Ergebnisprotokoll: Fachaustausch Gemeinnützigkeit & Reform der Abgabenordnung vom 13.Mai 2020
Dr. Pauline Weller
Inhalt
Teilnehmer*innen
Session 1
Session 2
Session 3
Ausblick auf die nächsten Schritte im Gesetzgebungsverfahren
Endnoten
Autorin
Redaktion
Am Mittwoch, den 13. Mai 2020, fand von 9 bis 12.30 Uhr der digitale interne Fachaustausch zum Thema Gemeinnützigkeit und Reform der Abgabenordnung statt. Dieser Fachaustausch wurde gemeinsam von der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V., dem Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement sowie Brot für die Welt organisiert. Weitere Kooperationspartner der Veranstaltung waren die Allianz »Rechtssicherheit für politische Willensbildung« und Campact. Ziel der Veranstaltung war es, den Austausch wichtiger Akteur*innen aus Politik, Wissenschaft und Praxis und der Zivilgesellschaft zu fördern und die strittigen Fragen zur bevorstehenden Reform der Abgabenordnung zu diskutieren.
Teilnehmer*innen
Aus Politik & Verwaltung:
Alfried Reusch (BMF)
Simone Spier (FM BaWü)
Svenja Stadler, MdB (SPD)
Fabian Welke (BMF)
Jurist*innen aus Wissenschaft und Praxis:
Prof. Dr. Rainer Hüttemann (Universität Bonn)
Prof. Dr. Sebastian Unger (Ruhr-Universität Bochum)
RA Dr. Almuth Werner (eureos)
Aus der Zivilgesellschaft:
Anne Degner (Gesellschaft für Freiheitsrechte)
Stefan Diefenbach-Trommer (Allianz »Rechtssicherheit für politische Willensbildung«)
Marie-Alix Frfr Ebner von Eschenbach (Bundesverband Deutscher Stiftungen)
Dr. Rupert Graf Strachwitz (Maecenata Stiftung)
Dr. Ansgar Klein (Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement)
Damian Ludewig (Campact)
Christine Meissler (Brot für die Welt)
Ann-Kathrin Seidel (Campact)
Helge Söhle (Allianz »Rechtssicherheit für politische Willensbildung«)
Dr. Pauline Weller (Gesellschaft für Freiheitsrechte)
Session 1: In welchem Umfang sollte gemeinnützigen Organisationen politische Arbeit zu ihren eigenen Zwecken erlaubt sein?
Moderation: Dr. Pauline Weller Online-Podium: Stefan Diefenbach-Trommer, Svenja Stadler, Prof. Dr. Sebastian Unger In der ersten Session ging es um die Grenzen der politischen Betätigung zivilgesellschaftlicher Organisationen zur Förderung ihrer eigenen satzungsmäßig festgelegten Zwecke. Eröffnet wurde die Diskussion von Prof. Dr. Sebastian Unger, der in seinem Eingangsstatement auf die weiten verfassungsrechtlichen Spielräume für die politische Arbeit gemeinnütziger zivilgesellschaftlicher Organisationen einging. Grundlage des Statements bildete das von der Gesellschaft für Freiheitsrechte in Auftrag gegebene und von ihm verfasste Rechtsgutachten[1] zur »Politischen Betätigung gemeinnütziger Körperschaften«, das am 2. Mai 2020 veröffentlicht wurde. Anschließend diskutierte zunächst der Podiums-Kreis, in dem weite Einigkeit darüber bestand, dass politisches Engagement zur Förderung der eigenen Zwecke für gemeinnützige Organisationen möglich sein muss, ohne dass dies den Gemeinnützigkeitsstatus gefährdet. Die Diskussion ging vertieft auf die geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein: Hier ging es auch um die Frage, in welchem Verhältnis zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Parteien zueinanderstehen und welche Grundsätze für ihre jeweilige Finanzierung gelten. Es wurde argumentiert, auch bei der Arbeit von gemeinnützigen zivilgesellschaftlichen Organisationen Anforderungen an Transparenz und die eigene demokratische Verfasstheit zu stellen, diese aber weniger streng als bei den politischen Parteien auszulegen. Im Hinblick auf die Befürchtung, die Offenlegung von Herkunft der Spenden bzw. der Ausgaben führten zu einem zu großen bürokratischen Aufwand, wurden auch Möglichkeiten zu freiwilligen Transparenzregelungen diskutiert. Vorgeschlagen wurde auch die Einführung eines »Lobbyregisters« außerhalb des Steuerrechts. Wichtige weitere Aspekte der Diskussion stellten die Auswirkungen der Rechtsunsicherheit für viele gemeinnützige zivilgesellschaftliche Organisationen dar (»chilling-effects«): zivilgesellschaftliche Organisationen hielten sich mit ihrem politischen Engagement zurück, da sie um ihren Gemeinnützigkeitsstatus fürchteten. Auch im Rahmen der Neugründungen von politischen Vereinen wirke sich die bestehende Rechtsunsicherheit negativ aus.
