages“, der jährlich Anfang Dezember stattfindet. Zudem berät das BBE regelmäßig die Obleute des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement zu engagementpolitischen Fragen.

Mittlerweile haben sich in fast allen Ländern entsprechende zivilgesellschaftliche Vernetzungsstrukturen auf Landesebene herausgebildet. Das Landesnetzwerk BE von Baden-Württemberg ist sogar noch deutlich älter als das BBE. In vielen Landesnetzwerken sind die Geschäftsstellen explizit der Anlaufpunkt und auch die Verweisstelle für übergreifende Beratung: zu Infrastrukturen im Land, zu Service und Fortbildung, ob in eigener oder in anderer Verantwortung. Und genau diese Infrastruktur-Bündelung wird zunehmend strategisch und engagementpolitisch wichtig: Nur die lokalen und damit beauftragten Player kennen und recherchieren, und sie vernetzen die Akteure, auch trisektoral unter Einschluss von Unternehmen.

Das BBE und die vernetzten Engagementplattformen in den einzelnen Ländern führen jährlich das Austauschformat „BBE-Länderforum“ durch, in dem engagementpolitische Entwicklungen gemeinsam zwischen Zivilgesellschaft und den staatlichen Ebenen der Länder beraten werden. Dieses Format soll systematisch ausgebaut werden.

Aus Sicht des BBE ist die nachhaltige Stärkung und Begleitung von zivilgesellschaftlich selbstorganisierten und in enger Partnerschaft mit den Kommunen arbeitenden Infrastrukturen zur Engagementförderung eine ebenso wichtige Erwartung an die Stiftung wie eine leicht zugängliche Förderung kleinerer ehrenamtlich getragener Vorhaben vor Ort. Die Stiftung darf zudem keine Parallelstruktur zu bestehenden Netzwerken sowie etablierten Service- und Beratungsstrukturen auf Bundes-, Länder- oder kommunaler Ebene sein, sondern sollte vielmehr die bestehenden unterstützen und stärken.

Die vom BBE erbetene Änderung im Referentenentwurf soll klarstellen, dass die neue Stiftung nicht selber Vernetzungsaufgaben erfüllt, sondern die hierzu seit vielen Jahren entstandenen zivilgesellschaftlichen Vernetzungen und deren Strukturen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene unterstützt und stärkt. Die neue Stiftung sollte daher v.a. als Förderstiftung auftreten und dabei die Grundsätze der Subsidiarität wie auch eines „ermöglichenden Staates“ berücksichtigen.

Diese Grundsätze legen es nahe, bestehende Formate zivilgesellschaftlicher Selbstorganisation nicht durch staatliche bzw. öffentlich-rechtliche Organisationsangebote zu verdrängen, sondern sie zu stärken und als deren strategischer Partner aufzutreten.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Thomas Röbke, Vorsitzender des BBE- Sprecher*innenrates
PD Dr. Ansgar Klein, Geschäftsführer BBE

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