Inhalt
Raumfahrt mit Nutzen für Menschen und den Planeten
Eine andere Perspektive auf den Planeten
Neue Akteure im Weltraum
Kommerzieller Weltraumbergbau unrentabel
Zukunftsperspektive
Krisen-Governance etablieren und institutionalisieren
Autor
Redaktion
Raumfahrt mit Nutzen für Menschen und den Planeten
Alle politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit richtet sich – angesichts des Ausmaßes und der Gefahren dieser Pandemie – derzeit auf Corona bzw. Covid19. Das lässt andere Themen sehr stark in den Hintergrund treten. Natürlich gilt es aktuell, alle Kräfte zu bündeln, um die Corona-Pandemie zu bekämpfen, einen Kollaps des Gesundheitssystems zu verhindern und die wirtschaftlichen Folgen einzudämmen. Das bedeutet aber keineswegs, dass andere Themen völlig irrelevant sind, selbst solche, die auch bisher oftmals nicht im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit standen wie die Raumfahrt. Dabei nimmt die Raumfahrt seit Jahren stetig an Bedeutung für alle von uns zu, wenn auch für viele oft unbemerkt. Oder wer denkt schon, wenn er oder sie sich mit dem Navigationsdienst auf dem Smartphone durch die Stadt bewegt oder ein Leifahrrad mietet, daran, dass das irgendwas mit Raumfahrt zu tun hat? Auch wenn Raumfahrt oftmals nicht mehr die mediale Aufmerksamkeit genießt wie zu Zeiten von Sputnik und den Apollo-Missionen, erleben wir dennoch seit einigen Jahren einen Boom, eine spannende Renaissance, stark vorangetrieben auch von privaten Akteuren. Daraus ergeben sich viele Potenziale und viele Fragen: Wie sieht Raumfahrt in zehn, 20 Jahren aus? Welche Potenziale für die kommerzielle Nutzung, für die Erdbeobachtung, für die Wissenschaft ergeben sich? Welche Risiken bestehen, beispielsweise durch Weltraumschrott – und wie gehen wir damit um? Fragen, bei der die Zivilgesellschaft mitdiskutieren sollte.
Eine andere Perspektive auf den Planeten
Ein sehr eindrucksvoller Kontakt mit der Raumfahrt für mich war 2014, als ich bei einer Live-Schaltung zur internationalen Raumstation (ISS) mit Alexander Gerst sprechen konnte. Ich fragte ihn damals, wie sein Aufenthalt auf der ISS seinen Blick auf die Erde verändert hat. Alexander Gerst schilderte eindrücklich, wie er den Anblick auf unseren Planeten von der ISS erlebte: Die ungewohnte Perspektive aus dem Weltraum zeige, dass die Erde, die auf uns sonst nahezu unbeschränkt und grenzenlos wirkt, von außen betrachtet ziemlich klein ist und mit ihrer dünnen Atmosphäre verletzbar erscheint. Diesen Eindruck schildern viele Astronautinnen und Astronauten. Mit dem Bild »Earth Rise« von 1967 können viele Menschen diesen Eindruck mehr oder weniger nachvollziehen. Die Erde, wie ein kleines Raumschiff in den Weiten des Alls. Historiker führen die in den 60er- und 70er Jahre weltweit entstandenen Umweltbewegung auch auf diese Aufnahme zurück. Dieses Bild als Augenöffner für die Grenzen unserer Ressourcen und die Schönheit des Planeten. Und damit die Raumfahrt als Impulsgeberin für Prozesse auf der Erde. Seien es, wie in diesem Fall, gesellschaftliche Bewegungen oder in anderen Fällen Fortschritte in Technik und Wissenschaft, wie zum Beispiel der Klimaforschung.
Neue Akteure im Weltraum
Nach der Anfangseuphorie der Pionierjahre galt Raumfahrt vielen als sehr kostspielige, staatlich hoch subventionierte Branche, mit hohen Zutrittsschranken für neue Akteure. Diese werden mehr und mehr von jungen Unternehmen aus der New-Space-Szene überwunden, Unternehmen die in der Raumfahrtbranche immer stärker Fuß fassen. Während die Raumfahrt lange Zeit vorwiegend militärisch und wissenschaftlich genutzt wurde, drängen diese neuen Akteure darauf, die Raumfahrt stärker ökonomisch zu nutzen. Mit satellitengestützten Navigationssystemen wie GPS und Galileo (die zum Teil ihren Ursprung in der militärischen Nutzung haben) wurde dieses Feld der privaten Anwendungen der Raumfahrt in den letzten Jahren stark erweitert. Mitte März diesen Jahres startete wieder eine Rakete des privaten Raumfahrtunternehmens SpaceX aus den USA, an Bord 60 Kleinsatelliten zur globalen Internetanbietung. Doch, so unendlich der Weltraum sein mag, der Erdorbit ist es nicht. Der Bereich in dem Satelliten zur Nutzung solcher Absichten verwendet werden kann, ist begrenzt. Soll dabei das Prinzip »First Come First Serve« gelten? Trotz aller Berechnungen der Umlaufbahnen kommen sich Satelliten oder Satellitenschrott oftmals gefährlich nahe. Weltraumschrott macht es immer schwerer freie Plätze am Himmel zu finden und gefährdet dadurch Missionen. Eine Herausforderung, die es global anzugehen gilt, aber dafür müssen wir auch in der nationalen Gesetzgebung handeln. Die Bundesregierung darf nicht länger damit warten ein Weltraumgesetz vorzulegen. Denn wir brauchen klare Regeln, um zum einen gefährlichen Weltraumschrott zu verhindern und zum anderen auch ganz generell Rechtssicherheit und Haftungsregeln für die immer mehr Unternehmen, die im Bereich Raumfahrt tätig werden zu schaffen.
