Beitrag im Newsletter Nr. 10 vom 20.5.2021

Corona-Pandemie und die Herausforderungen für den organisierten Sport

Boris Rump

Inhalt

Die Corona-Pandemie gefährdet die Vielfalt des Sports
Das Ökosystem des organisierten Sports
Fehlende Mitgliedereintritte als Problem
Fazit
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Die Corona-Pandemie gefährdet die Vielfalt des Sports

Die Corona-Pandemie stellt den organisierten Sport in Deutschland vor große Herausforderungen. Betroffen sind über 27 Millionen Mitgliedschaften in rund 90.000 Sportvereinen, die unter dem Dach des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) organisiert sind. Dabei ist insbesondere auch der Amateur- und Breitensport betroffen. Sportplätze, Sporthallen sowie Schwimmbäder sind für Amateur- und Freizeitsportlerinnen und -sportler seit Monaten geschlossen und die Angebote nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Bereits der erste Lockdown hat gezeigt, dass die Folgen und Auswirkungen für die Sportvereine und auch ihre Verbände vielfältig und teils gravierend sind. Diese Entwicklung hat sich mit den Beschränkungen des zweiten Lockdowns verschärft und bedroht mittlerweile die Existenz vieler Sportorganisationen.

Wie in anderen Bereichen der Zivilgesellschaft auch, liegt zum gegenwärtigen Zeitpunkt (noch) kein umfassendes Bild über alle Auswirkungen der Pandemie auf die Sportstrukturen vor. Die Erkenntnisse beruhen vielmehr auf der Zusammenschau von Ad-hoc-Umfragen und Untersuchungen mit dem speziellen Fokus auf das Thema Corona-Pandemie, der Einbindung von Fragestellungen in bestehende Erhebungen sowie der Ableitung von Effekten der Pandemie im Rahmen von Langzeitbefragungen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Sportstrukturen sehr heterogen sind. So stellt die Pandemie kleine, rein ehrenamtlich organisierte Vereine vor andere Herausforderungen als große, professionelle Vereine. In ihrer Gesamtheit gefährden die Schäden die Vielfalt des Sports mit all seinen Leistungen für die Gesellschaft.

Das Ökosystem des organisierten Sports

Das Ökosystem des Sports (vgl. DOSB 2020c) hat drei wesentliche Bereiche, die in enger Relation zueinanderstehen. Die Leistungen und Angebote lassen sich in sportliche Angebote und Leistungen, die der Sport für die Gesellschaft übernimmt, unterteilen. Die Sportstruktur fokussiert auf die zahlreichen und unterschiedlichen Akteurinnen und Akteure im Sport. Diese reichen von den Ehrenamtlichen über Athletinnen und Athleten, von Sportveranstaltungen über Ligen bis zu den Vereinen und Verbänden. Schließlich sind die monetären und ideellen Ressourcen wichtiger Bestandteil des Systems. Dazu zählen unter anderem Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden oder Ticketing sowie der Einsatz von Zeit und Motivation der ehrenamtlich Engagierten. Die Maßnahmen zur Einschränkung der Pandemie grenzen dabei das Angebotsportfolio in der Breite und Spitze des Sports erheblich ein, woraus sich entsprechende Folgen auf Ebene der Ressourcen und in den Strukturen ergeben.

Quelle: (vgl. DOSB 2020c)
Quelle: (vgl. DOSB 2020c)

Auf Ebene der monetären Ressourcen im Sport zeigen Befragungen von Vereinen und Verbänden sowie Athletinnen und Athleten einen Rückgang der tatsächlichen Erträge aufgrund von ausgefallenen Angeboten und Veranstaltungen. So verdeutlichen die Ergebnisse aus Befragungen der DOSB-Mitgliedsorganisationen und der DOSB-nahen Institutionen (vgl. DOSB 2020a, 2020b), dass die pandemiebedingten Ertragsrückgänge der Verbände nicht vollständig durch Kosteneinsparungen ausgeglichen werden können. Ein Großteil der Rückgänge ist hier auf fehlende Einnahmen aus ausgefallenen Veranstaltungen zurückzuführen. So schätzt die Hälfte der befragten Verbände ihre Situation zum 31. Dezember 2021 als existenzbedrohend ein.

Auch für Athletinnen und Athleten spielen Veranstaltungen als Einnahmequelle eine wesentliche Rolle, wie die Ergebnisse der Studie »Die ökonomischen Auswirkungen von COVID-19 auf Nachwuchsleistungs- und Spitzensportler/innen in Deutschland« von Christoph Breuer, Sören Dallmeyer und Henry Steinfeldt aus dem Jahr 2020 deutlich machen (vgl. Breuer et. al.).

Für 2021 wird von einer weiteren, deutlichen Zunahme der Mindereinnahmen bis in den zweistelligen Millionenbereich ausgegangen.

