Inhalt
Fazit der Legislaturperiode: Erschwerung statt Ermöglichung
Gemeinnützigkeitsrecht
Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt
Demokratiefördergesetz
Fazit
Autorin
Redaktion
Fazit der Legislaturperiode: Erschwerung statt Ermöglichung
Eine vielfältige und kritische Zivilgesellschaft ist unabdingbar für eine lebendige Demokratie. Deshalb sollte Politik im Hinblick auf bürgerschaftliches Engagement eine ermöglichende und aktivierende Rolle einnehmen. Das heißt Barrieren zum Engagement senken, das Engagement erleichtern und es besser anerkennen, um Menschen zum Engagement zu motivieren. In dieser Legislaturperiode ist die Große Koalition diesem Anspruch nicht gerecht geworden. Engagement wurde durch Gesetzesinitiativen erschwert und an vielen anderen Stellen wurden dringend notwendige Reformen, um Engagierten die Arbeit zu erleichtern, verschleppt.
Gemeinnützigkeitsrecht
Die notwendige Reform des Gemeinnützigkeitsrechts war eines der zentralen Themen in der auslaufenden Legislaturperiode. Auslöser dieser Debatte war ein Urteil des Bundesfinanzhofs im Februar 2019. Der Bundesfinanzhof hatte dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac die Gemeinnützigkeit aberkannt. Die Kampagnen von Attac seien keine gemeinnützige politische Bildungsarbeit, da sie vielmehr auf eine Beeinflussung der politischen Meinung zielen.
In der Folge dieses Urteils ist diversen weiteren Vereinen, wie beispielsweise Campact e.V., die Gemeinnützigkeit aberkannt worden. Diese Entscheidungen haben nicht nur Auswirkungen auf die Vereine selbst, weil ihre Finanzierungsmöglichkeiten eingeschränkt werden und ihnen die Gemeinnützigkeit als »Gütesiegel« entzogen wird- Sie entfaltet auch Strahlkraft auf große Teile einer kritischen und lebendigen Zivilgesellschaft, die zunehmend vorsichtiger in politischen Aktivitäten wird. Das ist ein fatales Signal, denn eine demokratische Gesellschaft ist auf eine vielfältige und aktive Zivilgesellschaft angewiesen.
Nach einer Initiative des Bundesrats und in der Debatte um das Jahressteuergesetz 2020 gab es Hoffnung, dass die Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit dem Gemeinnützigkeitsrecht für viele Vereine aus der Welt geschafft wird. Doch diese Hoffnung wurde enttäuscht. Denn die Bundesregierung erweiterte zwar den Katalog gemeinnütziger Zwecke um fünf weitere, doch die zentralen Forderungen vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen blieben unerfüllt. Es ist dringend notwendig den Katalog gemeinnütziger Zwecke um die Förderung der Menschenrechte und Grundrechte, des Friedens, der sozialen Gerechtigkeit, der informationellen Selbstbestimmung und der Gleichstellung aller Geschlechter zu erweitern. Zudem bedarf es einer rechtlichen Klarstellung, dass die Beteiligung am politischen Willensbildungsprozess unschädlich für die Gemeinnützigkeit ist, um kleinen Organisationen wie Nachbarschafts-, Sport- oder Kulturvereinen beispielsweise das Engagement gegen Rassismus zu ermöglichen. Auch die Regelung, durch die die Bundesvereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) zwischenzeitlich ihre Gemeinnützigkeit verloren hatte, muss gestrichen werden. In der Debatte zum Jahressteuergesetz hatte meine Fraktion dazu einen Antrag – »Zivilgesellschaft ist gemeinnützig« – (https://dserver.bundestag.de/btd/19/154/1915465.pdf) eingebracht. Durch die Reform wurden auch ein paar Vereinfachungen für gemeinnützige Organisationen geschaffen. Hier ist beispielsweise die Aufhebung der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung für kleine Vereine zu nennen. Nichtsdestotrotz wird die Schaffung eines Gemeinnützigkeitsrechts, das Engagement ermöglicht und der Vielfalt des Engagements des 21. Jahrhunderts entspricht, eine zentrale Aufgabe der Engagementpolitik in der kommenden Legislaturperiode werden.
Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt
Ein weiteres wichtiges Thema in dieser Wahlperiode, das wir kritisch begleitet haben, war die Errichtung der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE). Wir haben für einen deutlich größeren Einfluss der Zivilgesellschaft in der Stiftung gekämpft und uns für eine stärkere Ausrichtung der Stiftung auf die Förderung von Engagement insbesondere im ländlichen Raum eingesetzt. Nach der Gründung gilt es nun, die Stiftung in ihrer Arbeit zu begleiten. Sie kann bei der Unterstützung von ehrenamtlich und bürgerschaftlich Engagierten in bürokratischen und rechtlichen Fragen eine große Hilfestellung leisten. Das kann insbesondere für kleine Sport-, Karnevals- oder Musikvereine und viele andere in ländlichen Regionen eine Unterstützung sein. Nichtsdestotrotz wird es zusätzliche Maßnahmen brauchen, um gerade ländliche Strukturen des Engagements zu unterstützen und zu fördern. Dafür ist es unerlässlich, Strukturen langfristig zu fördern, denn Engagement und Ehrenamt brauchen Hauptamt zur Unterstützung und das gilt umso mehr für strukturschwache Regionen. Es wird zu beobachten sein, wie sich die Rolle der Stiftung entwickelt, auf welche Schwierigkeiten sie stoßen wird, wie viel Einfluss die Zivilgesellschaft auf ihre Arbeit nehmen kann, welche zusätzlichen Aufgaben entstehen und ob es hier zukünftig einer Korrektur der politischen Weichenstellung bedarf.
Demokratiefördergesetz
Darüber hinaus muss in der nächsten Wahlperiode endlich ein Demokratiefördergesetz auf den Weg gebracht werden, das seinen Namen verdient. Es ist lange überfällig und dringend notwendig, dass die Förderung von Initiativen, Vereinen und Organisationen, die sich für eine demokratische, vielfältige sowie tolerante Gesellschaft und gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit einsetzen, endlich eine verlässliche und dauerhafte Finanzierung erhalten. Die Zunahme von rechtem Terror und Gewalttaten, von Antisemitismus und Verschwörungsmythen zeigen: Wir müssen den Kräften in der Zivilgesellschaft, die sich gegen Rassismus, Antisemitismus und Neonazis engagieren, mit einem Demokratiefördergesetz den Rücken stärken. Dieser Entwicklung kann nur mit einer starken Zivilgesellschaft entgegengewirkt werden. Dabei ist es wichtig, dass die Förderung nicht mit einem strukturellen Misstrauen verbunden ist und deswegen lehnen wir die sogenannte Extremismusklausel ab.
Wir treten natürlich weiterhin dafür ein, die Barrieren für unterrepräsentierte Gruppen im Engagement zu senken, die Anerkennungskultur zu stärken, die Freiwilligkeit im Engagement zu erhalten und eine übermäßige Monetarisierung zu verhindern. Denn klar ist auch: Das bürgerschaftliche Engagement darf nicht als Ersatz öffentlicher Aufgaben in der Daseinsvorsorge missbraucht werden.
Fazit
Um all diese Themen effektiv und nachhaltig anzupacken sowie neue Gesetzesvorhaben stärker auf ihre Engagementverträglichkeit zu überprüfen, um einer zunehmenden Bürokratisierung entgegenzuwirken, muss dem bürgerschaftlichen Engagement in der politischen Debatte und im politischen Raum ein höherer Stellenwert eingeräumt werden. Daher setzen wir uns für einen Hauptausschuss zum bürgerschaftlichen Engagement im Deutschen Bundestag ein und werden weiterhin dafür kämpfen.
Beitrag im Newsletter Nr. 13 vom 1.7.2021
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.
Autorin
Katrin Werner, MdB, DIE LINKE, stellvertretende Vorsitzende des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement.
Kontakt:
Redaktion
BBE-Newsletter für Engagement und Partizipation in Deutschland
Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE)
Michaelkirchstr. 17/18
10179 Berlin
Tel.: +49 30 62980-115