Session 2: In welchem Umfang sollte gemeinnützigen Organisationen politische Arbeit jenseits ihrer eigenen Zwecke erlaubt sein?
Moderation: Dr. Ansgar Klein Online-Podium: Marie-Alix Frfr. Ebner von Eschenbach, Damian Ludewig, Alfried Reusch, Dr. Almuth Werner In der zweiten Session ging es um die Grenzen der politischen Betätigung gemeinnütziger Organisationen jenseits der eigenen Zwecke, also z.B. den Sportverein, der zu einer Anti-Nazidemonstration aufrufen möchte. Dr. Almuth Werner eröffnete mit einem Eingangsstatement zu den Herausforderungen, die sich hier in der anwaltlichen Praxis stellen. Es wurde von mehreren Seiten betont, dass das politische Engagement in begrenztem Maße auch für andere als die eigenen Zwecke möglich sein müsse: So zeigten Vereine Haltung und förderten das demokratische Miteinander. Strittig waren die hierfür geltenden Beschränkungen. Vorgeschlagen wurde eine Begrenzung der Mittelverwendung sowohl in Summe als auch prozentual. Außerdem wurde als weites Korrektiv das Kriterium der »sachlichen oder persönlichen Betroffenheit« zur Diskussion gestellt. Eine gemeinnützige Organisation könne sich danach auch jenseits ihrer Zwecke politisch äußern, wenn das Engagement im Kontext der Organisation stünde. Diskutiert wurde zusätzlich, ob sich ein Widerspruch daraus ergebe, dass die politische Betätigung zur Förderung fremder Zwecke bisher nicht zulässig ist, die Möglichkeit zur Mittelweitergabe an andere gemeinnützige Organisationen nach der Abgabenordnung aber erlaubt. Vorgeschlagen wurde eine neue Regelung in den § 58 AO aufzunehmen, wonach die politische Betätigung zivilgesellschaftlicher Organisationen auch zu anderen Zwecken begrenzt erlaubt wird.
Session 3: Wäre ein neuer Rechtsstatus einer »politischen Körperschaft« eine sinnvolle Alternative für politisch tätige Organisationen?
Moderation: Christine Meissler Online-Podium: Stefan Diefenbach-Trommer, Dr. Rupert Graf Strachwitz, Prof. Dr. Rainer Hüttemann, Alfried Reusch In der dritten Session wurde konkret auf den Vorschlag einen neuen Rechtstatus für politische Körperschaften einzuführen eingegangen. Prof. Dr. Rainer Hüttemann eröffnete mit einem Eingangsstatement zu den Vor- und Nachteilen eines neuen Rechtsstatus. Dieser Rechtstatus soll dem Vorschlag nach außerhalb der Abgabenordnung geregelt sein, sprich aus dem Regelungsabschnitt der §§ 51 ff AO ausgelagert. Neben einigen befürwortenden Stimmen für einen solchen neuen Rechtstatus, wurden auch Bedenken laut: Es drohe die Entpolitisierung des gemeinnützigen Sektors. Eine Entscheidung zwischen gemeinnützig oder politisch sei für zivilgesellschaftliche Organisationen nicht praktikabel. Außerdem ergäben sich aus dieser Auslagerung größere Probleme bei der Finanzierung, da die entsprechenden Strukturen von Stiftungen und anderen Geldgebern an den Gemeinnützigkeitsstatus gebunden sind. Insbesondere für kleinere Vereine würde dies zu unüberwindbaren Problemen führen. Als Kompromissvorschlag wurde eingeworfen, den Zweckekatalog in § 52 AO durch weitere Zwecke zu erweitern und zusätzlich einen neuen Rechtsstatus einzuführen für Organisationen die dauerhaft und weit überwiegend allgemeinpolitisch tätig sein wollen.
Ausblick auf die nächsten Schritte im Gesetzgebungsverfahren
Die Reform der Abgabenordnung ist noch für das laufende Jahr 2020 geplant. Das Bundesministerium der Finanzen ist aktuell mit der Erstellung des entsprechenden Gesetzesentwurfs befasst.
Endnoten
[1] https://freiheitsrechte.org/gff-rechtsgutachten-gemeinnutzigkeit_prof-unger_mai2020/
Beitrag im Newsletter Nr. 12 vom 18.6.2020
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.
Autorin
Dr. Pauline Weller ist Projektkoordinatorin und Juristin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte.
Kontakt: pauline.weller@freiheitsrechte.org
Twitter: @PaulineMSWeller
Redaktion
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