Beitrag im Newsletter Nr. 13 vom 2.7.2020

Engagiert durch die Krise. Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Patenschaften

Dr. Frank Gesemann, Leif Jannis Höfler, Josepha Jendricke und Amrei Roeder

Inhalt

Umgang mit Kontaktbeschränkungen zwischen Pragmatismus und Distanzierung
Die Patenschaftstandems haben sich auf die Herausforderungen durch die Corona-Krise eingestellt
Möglichkeiten und Grenzen des Kontakts während der Kontaktbeschränkungen
Soziale Distanzierung als Gebot der Stunde setzt Patenschaftsbeziehungen unter Druck
Herausforderungen und erfolgversprechende Bewältigungsstrategien
Neue Formen der Solidarität im Schatten der Pandemie
Neues Engagement aufgrund der Corona-Krise
Die Pat*innen wurden zu
Patenschaften als Kern aktiver und vielfältiger Solidaritätsbezüge
Zivilgesellschaftliches Engagement als Lebenselixier einer demokratischen Gesellschaft
Fazit und Ausblick
Endnoten
Autor*innen
Redaktion

Das DESI – Institut für Demokratische Entwicklung und Soziale Integration wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) mit einer zweiten Wirkungsanalyse zum Patenschaftsprogramm »Menschen stärken Menschen« beauftragt, deren erste Zwischenergebnisse im Herbst 2020 veröffentlicht werden. Im Rahmen dieser Wirkungsanalyse hat DESI eigeninitiativ eine Sonderbefragung zum Thema »Auswirkungen von Corona auf Patenschaften« durchgeführt, aus der im Folgenden einige Ergebnisse vorgestellt werden.[1]

Ziel der Befragung war es, während der akuten ersten Phase der Corona-Pandemie in Deutschland, ein Stimmungsbild der im Rahmen von Patenschaften engagierten Menschen zu gewinnen. Die Ergebnisse bieten eine aussagekräftige und eindrucksvolle Momentaufnahme zur Lage der Patenschaften inmitten der Corona-Pandemie. Sie bieten zum einen Einblicke in den Umgang mit den weitgreifenden Kontaktbeschränkungen innerhalb der Patenschaften. Darüber hinaus erlauben die Antworten dieser Gruppe von Engagierten erste Rückschlüsse auf die Reichweite und den Verlauf des Engagements unter den Bedingungen der Corona-Krise.

Die Online-Befragung wurde im Zeitraum vom 4. bis zum 18. Mai 2020 durchgeführt. Mit 342 vollständig ausgefüllten Fragebögen wurde ein unerwartet hoher Rücklauf erzielt. Die befragten Pat*innen engagieren sich vor allem für die Integration und Teilhabe von Geflüchteten sowie für die Förderung besserer Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen. Die Verteilung der Befragten spiegelt die demografischen Merkmale von Pat*innen nach Alter und Geschlecht gut wider.

Patenschaften sind von der Corona-Krise stark betroffen. Einige Tandems haben weniger Kontakt und leiden sehr unter den Beschränkungen. Ein Großteil der Patenschaftstandems lässt sich jedoch nicht unterkriegen und einige werden voraussichtlich sogar gestärkt aus der Krise gehen.

Viele Tandems überbrücken die eingeschränkten Möglichkeiten der Kommunikation in der Zeit der Kontaktbeschränkungen unter anderem mit Hilfe von sozialen Medien. Die digitalen Möglichkeiten der Kontaktpflege werden persönliche Treffen langfristig jedoch nicht ersetzen.

In der Corona-Krise entsteht trotz des Gebots von sozialer Distanzierung auch eine neue Verbundenheit. Die Auswirkungen der Krise schaffen neue gemeinsame Bezugspunkte für solidarisches Handeln und wirken damit als Katalysator für neues zivilgesellschaftliches Engagement.

Ein Viertel der befragten Pat*innen hat ihr Engagement aufgrund der Corona-Krise ausgeweitet und ist damit aktiver Teil der bemerkenswerten Solidarität, die sich unter dem Eindruck der Corona-Krise formierte und als wichtige zivilgesellschaftliche Kraft an der Bewältigung der negativen Auswirkungen der Pandemie teilhat.

Auch einige der Mentees engagieren sich während der Corona-Krise. Bemerkenswert ist dies insbesondere aufgrund der sich verstärkenden Probleme, die viele Mentees bewältigen müssen. Viele Pat*innen wie auch Mentees sind ein zentraler Bestandteil einer Engagementkultur, wie sich auch während der Corona-Krise und der damit verbundenen Kontaktbeschränkungen eindrucksvoll zeigt.

Umgang mit Kontaktbeschränkungen zwischen Pragmatismus und Distanzierung

Uns interessierte, ob und wenn ja, wie es den Patenschaftstandems gelingt, während der Corona-Krise in Kontakt miteinander zu bleiben und trotz der Beschränkungen das soziale Miteinander aufrechtzuerhalten und zu stärken. Die Ergebnisse zur Kontaktintensität machen zunächst deutlich, dass die Patenschaften von den Kontaktbeschränkungen hart getroffen wurden (siehe Abbildung 1). Das ist nicht verwunderlich, da diese Form des Engagements auf intensivem persönlichem Kontakt, gemeinsamen Treffen und Unternehmungen beruht.

