Beitrag im Newsletter Nr. 12 vom 18.6.2020

Gemeinnnützigkeitsrecht: eine engagementpolitische Sichtweise

Svenja Stadler

Inhalt

Rechtssicherheit für zivilgesellschaftliche Organisationen
Monetarisierung des Ehrenamts verhindern
Bürokratieabbau
Mehr Transparenz staatlichen Handelns im gemeinnützigen Bereich
Autorin
Redaktion

Zivilgesellschaftliches Engagement braucht rechtliche Rahmenbedingungen, die sein Gedeihen fördern. Der geltende Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD hälft fest: »Um die Kultur des zivilgesellschaftlichen Engagements und des Ehrenamts zu fördern und zu stärken, wollen wir das Gemeinnützigkeitsrecht verbessern.« Das geltende Gemeinnützigkeitsrecht ist nicht mehr zeitgemäß und der Gesetzgeber hat Handlungsnotwendigkeit erkannt. Dass der Referentenentwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz zur Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts noch immer auf sich warten lässt, zeigt nicht zuletzt das Ausmaß der Regelungsbedarfe an.

Aus meiner Sicht als engagementpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion sollte ein modernisiertes Gemeinnützigkeitsrecht viererlei leisten: Erstens muss es Rechtssicherheit für zivilgesellschaftliche Organisationen liefern und dabei die Breite eines sich strukturell verändernden Engagements abbilden. Zweitens sollte das Gemeinnützigkeitsrecht einer Monetarisierung des Ehrenamtes entgegenwirken. Drittens sollte es Bürokratie abbauen und viertens für mehr Transparenz staatlichen Handelns im gemeinnützigen Bereich sorgen.

Rechtssicherheit für zivilgesellschaftliche Organisationen

Rechts- und Planungssicherheit sind die Grundlagen für einen stabilen gemeinnützigen Sektor. Ein zentraler Ansatzpunkt im Rahmen eines überarbeiteten Gemeinnützigkeitsrechts muss daher eine klarere und präzisere Formulierung von vorhandenen Zweckbestimmungen in der Abgabenordnung sein. Hierbei geht es darum, den Interpretationsspielraum für örtliche Finanzämter einzuschränken, um mehr Rechtssicherheit für Vereine zu gewährleisten. Wir brauchen ein Gemeinnützigkeitsrecht, das politischen Diskussionen um Gewährleistung und Entzug des Gemeinnützigkeitsstatus, wie sie im letzten Jahr unter anderem im Fall von Attac aufschienen, jegliche Grundlage entzieht. Ein gutes Gemeinnützigkeitsrecht ist Bedingung dafür, dass die Anerkennung von Gemeinnützigkeit nicht von Geschmacksfragen oder Weltanschauungen abhängt.

Zugleich muss die Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts die Tatsache in Rechnung stellen, dass sich zivilgesellschaftliches Engagement stark verändert – es wird zum Beispiel digitaler und die Bereiche, in denen sich Bürgerinnen und Bürger engagieren, verändern sich. Der vor kurzem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend veröffentlichte »Dritte Engagementbericht« über »Engagement im digitalen Zeitalter« zeigt die Bedeutung von Engagement im digitalen Zeitalter auf.

Ebenso ist die Aufnahme weiterer, klug abgewogener Zweckbestimmungen in die Abgabenordnung unumgänglich, da diese schlicht veraltet ist. Es darf nicht bei verstreuten steuergesetzlichen Einzeländerungen bleiben, die beispielsweise die potenzielle Eintragungsfähigkeit des offenen, nicht-kommerziellen Betriebs von Funknetzwerken (»Freifunk«), von E-Sport-Vereinen oder eines zu definierenden gemeinnützigen Journalismus betreffen. Vielmehr ist eine Bündelung neuer gemeinnütziger Zwecke im neuen Gemeinnützigkeitsrecht notwendig.

Monetarisierung des Ehrenamts verhindern

Sich gemeinnützig zu betätigen heißt, dies freiwillig, unentgeltlich und gemeinwohlorientiert zu tun. Im letzten Jahr haben sich die Finanzminister der Bundesländer für eine Erhöhung der Ehrenamts- und Übungsleiterpauschale ausgesprochen. Anerkennung für das Ehrenamt ist zentral, und dennoch ist der Grat zwischen einer gesteigerten Anerkennung vor allem in finanzieller Hinsicht und einer Monetarisierung des Ehrenamtes schmal.

Eine Monetarisierung des Ehrenamts in einem modernisierten Gemeinnützigkeitsrecht festzuschreiben, ist aus mehreren Gründen zu verhindern. Zum einen besteht die Gefahr, der Entstehung eines verkappten Niedriglohnsektors und einer Grauzone zwischen Arbeitsmarkt und Engagement Vorschub zu leisten. Ist die Erhöhung der Ehrenamts- und Übungsleiterpauschale tatsächlich die richtige Form der Anerkennung für Engagement oder führen sie zu mehr Missbrauch, wie beispielsweise zur Umgehung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung durch die Kombination mit 450-Euro-Jobs? Das Gemeinnützigkeitsrecht darf keine Ausweichmöglichkeiten zum Mindestlohn schaffen! Zum anderen läuft die Monetarisierung ehrenamtlicher und freiwilliger Tätigkeitsformen dem Wesenskern gemeinnützigen Engagements als Zeitspende entgegen und eine intransparente Mischung unbezahlter und bezahlter Tätigkeitsformen bedroht die Kultur des gemeinnützigen Engagements.