Auf Vereinsebene zeichneten sich bereits im Frühjahr 2020 finanzielle Schäden ab, wie die Erhebungen mehrerer Landessportbünde zeigen (vgl. z. B. wlsb 2020). Fehlende Einnahmen können aufgrund kaum vorhandener Rücklagen nur schwer ausgeglichen werden, was in der Konsequenz zu einer Existenzbedrohung für die Organisation führen kann. Auch die Vorabauswertung der 8. Welle des Sportentwicklungsberichts (SEB) ergab, dass die Hälfte der befragten Vereine davon ausgeht, in den nächsten zwölf Monaten in eine existenzbedrohliche Lage zu geraten. Hinsichtlich dieser Einschätzung zeigt sich seit dem zweiten Lockdown ein signifikanter Anstieg. Dabei wird deutlich, dass auf Vereinsebene neben finanziellen Engpässen Rückgänge auf Ebene der Mitglieder sowie der Ehrenamtlichen eine große Rolle spielen (vgl. Breuer/Feiler 2021).

Quelle: Zweite Befragungswelle Verbändebefragung (vgl. DOSB 2020b)
Quelle: Zweite Befragungswelle Verbändebefragung (vgl. DOSB 2020b)

In Bezug auf das Interesse an einem ehrenamtlichen Engagement beobachtet die Hälfte der im Rahmen der Zweiten Welle der DOSB-Verbändebefragung Befragten ein abnehmendes Interesse.

Für den organisierten Sport stellt sich also die zentrale Frage, inwieweit sich die ideelle Ressource des ehrenamtlichen und freiwilligen Engagements in den Vereinen vor Ort durch die Pandemie verändert. Des Weiteren bleibt offen, wie voraussichtliche Rückgänge aufgefangen und neue Ehrenamtliche gewonnen beziehungsweise ausgeschiedene zurückgewonnen werden können.

Fehlende Mitgliedereintritte als Problem

Die Mitgliederentwicklung als zentraler Risikofaktor der Vereine hat einen direkten Einfluss auf die Sportstruktur, da diese mit einer rückläufigen Anzahl an Vereinen weniger vielfältig wird. Gleichzeitig sind Mitgliedsbeiträge als Haupteinnahmequelle der Vereine eine zentrale finanzielle Ressource. Während für das Jahr 2020 69 Prozent der Verbände mit einem Rückgang der Mitgliederzahlen in den Vereinen ihres Verantwortungsbereichs gerechnet haben, sind es für das Jahr 2021 bereits 89 Prozent.

Repräsentative Zahlen über die konkreten Mitgliederverluste werden erst mit den vollständigen Bestandserhebungen und Meldezahlen der Verbände vorliegen. Die finalen Auswertungen hierzu im DOSB laufen aktuell noch. Für das Jahr 2020 zeichnet sich aber bereits jetzt ein Mitgliederverlust von rund 1 Mio. Mitgliedschaften ab. Dies sind rund 3,5 % - 5 % aller Mitgliedschaften, wobei der Verlust bei Großsportvereinen sogar bei rund 10 % liegt. Hauptursache für die Verluste sind dabei nicht die jährlichen Austritte, sondern insbesondere die fehlenden Neuanmeldungen (also Vereinseintritte), die den Sportvereinen aufgrund der Pandemie zum Teil fehlen. Dabei ist besonders die Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen (0 bis 6 Jahre bzw. 7 bis 14 Jahre) betroffen.

Diese komplexen Auswirkungen der Mitgliederentwicklung werden den Sport verzögert treffen. Aus sinkenden Mitgliederzahlen resultieren sinkende Einnahmen. Wenn Vereinen und Verbänden weniger Ressourcen zur Verfügung stehen, wird dies mittel- bis langfristig zu einer Reduzierung von Angeboten und gesellschaftlichen Leistungen des Sports wie zum Beispiel Integrationsarbeit, Jugendförderung oder Bildung und Qualifikation führen.

Es wird deutlich, dass die Einschränkung der Angebote und Leistungen vielfältige Folgen für das Ökosystem des Sports hat und sich die einzelnen Elemente ständig wechselseitig beeinflussen. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass Sport und Bewegung im Verein als wichtiger Beitrag für die physische und psychosoziale Gesundheit der Menschen fehlen. Im Bericht zum ständigen Gesundheitsmonitoring der deutschen Bevölkerung des Robert-Koch-Instituts (RKI) zeigt sich seit dem Frühjahr 2020 ein »deutlicher Anstieg« des durchschnittlichen Körpergewichts von über einem Kilogramm (vgl. Journal of Health Monitoring 2020). Dieser Anstieg ist statistisch signifikant und dürfte durch die andauernde Lage weiter zugenommen haben.

Fazit

Insgesamt ist festzustellen, dass die Sportverbände und Vereine durch die Pandemie mit gravierenden, vielfältigen Problemen konfrontiert sind. Dabei sind nahezu alle Strukturen und Handlungsfelder im Sport betroffen und es müssen Lösungen sowie Strategien entwickelt werden, mit den Folgen der Pandemie umzugehen. Neben den finanziellen Auswirkungen zeigen sich immer stärker auch Probleme und Wechselbeziehungen im Bereich der Angebote, des Personals und der Mitgliederbindung sowie soziale Folgen. Sollte der Sportbetrieb bis Mitte des Jahres oder sogar länger nicht möglich sein, werden die Schäden weiter zunehmen. So besteht aktuell die reale Gefahr, dass bewährte, gemeinnützige Sportsystem mit seiner vielschichtigen Struktur nach der Krise deutlich geschwächt vorzufinden.

