Beitrag im Newsletter Nr. 1 vom 13.1.2022

Zur Situation des deutschen Spendenwesens im Jahr 2021

Burkhard Wilke

Inhalt

Einleitung
1. Spendenentwicklung – Geldspendenvolumen
2. Spendenentwicklung – Trends, Quote und Internationales
3. Neuer Trend im Spendenverhalten: Spendenbereitschaft für Gewerbetreibende
4. Spendenzwecke und Struktur des Spendenwesens
5. Wichtige Ereignisse und Entwicklungen
Endnoten
Autor
Redaktion

Einleitung

Dieser Beitrag dokumentiert wichtige Entwicklungen des deutschen Spendenwesens im zu Ende gehenden Jahr 2021. Die Corona-Pandemie brachte ab März 2020 weitreichende, neuartige Herausforderungen auch für die gemeinnützigen, Spenden sammelnden Organisationen. Auch deshalb ist es gut, feststellen zu können, dass sich der statistische Wissensstand in Bezug auf die Situation zivilgesellschaftlicher Organisationen im Allgemeinen und hinsichtlich der Spendenentwicklung im Besonderen in Deutschland auch 2021 weiter verbessert hat.

Das »Forum Zivilgesellschaftsdaten«, 2016 unter dem Dach der ZiviZ gGmbH beim Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. gegründet, ging 2021 dazu über, nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Forschungsansätze zu berücksichtigen und zu vernetzen. Es veröffentlichte in diesem Sinne inzwischen zwei »Memo Paper« zu den Themen »Stiftungen im Wandel« und »Wandel des bürgerschaftlichen Engagements«. Dem Forum gehören neben dem DZI und ZiviZ inzwischen 19 weitere Organisationen, Unternehmen und Institutionen an, die Dauerberichterstattung zu zivilgesellschaftlichen Themen durchführen.

Mit dem Relaunch seiner Website www.dzi.de hat das DZI im Dezember 2020 auch sein Informationsangebot zur Spendenstatistik deutlich erweitert: Im Download-Bereich und auf der Unterseite Spendenstatistik befinden sich nun vielfältige Quellen, die weiter fortlaufend ergänzt werden, so auch erstmals als eigenständiges Dokument die DZI Spendenstatistik 2020.

Unterseite Spendenstatistik

1. Spendenentwicklung – Geldspendenvolumen

Die privaten Haushalte haben in Deutschland den Berechnungen des DZI zufolge im Jahr 2020 rund 11,7 Milliarden Euro Geldspenden geleistet. Im Vergleich zu 2019 (10,5 Mrd. Euro) ist das Spendenaufkommen damit um 11,3 Prozent gestiegen. Dies ist das Ergebnis einer im Frühjahr 2021 durchgeführten Umfrage des DZI unter den 30 Organisationen im DZI Spenden-Index in Verbindung mit einer Fortschreibung des Spendenergebnisses aus den SOEP-Daten für das Jahr 2017.

Da es im Jahr 2020 außer der Corona-Pandemie keine besonderen Ereignisse gegeben hat, die das Spendenvolumen signifikant hätten beeinflussen können, liegt der Schluss nahe, dass die Herausforderungen der Pandemie die Spendenbereitschaft der Menschen erhöht haben. Ein weiterer Faktor dürften die in der Pandemie gesunkenen Konsumausgaben vieler Haushafte gewesen sein. Hierdurch stieg bei vielen Bürger:innen das verfügbare Geldvermögen, und ein Teil davon wurde offenkundig bereits in 2020 für zusätzliche Spenden eingesetzt.

Im Unterschied zu dem vom DZI in Zusammenarbeit mit dem DIW berechneten Spendenvolumen privater Haushalte von 11,7 Mrd. Euro in 2020 berichtet der Deutsche Spendenrat e.V. zusammen mit der GfK SE in seiner »Bilanz des Helfens 2021« ein privates Spendenvolumens von nur 5,4 Mrd. Euro. Der deutliche Unterschied erklärt sich gemäß dem von DZI und DIW erarbeiteten SOEPpaper 1074 für das Bezugsjahr 2017 wie folgt:

  • In der »Bilanz des Helfens« sind erklärtermaßen Spenden über 2.500 Euro nicht berücksichtigt. Diese summieren sich gemäß den SOEP-Daten für 2017 auf einen Gesamtbetrag von 2,8 Mrd. Euro.