Engagement ist Ausdruck eines aktiven Mitgestaltungsanspruchs der Zivilgesellschaft, die aktiv zur politischen Willensbildung beiträgt und unsere Demokratie bereichert, gestaltet und stärkt. Das zu erhalten ist nur möglich durch eine starke Abgrenzung des Ehrenamts zu Erwerbsarbeit in Erwartung einer adäquaten finanziellen Gegenleistung. Eine solch klare Position folgt der engagementpolitischen Linie der SPD-Bundestagsfraktion seit Einsetzung der Enquete-Kommission zur Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements. Klar ist dennoch: Ein modernisiertes Gemeinnützigkeitsrecht muss in der Tat eine gestärkte Anerkennungskultur für das gemeinnützige Einbringen zum Ausdruck bringen, die sich nicht in Worthülsen erschöpft.

Bürokratieabbau

Eine weitere zentrale »Leitplanke« für ein modernisiertes Gemeinnützigkeitsrecht muss der Bürokratieabbau sein, sowohl für gemeinnützige Organisationen selbst als auch für die staatlichen Verwaltungen. Hier braucht es Maßnahmen, die es Bürgerinnen und Bürgern und ihren Vereinen – insbesondere kleineren Vereinen – ermöglicht, sich auf das Eigentliche ihrer Arbeit zu besinnen: ihr ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement. Dabei sind bürokratiearme Verfahren und eine einfachere, flexiblere Handhabung in der Praxis bei gleichzeitiger Rechtssicherheit die entscheidenden Stichpunkte. Ein Baustein könnte sein, die Freigrenze für wirtschaftliche Aktivitäten gemeinnütziger Organisationen von 35.000€ auf 45.000€ zu erhöhen, um in größerem Ausmaß gemeinnützige Organisationen von bürokratischen Pflichten zu entlasten. Bürokratieabbauendes Potenzial kann ebenso ein stärker digital ausgerichtetes Gemeinnützigkeitsrecht bieten, das zum Beispiel die digitalen Abwicklungen von Spendenbescheinigungen ermöglicht. Hiervon profitierten Vereine, Spender und Steuerverwaltungen sehr. Grundsätzlich ist zum Bürokratieabbau eine generelle Vereinfachung des steuerrechtlichen Gemeinnützigkeitsrechts unabdingbar, zum Beispiel in Hinblick auf die Eintragungsfähigkeit von Vereinen mit zur Umsetzung der Satzungszwecke notwendigen, wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs. Ein kleinerer Verein sollte keine Heerscharen von Steuerberatern benötigen, um durch das Gemeinnützigkeitsrecht zu navigieren.

Mehr Transparenz staatlichen Handelns im gemeinnützigen Bereich

Gesetze zu überarbeiten, bietet immer auch die Chance für mehr gesetzgeberische Transparenz. Mir scheint es daher ein sinnvoller Ansatzpunkt, ein überarbeitetes Gemeinnützigkeitsrecht mit einem Gemeinnützigkeitsregister transparenter zu machen. Für Bürgerinnen und Bürger wäre es ein großer Gewinn, gemeinnützige Organisationen in einem bundesweiten Register transparent einsehen zu können. Ein solches Register könnte auch dazu beitragen, die Breite des gemeinnützigen Sektors gesellschaftlich sichtbar zu machen.

Über diese grundsätzlichen Anforderungen an ein modernisiertes Gemeinnützigkeitsrecht hinaus hat die Corona-Pandemie den Reformbedarf im Gemeinnützigkeitsrecht deutlich vor Augen geführt. Zwar wurde einige gesetzgeberische Flexibilität bewiesen; so können zum Beispiel Sportvereine sich außerhalb ihres Satzungszwecks durch Einkaufsdienste für Hilfsbedürftige engagieren, ohne die Gemeinnützigkeit zu verlieren, oder die wichtige Arbeit von Vereinen, Initiativen und sonstigen Trägern der gesellschaftlichen Teilhabe und politischen Bildung wurde über pragmatische Lösungen im Zuwendungsrecht gesichert.

Auch im Krisenfall dürfen wir nicht vergessen, dass nur eine lebendige und bunte Zivilgesellschaft Basis für Demokratie und bürgerliche Freiheiten ist. Dafür werde ich mich weiterhin einsetzen.


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Svenja Stadler (MdB) ist Sprecherin für Bürgerschaftliches Engagement der SPD-Bundestagsfraktion.

Kontakt: svenja.stadler@bundestag.de

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