Positiv ist hervorzuheben, dass der organisierte Sport sich bisher nicht nur solidarisch mit den notwendigen Beschränkungen und »Corona-Auflagen« gezeigt hat, sondern bereits Konzepte zum Umgang mit diesen entwickelt und erprobt hat. So sind die Verbände und Vereine in der Lage, zahlreiche Sportangebote zu unterbreiten, die auch bei höheren Inzidenzwerten verantwortbar sind und positive Effekte für die Gesunderhaltung mit sich bringen. Dies gilt unter anderem für die Mehrzahl der Bewegungsangebote auf Sportfreianlagen, im öffentlichen Raum und auch in großen gedeckten Sportanlagen. Umfangreiche Infektionsschutz- und Hygienekonzepte sind vorhanden und können bei der sukzessiven Rückkehr zum Vereinssport sofort helfen (vgl. DOSB 2020). An dieser Stelle sei betont, dass das Sporttreiben nicht als Teil des Problems zu verstehen ist, sondern einen wichtigen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten kann.

Der Textbeitrag basiert in Auszügen aus einem Beitrag des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zum Diskussionspapier »Folgen der Coronakrise für Engagement und Zivilgeselschaft«, veröffentlicht im März 2021 von Zivilgesellschaft in Zahlen (ZiviZ) im Stifterverband.

Zum Diskussionspapier »Folgen der Coronakrise für Engagement und Zivilgeselschaft«


Beitrag im Newsletter Nr. 10 vom 20.5.2021
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.

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Autor

Boris Rump ist Referent für Bildung und Engagement im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).

Kontakt: rump@dosb.de


Quellen

Breuer, C., Dallmeyer, S., Steinfeldt, H. (2020): Die ökonomischen Auswirkungen von COVID-19 auf Nachwuchsleistungs- und Spitzensportler/innen in Deutschland, 10.13140/RG.2.2.27430.34887

Breuer, C., Feiler, S. (2021): Presse-Information vom 13.1.2021. Zweite Welle macht den Sportvereinen deutlich mehr zu schaffen. Vorabauswertung der 8. Welle des Sportentwicklungsberichts zur COVID-19 Thematik. https://www.dshs-koeln.de/aktuelles/meldungen-pressemitteilungen/detail/meldung/zweiter-lockdown-macht-den-sportvereinen-deutlich-mehr-zu-schaffen/. Letzter Zugriff: 17. Mai 2021.

Deutscher Olympischer Sportbund (2020): Sporttreiben im Verein. https://www.dosb.de/medienservice/coronavirus/sportartspezifische-uebergangsregeln. Letzter Zugriff: 17. Mai 2021.

Deutscher Olympischer Sportbund (2020a): Erhebung zu finanziellen Implikationen der COVID-19-Pandemie für die DOSB-Mitgliedsorganisationen und DOSB-nahen Institutionen. https://cdn.dosb.de/user_upload/www.dosb.de/Corona/Erhebung_Deloitte.pdf. Letzter Zugriff: 17. Mai 2021.

Deutscher Olympischer Sportbund (2020b): Corona-Schäden für Sportdeutsch-land. 2. Deloitte-Erhebung der finanziellen Implikationen der COVID-19-Pandemie für DOSB-Mitgliederorganisationen und DOSB-nahe Institutionen. https://cdn.dosb.de/user_upload/www.dosb.de/Corona/Coronabedingter-Schaden_Zweite_Deloitte-Befragung.pdf. Letzter Zugriff: 17. Mai 2021.

Deutscher Olympischer Sportbund (2020c): Das Ökosystem des organisierten Sports.

https://cdn.dosb.de/user_upload/www.dosb.de/Corona/OEkosystem_des_organisierten_Sports.pdf. Letzter Zugriff: 17. Mai 2021

Deutscher Olympischer Sportbund (2021): DOSB Leitplanken 2021. https://cdn.dosb.de/user_upload/www.dosb.de/Corona/20210514_Leitplanken_2021.pdf. Letzter Zugriff: 17. Mai 2021.

Journal of Health Monitoring (2020) 5(4): Gesundheitliche Lage der Bevölkerung zu Beginn der COVID-19-Pandemie. https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/JoHM_04_2020_Gesundheitliche_Lage_COVID-19.pdf?__blob=publicationFile. Letzter Zugriff: 17. Mai 2021.

Württembergische Landessportbund (Hg.) (2020): Bremsspuren im organisierten Sport – Ergebnisse der WLSB-Vereinsumfrage. https://www.wlsb.de/aktu-elles/news/1104-bremsspuren-im-organisierten-sport-ergebnisse-der-wlsb-ver-einsumfrage. Letzter Zugriff: 17. Mai 2021.

Zivilgesellschaft in Zahlen (ZiviZ) (2021): Folgen der Coronakrise für Engagement und Zivilgesellschaft. https://www.ziviz.de/medien/folgen-der-coronakrise. Letzter Zugriff 17. Mai 2021.


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