  • Die Frage nach der Höhe der geleisteten Spenden ist bei der »Bilanz des Helfens« enger formuliert als beim SOEP. Deshalb liegt die Spendenberechnung der »Bilanz des Helfens« 2017 um 1,4 Mrd. Euro niedriger als bei der SOEP-Auswertung von DZI und DIW.

  • Und schließlich sind in der »Bilanz des Helfens« die Spenden der in Deutschland lebenden Personen ohne deutsche Staatbürgerschaft bzw. mit Migrationshintergrund nicht erfasst; 2017 belaufen sie sich gemäß SOEP auf 700 Mio. Euro.

Diese drei Faktoren zusammengenommen summieren sich auf 4,9 Mrd. Euro und erklären damit das im Vergleich zur Bilanz des Helfens (2017: 5,2 Mrd. Euro) deutlich höhere Spendenaufkommen gemäß SOEP (2017: 9,8 Mrd. Euro).

Zusätzlich zu den privaten Haushalten spenden auch die deutschen Unternehmen Geld für gemeinnützige Zwecke. Diese Unternehmensspenden betrugen nach Angaben des Ende 2018 veröffentlichten CC-Survey[1] (Corporate Citizenship) 2017 rund 9,5 Mrd. Euro. Der CC-Survey wird im Rahmen des ZiviZ-Projekts federführend vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e. V. und der Bertelsmann Stiftung erarbeitet. Neuere Daten liegen zu den Unternehmensspenden in Deutschland bisher nicht vor. 2021 veröffentlichte ZiviZ stattdessen qualitative Umfrageergebnisse in seiner Studie »Corona und das gesellschaftliche Engagement der Wirtschaft«.

2. Spendenentwicklung – Trends, Quote und Internationales

Vom deutlichen Spendenzuwachs im Jahr 2020 (+11,3 Prozent) hat laut einer Umfrage des DZI im Frühjahr 2021 unter den 230 Organisationen, die das DZI Spenden-Siegel tragen, ein Großteil der Hilfswerke, und zwar jeglicher Größenordnung, profitiert. Größere Organisationen mit mehr als einer Million Euro Spendeneinnahmen pro Jahr sowie Organisationen, die die Spenden hauptsächlich im Ausland verwenden, berichteten aber häufiger von Spendenzuwachs als andere. Im Vergleich zur ersten Corona-Umfrage des DZI im August 2020 hat sich das Spendenaufkommen für viele kleinere Organisationen damit letztlich besser entwickelt als von ihnen zunächst erwartet.

DZI-Umfrage Frühjahr 2021

Die Spendensammlungen für die vom Hochwasser betroffenen Menschen im Westen Deutschlands haben die Gesamtsumme von 584 Millionen Euro erreicht. Dies ergab eine neue Umfrage des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) mit Informationen von 64 Hilfswerken, staatlichen Einrichtungen und Verbänden. Der Spendenzufluss hat nach Auskunft der Organisationen inzwischen erheblich nachgelassen, so dass sich das Gesamtvolumen der Hochwasser-Spenden nach Einschätzung des DZI hierdurch nur noch geringfügig ändern dürfte. Mitte Juli 2021 ereignete sich im Westen Deutschlands und der belgischen Nachbarregion aufgrund von Starkregen eine Hochwasser-Katastrophe, der in Deutschland 184 und in Belgien 41 Menschen zum Opfer fielen. Für die Überlebenden wurden in den darauffolgenden Monaten in Deutschland insgesamt 584 Millionen Euro an Geldspenden gesammelt. Damit wurden die Spendensummen bei weitem übertroffen, die nach dem Elbehochwasser 2002 (350 Mio. Euro) und nach dem Hochwasser unter anderem in Sachsen und Bayern 2013 (158 Mio. Euro) gespendet wurden. Nur aus Anlass des Tsunami in Südostasien wurde 2004 und 2005 mit 670 Mio. Euro in Deutschland innerhalb der letzten 20 Jahre für eine einzelne Notlage mehr Geld gespendet. Die Hochwasser-Spenden gingen zu 81 Prozent auf Konten von Hilfsorganisationen, zu 17 Prozent an staatliche Körperschaften (v.a. betroffene Kommunen) und zum verbleibenden Teil an Verbände, insbesondere im Bereich der Wirtschaft.

DZI-Pressemitteilung vom 16.11.2021 zu den Hochwasserspenden

Schon allein aufgrund dieser Sonderspenden für die vom Hochwasser Betroffenen wird das Geldspendenvolumen in Deutschland 2021 nach vorläufigen Schätzungen des DZI auf deutlich über 12 Milliarden Euro anwachsen.

