Beitrag im Newsletter Nr. 13 vom 2.7.2020

Positionspapier – Anforderungen an eine ermöglichende Infrastruktur der kommunalen Daseinsvorsorge

Fachbeirats»Digitalisierung und Bildung für ältere Menschen«

Inhalt

Positionspapier
Endnoten
Autor*innen
Redaktion

Der Fachbeirat »Digitalisierung und Bildung für ältere Menschen« versteht sowohl Bildung mit und von Menschen in allen Lebensphasen und Lebenslagen als auch die Nutzbarmachung von Digitalisierung mit und für die Menschen in ihren lebensweltlichen Kontexten als erforderliche Bestandteile einer generationenübergreifenden, zeitgemäßen Sozial- und Bildungspolitik und als zentrale Elemente und Aufgaben kommunaler Daseinsvorsorge.[1] Besonderer Bedarf besteht bei Menschen, die in der sich wandelnden Lebensphase Alter mit spezifischen gesellschaftlichen und persönlichen Herausforderungen konfrontiert sind. Den rechtlichen Rahmen hierfür sollte – entsprechend dem Vorschlag der Sachverständigenkommission des Siebten Altenberichts »Sorge und Mitverantwortung in der Kommune – Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften«[2] – ein »Altenhilfestrukturgesetz« bzw. »Altenarbeitsstrukturgesetz«, orientiert an der Jugendhilfe sowie an den damit verbundenen und in SGB VIII geregelten Ansprüchen (z.B. § 11 SGB VIII Jugendarbeit) schaffen.

Der Fachbeirat begrüßt den im Siebten Altenbericht zum Ausdruck kommenden »Paradigmenwechsel«, der Rolle der Kommune künftig einen höheren gestalterischen Stellenwert einzuräumen und dabei der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Kommunen sowie regionalen Ungleichheiten Rechnung zu tragen. Um die Kommunen zur subsidiären Aufgabe der Umsetzung von Daseinsvorsorge zu befähigen, bedarf es zum einen gesetzlicher Rahmungen, die ihnen die hierfür benötigten Kompetenzen zuschreiben. Zum anderen müssen den Kommunen unter Beteiligung von Bund und Ländern die hierfür erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Der Fachbeirat begrüßt in diesem Zusammenhang den Vorschlag der Siebten Altenberichtskommission, eine neue Gemeinschaftsaufgabe »Daseinsvorsorge« im Grundgesetz zu verankern.[3]

Eine nachhaltige Finanzierung und die Vermeidung von »Projektruinen« ist (nach Abzug von Fördermitteln) sicherzustellen. Ein solcher Prozess bedarf mit Blick auf Zuständigkeiten und Entscheidungen auch der Einbettung in und der Verzahnung mit föderale/n Netzwerkstrukturen. Zu fördern ist zum Beispiel die Sammlung und Darstellung guter kommunaler Praxisbeispiele, der Ausbau von Servicestellen und Beratungsnetzwerken auf Bundes- und Länderebene und die Kooperation sowie der organisierte Austausch zwischen Kommunen.

In ihrer Konzeption sollten kommunale Bildungsförderung sowie die Nutzbarmachung der Digitalisierung vor Ort den allgemeinen Grundsätzen kommunaler Sozialplanung folgen und 1) Analyse (Sozialstruktur, Ressourcen, Bedarfe) sowie 2) Netzwerkarbeit mit vorhandenen Akteuren (Vereine, Verbände etc.) voraussetzen und 3) die Wünsche und Vorstellungen möglichst aller Beteiligten einbeziehen (Partizipation).

Als erforderliche und geeignete Organisationskonzepte von Bildungsförderung sowie der Nutzbarmachung der Digitalisierung werden einerseits sozialraumorientierte Ansätze und andererseits ihre Verankerung in übergreifenden Netzwerkstrukturen erachtet.

Ermöglichende Strukturen – mit einem entsprechend qualifizierten Personal – sind vorzuhalten. Diese sollen eine Umsetzung unterschiedlichster Lebensentwürfe unterstützen, unterschiedliche Lebenslagen berücksichtigen und bei der Erschließung von Gestaltungsspielräumen behilflich sein. Vor allem sollen sie bürgerschaftliches Engagement und Teilhabe fördern und damit zur Schaffung informeller Lernkontexte in zukunftsfähigen Gemeinschaften beitragen. Auch neue Formen des Lernens sollten unter Einbeziehung digitaler Medien (etwa blended learning) verstärkt genutzt werden. Sowohl für den Bereich der Bildung als auch für den Bereich digitaler Techniknutzung ist – neben der Bereitstellung basaler Infrastruktur – qualifizierte Begleitung und Beratung von besonderer Bedeutung.