Kommerzieller Weltraumbergbau unrentabel
Ein Thema, das in Bezug auf ein Weltraumgesetz immer wieder auf den Tisch kommt, ist der Weltraumbergbau. Einige Länder, darunter auch das EU-Mitgliedsland Luxemburg, haben nationale Gesetze erlassen, die vorsehen extraterrestrischen Bergbau zu erlauben. Nach Auffassung vieler Juristinnen und Juristen ist dies jedoch Bruch des Völkerrechts. Im Weltraumvertrag von 1967 verständigen sich die Mitglieder der Vereinten Nationen darauf, den Weltraum und alle ihm angehörenden Körper als Gemeingut anzuerkennen. Diese dürfen nicht von einzelnen Nationen beansprucht werden. Dementsprechend kritisch sehe ich die Idee des Weltraumbergbaus. Ja, wie uns die Perspektive aus dem Weltall gezeigt hat, die Ressourcen auf unserem Planeten sind begrenzt, aber sie reichen uns. Ich setze mich seit langem für die Kreislaufwirtschaft ein und bin der festen Überzeugung, dass wir unsere ingenieurwissenschaftlichen Talente dazu einsetzten sollten ressourcensparend zu wirtschaften und Möglichkeiten des Recycling weiter auszuschöpfen, als zu versuchen Metalle oder andere Ressourcen zur kommerziellen Nutzung von Astroiden auf die Erde zu holen. Ganz davon abgesehen, dass keine Szenarien bekannt sind, in denen der Weltraumbergbau in näherer oder mittlerer Zukunft irgendwie aus finanzieller Sicht realistisch ist. Langfristig spannend ist sicher die Frage, ob wir irgendwann auf Himmelskörper Rohstoffe für weitere Weltraummissionen gewinnen können.
Zukunftsperspektive
Wenn es um die Zukunft der Raumfahrt geht, sind Politik, Unternehmen und Zivilgesellschaft in gleicher Weise gefragt: Aufgabe des Gesetzgebers ist es, nun dringend Rechtsklarheit in Sachen Haftungsregeln für private Raumfahrtunternehmen schaffen. Nur so haben Unternehmen Planungssicherheit und Deutschland und Europa kann sein Potential entfalten kann. Die Aufgabe der Gesellschaft sehe ich darin, Leitbilder zu diskutieren in welche Richtung die Raumfahrt sich entwickeln soll. Wollen wir eine Tourismusbranche für Superreiche mit Hotels im Weltall schaffen? Wollen wir eine kommerzielle Raumfahrt, die nach neuen Goldgruben im All sucht oder wollen wir eine Raumfahrt, die nach den Antworten auf die Fragen über die Entstehung des Universums und die Klimaforschung auf unserem Planeten sucht oder die Lösungen für viele Herausforderungen auf der Erde in den Vordergrund stellt? Ich wünsche uns eine Debatte über diese Ziele einer modernen Raumfahrt. Die dramatischen Klimaveränderungen machen uns klar, dass die Erdbeobachtung und Klimawissenschaft zu den Prioritäten zukünftiger Missionen gehören muss. Die Raumfahrt kann einen großen Beitrag leisten, damit wir Vorgänge wie Klimawandel und Veränderungen der Biosphäre besser begreifen lernen.
Beitrag im Newsletter Nr. 11 vom 4.6.2020
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.
Autor
Dieter Janecek ist seit 2013 Bundestagabgeordneter und derzeit Sprecher für Industriepolitik und digitale Wirtschaft der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Als Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages ist Janecek regelmäßig mit dem Thema Raumfahrt befasst, stammt doch der Etat für das deutsche Raumfahrtprogramm zu großen Teilen aus dem Wirtschaftsministerium.
Kontakt: dieter.janecek@bundestag.de
Redaktion
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