Auch die Datensammlung »Spendenjahr 2021: Trends und Prognose«, die Anfang Dezember 2021 vom Dachverband Deutscher Spendenrat e. V. und der GfK SE vorgelegt wurde, weist eine starke Erhöhung des Spendenaufkommens in 2021 aus. Es sei von Januar bis September 2021 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 14 Prozent gestiegen. Der Spendenrat und die GFK SE stellen auch heraus, dass die Zahl von Spendenden mit rund 25 Prozent erstmals seit langem wieder leicht gestiegen sei (Bevölkerung ab 10 Jahre). Auch bei der Spenderquote besteht im Übrigen eine ähnlich große Diskrepanz zum Ergebnis des SOEP wie beim Spendenvolumen. Das SOEP (Bevölkerung ab 16 Jahre) weist für das zuletzt erhobene Jahr 2017 eine gegenüber 2014 unveränderte Spendenquote von 47 Prozent aus.

Seit seiner ersten, 2010 veröffentlichten Ausgabe (Bezugsjahr: 2009) lieferte der von der britischen Charities Aid Foundation (CAF) in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Gallup erarbeitete WORLD GIVING INDEX einen einzigartig umfassenden Überblick über drei zentrale Formen bürgerschaftlichen Engagements in mehr als 140 Ländern weltweit:

  1. einem fremden Menschen helfen (»Helping a stranger«),

  2. Geld an ein gemeinnützige Organisation spenden (»Donating money to a charity«),

  3. sich ehrenamtlich engagieren (»Volunteering time«).

Seit 2019 war der bis dahin jährliche Rhythmus der Veröffentlichung aber unterbrochen. Zudem wurde die Methodik überarbeitet. Im Juni 2021 erschien die jüngste Ausgabe »CAF World Giving Index 2021« mit den im Jahr 2020 durch Gallup erhobenen Daten. Der Bericht weist starke Veränderungen zu den Vorjahren aus, und davon ist die auf 114 reduzierte Anzahl ausgewerteter Staaten noch die geringste. Für zahlreiche entwickelte Staaten wie etwa die Schweiz, die Niederlande, die USA und auch Deutschland berichtet der aktuelle World Giving Index stark gesunkene Engagementquoten. Erklärt wird dies im Vorwort mit den Auswirkungen der Pandemie, die die »Gelegenheitsorte« des Engagements deutlich begrenzt hätten. Was auf den ersten Blick plausibel ist, muss zumindest für Deutschland aber bei näherer Betrachtung hinterfragt werden. So wird eine Spenderquote (Bevölkerung ab 15 Jahre) von nur noch 34 Prozent in 2020 für Deutschland ausgewiesen, eine drastische Reduzierung im Vergleich zu den für Vorjahre verfügbaren Werten des World Giving Index: mit 55 Prozent (2017) sowie 55 (2016) und 58 Prozent (2015). Auch die anderen beiden Engagementindikatoren sanken 2020 stark: die Quote der ehrenamtlich Engagierten von zuletzt 26 (2017) auf nur noch 15 Prozent (2020) und die der Menschen (ab 15 Jahren), die bereit sind, einem Fremden in Not zu helfen von 46 (2017) auf 30 Prozent (2020). Mit den Erkenntnissen zur Rekordsumme des Spendenvolumens in Deutschland 2020 sind diese Zahlen des World Giving Indexes ebenso wenig in Einklang zu bringen wie mit der positiven Entwicklung der Spenderquote gemäß der »Bilanz des Helfens«, die für 2017 noch 31,5 Prozent auswies und im Jahr 2020 den nur wenig niedrigeren Wert von 28,5, Prozent. Es wird also zu beobachten sein, ob der World Giving Index mit seiner neu justierten Methodik in den kommenden Jahren zu stimmigeren Ergebnissen zurückfindet und für die abrupten Diskontinuitäten in den Entwicklungen möglicherweise noch weitere, plausiblere methodische Erklärungen nachliefern wird.