Eine zeitgemäße Politik vor Ort benötigt – gerade auch mit Blick auf ältere Menschen in prekären Lebenslagen – eine Stärkung der Teilhabemöglichkeiten durch niedrigschwellige Zugänge zu Bildung und Engagement. Zudem sollte allen Menschen ein (im wörtlichen und übertragenen Sinn) barrierefreier Zugang offenstehen.

Grundlage für die Umsetzung einer zeitgemäßen Politik für ältere Menschen ist eine gesicherte Datenlage (etwa regelmäßiger und öfter erhobene Daten zur Bildung bis ins hohe Alter, zu Lebenslagen in sozialräumlichen Dimensionen), insbesondere aber Forschung zu »schwierigen Zugängen«, also zu älteren Menschen, denen Zugänge zu Angeboten der Daseinsvorsorge erschwert oder verwehrt sind.

Schließlich braucht es mehr Spielraum in den Förderrichtlinien der Erwachsenenbildung unter Berücksichtigung der Nutzung und kritischen Anwendung digitaler Technik. Die Regelfinanzierung ist zu stärken und innovationsfördernd auszugestalten. Modellprojekte benötigen die Möglichkeit, weitere Fördermittel einzuwerben. Grundsätzlich ist zu prüfen, wie vorhandene Angebote der Altenhilfe verstärkt mit Bildungsaspekten gekoppelt werden können.

Zum nachhaltigen und flächendeckenden Aufbau von Ermöglichungsstrukturen in der Alltagswelt älterer Menschen fordert der Fachbeirat »Digitalisierung und Bildung für ältere Menschen« die Umsetzung der im Papier aufgeführten Empfehlungen.


Endnoten

[1] Grundlage dieses Positionspapiers sind die Arbeiten um den Runden Tisch »Aktives Altern – Übergänge gestalten« (RTAA, 2015 bis 2017), insbesondere auch der Arbeitsgruppen »Bildung im und für das Altern« und »Übergänge gestalten« sowie der Siebte Altenbericht (s. Anm. 2). Die Ergebnisse des RTAA finden sich unter: https://www.bmfsfj.de/blob/117360/51d4f9b4b365930e77901fed25184b70/runder-tisch-aktives-altern-ergebnispapier-data.pdf (zuletzt geprüft am 02.10.2019).

[2] Herunterzuladen unter: https://www.siebter-altenbericht.de/ (zuletzt geprüft am 02.10.2019).

[3] Der Deutsche Landkreistag als Mitglied des Fachbeirats trägt diese Position nicht mit. Kernpunkt eines einstimmigen Beschlusses des Präsidiums zu diesem Vorschlag ist, dass der Bund nicht Angebote der kommunalen Daseinsvorsorge (mit-)bestimmen können dürfe, da sich mit jeder (Mit-)Finanzierung kommunale Spielräume reduzierten.


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Der 2018 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) einberufene Fachbeirat »Digitalisierung und Bildung für ältere Menschen« versteht sich als unabhängiges, sektorenübergreifendes und interdisziplinäres Gremium von Sachverständigen. Leitmotiv des Fachbeirats ist die Förderung von Teilhabe und Selbstbestimmtheit sowie der digitalen Souveränität älterer Menschen. Ziel seiner Arbeit ist die Bündelung der Fachexpertise aus Politik, Praxis und Wissenschaft zu den Themen- und Handlungsfeldern »Digitalisierung mit älteren und für ältere Menschen« und »Bildung mit älteren und für ältere Menschen« und die Beratung des BMFSFJ in diesen Feldern prospektiv sowie mit Blick auf gesamtgesellschaftliche Chancen und Risiken. Nähere Informationen zum Fachbeirat unter: https://www.digitalisierung-und-bildung-fuer-aeltere-menschen.de/

Kontakt: Geschäftsstelle des Fachbeirats beim ISS-Frankfurt a.M.; Ansprechpartner ist
Dr. Ludger Klein, ludger.klein@iss-ffm.de


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