CAF World Giving Index 2021

3. Neuer Trend im Spendenverhalten: Spendenbereitschaft für Gewerbetreibende

Ein interessanter neuer Trend hat sich im Spendenverhalten in Deutschland sowohl 2020 im Zeichen der Corona-Krise als auch 2021 im Zusammenhang mit den Spenden für die vom Hochwasser Betroffenen gezeigt: die erstmals so deutlich erkennbare Spendenbereitschaft für Gewerbetreibende, die durch die jeweiligen Notlagen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind. Auf Spendenplattformen wie zum Beispiel www.startnext.com wurde seit dem Frühjahr 2020 die Unterstützung etwa von Cafés, Restaurants oder Kulturbetrieben angeboten und offenbar auch rege angenommen. Auch Websites von Kommunen oder Wirtschaftsverbänden werben für entsprechende freiwillige Unterstützungen. Das war ebenso nach dem Hochwasser im Westen Deutschlands zu beobachten, wo sich eine deutliche Spendenbereitschaft zum Beispiel für Weinbaubetriebe oder andere kleine und mittelständische Unternehmen abgezeichnet hat. Dies schafft zusätzliche, teils noch ungeklärte Fragen: In welchem Rahmen sind derartige Wirtschaftshilfen mit den Regeln der Steuerbegünstigung vereinbar und wie wirken sich solche Spenden auf die staatlichen Hilfszusagen für Betriebe aus?

4. Spendenzwecke und Struktur des Spendenwesens

Über die Aufteilung der Spenden auf unterschiedliche gemeinnützige Zwecke gibt die »Bilanz des Helfens 2021« Auskunft. Sie wurde im Februar 2021 vom Deutschen Spendenrat e. V. und der GfK vorgestellt. Im Jahr 2020 entfielen 75,6 (2019: 75,3) Prozent der Spenden auf die Humanitäre Hilfe, 7,2 (5,9) Prozent auf Tierschutz, 3,3 (3,5) Prozent auf Umwelt-/Naturschutz, 1,4 (3,0) Prozent auf Sport, 2,8 (2,5) Prozent auf Kultur-/Denkmalpflege, und 9,9 (9,7) Prozent auf sonstige gemeinnützige Zwecke.

Eindeutige Angaben zur Gesamtzahl der Spendenorganisationen in Deutschland gibt es schon allein deshalb nicht, weil die Bezeichnung »Spendenorganisation« nicht klar definiert ist.

Der Mitte 2017 veröffentlichte »ZIVIZ-SURVEY 2017« von Dr. Holger Krimmer, Jana Priemer und Anaël Labigne bietet die jüngste umfassende Bestandsaufnahme der zivilgesellschaftlichen Strukturen in Deutschland. Demzufolge

5. Wichtige Ereignisse und Entwicklungen

Die 2010 gestartete »Initiative Transparente Zivilgesellschaft« konnte die Zahl der ihr angeschlossenen Unterzeichnenden bis Dezember 2021 auf rund 1.570 Organisationen erhöhen. Dieses niedrigschwellige Transparenzinstrument wird federführend von Transparency International Deutschland betrieben und von einem Trägerkreis koordiniert, dem unter anderem auch das DZI angehört. Das DZI unterstützt die Haupt- und Ehrenamtlichen bei Transparency International Deutschland bei der administrativen Umsetzung der ITZ.

Im Herbst 2021 hat die ursprünglich für 2020 geplante FATF-Länderprüfung in Deutschland stattgefunden. Dabei wurden wesentliche Bereiche von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft durch eine Kommission der FATF (Financial Action Task Force) auf mögliche Risiken im Sinne von Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche überprüft. Dazu gehörte auch der Non-Profit-Sektor. In Zusammenhang mit den Vorbereitungen der FATF-Prüfung hat das DZI mit weiteren Einrichtungen der Zivilgesellschaft auf Einladung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (Arbeitsgruppe ÖSII2 – Internationaler Terrorismus und Extremismus) 2020 und 2021 an zahlreichen Gesprächen teilgenommen. Ende Dezember 2020 hat das Bundesinnenministerium dann die 60 Seiten umfassende »Sektorale Risikoanalyse: Terrorismusfinanzierung durch (den Missbrauch von) Non-Profit-Organisationen in Deutschland« veröffentlicht, die umfassend unter anderem auf die Arbeit des Dachverbands VENRO sowie des DZI im Rahmen der Spenderberatung und der Prüfung Spenden sammelnder Organisationen Bezug nimmt.

»Sektorale Risikoanalyse: Terrorismusfinanzierung durch (den Missbrauch von) Non-Profit-Organisationen in Deutschland«


Endnoten

[1] https://www.unternehmensengagement.de/


Beitrag im Newsletter Nr. 1 vom 13.1.2022
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.

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Autor

Burkhard Wilke ist Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI)

Kontakt: wilke@dzi.de


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