Abbildung 1: Kontakte in der Corona-Krise (N=340) (Quelle: DESI 2020)
Abbildung 1: Kontakte in der Corona-Krise (N=340) (Quelle: DESI 2020)

Die Patenschaftstandems haben sich auf die Herausforderungen durch die Corona-Krise eingestellt

Sieben von zehn Pat*innen nutzen digitale Angebote, um die Zeit der Kontaktbeschränkungen zu überbrücken. Dass digitale Formen der Kontaktpflege langfristig persönliche Treffen allerdings nicht ersetzen werden, lässt sich daran ablesen, dass nur 14 Prozent der Befragten denken, diese nach Ende der Corona-Krise mehr als zuvor zu nutzen. Fast ein Viertel der Befragten gibt an, gleichviel oder sogar mehr Kontakt zu ihren Mentees zu haben. Diese Ergebnisse verdeutlichen einerseits die negativen Auswirkungen der Kontaktbeschränkungen auf die Patenschaften, verweisen aber gleichzeitig auf Potenziale und Ausmaß der Kontaktpflege durch soziale Medien, von denen viele Patenschaften während der Corona-Krise intensiveren Gebrauch machen (siehe auch Abbildung 2).

Abbildung 2: Persönliche Treffen und digitale Medien in der Corona-Krise (Quelle: DESI 2020)
Abbildung 2: Persönliche Treffen und digitale Medien in der Corona-Krise (Quelle: DESI 2020)

Möglichkeiten und Grenzen des Kontakts während der Kontaktbeschränkungen

Digitaler und analoger Schrift- und Videokontakt

Fünf Pat*innen geben in ihren Antworten an, dass sie analog über Briefe mit ihren Mentees Kontakt halten. Auch (Überraschungs-)Pakete werden von zwei Pat*innen versendet. Ein Pate beschreibt, dass das Projekt »active art home«, bei dem Ausmalbilder für Kinder bundesweit postalisch verschickt werden, großen Anklang gefunden hat.

Aber auch digital wird der (Schrift-)Kontakt zwischen Pat*innen und Mentees aufrechterhalten. Fünf Pat*innen bleiben über E-Mail in Kontakt mit ihren Mentees. Dies geschieht auch indirekt, wie im Falle einer Patin, deren Mentee ein Kind ist und deshalb mit der Mutter des Kindes per E-Mail kommuniziert. Eine weitere Patin berichtet, dass sie die Hausarbeiten ihres Mentees per E-Mail korrigiert und ein anderer Pate nimmt »Märchen- und Vorlesungen als Videobotschaft« für seine Mentees auf. Der Kontakt innerhalb der Patenschaften wird ebenfalls durch Smartphones, SMS und WhatsApp aufrechterhalten – auch, weil die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten der Mentees teilweise sehr beschränkt sind. Wobei auch ein Pate festhält, dass selbst wenn die technischen Möglichkeiten vorhanden sind, dies keine Garantie dafür sei, alle Mentees auch zu erreichen.

Momentan kein persönlicher Kontakt

Weiterhin geben sechs Pat*innen an, aufgrund der Umstände durch die Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen derzeit keinen persönlichen Kontakt zu Ihren Mentees pflegen zu können: »Ein großer Teil der Kommunikation bestand in direkten Gesprächen und fällt leider gerade aus.« »Wir warten auf bessere Zeiten«.

Kontakt ist konstant

Sieben Pat*innen geben in ihren Antworten jedoch auch an, dass der Kontakt trotz der Corona-Einschränkungen gleichgeblieben ist und innerhalb der Patenschaft genauso kommuniziert wird, wie vor der Krise. So führen zwei Pat*innen aus, dass der Kontakt auch zuvor schon über Telefon, E-Mail und WhatsApp gepflegt wurde und sich somit nichts gravierend geändert hat.

Kontakt mit Abstand

Fünf Pat*innen führen aus, dass sie sich weiterhin persönlich mit ihren Mentees treffen, jedoch mit Abstand: »Wir treffen uns regelmäßig, indem ich an den Balkon meines Patenkindes komme (er wohnt Hochparterre) und wir sprechen ein wenig, ich bringe ihm manchmal Kleinigkeiten wie Rätsel mit oder wir spielen Pantomime-Raten.«

Mehr Kontakt

Eine Patin gibt an, nun mehr Kontakt mit ihrem Mentee zu haben, als vor der Corona-Pandemie, da die Sprachbarriere zwischen Patin und Mentee nicht erlaubt, schwierige Themen über WhatsApp zu klären und es folglich persönlicher Treffen bedarf.

Soziale Distanzierung als Gebot der Stunde setzt Patenschaftsbeziehungen unter Druck

Wenngleich in der Corona-Krise soziale Ungleichheiten verstärkt werden können, betrifft eine Pandemie grundsätzlich alle Menschen. Dass diese kollektive (zumindest gefühlsmäßige) Betroffenheit, trotz sozialer Distanzierung, das Miteinander und den sozialen Zusammenhalt verstärken kann, liegt nahe und zeigt sich auch anhand der Antworten eines kleineren, aber dennoch beachtlichen Teils der Pat*innen. So stimmen drei von zehn Befragten der Aussage zu, dass sie sich in der Corona-Krise stärker mit ihrem Mentee verbunden fühlen. Innerhalb der Patenschaften findet in einigen Fällen aufgrund der Auswirkungen der Corona-Krise zudem eine bemerkenswerte Veränderung statt: Jede fünfte Patenschaft beruht nun stärker auf Gegenseitigkeit! Allerdings zeigen sich auch die Herausforderungen für die Patenschaft, da zwei Drittel der Befragten angeben, dass die Corona-Krise es schwerer macht, die Patenschaft mit Leben zu füllen und etwas mehr als ein Drittel findet, dass sie sich durch die Kontaktbeschränkungen von ihrem/ihrer Tandempartner*in entfernen (siehe auch Abbildung 3).

Abbildung 3: Qualität der Patenschaftsbeziehung in der Corona-Krise (Quelle: DESI 2020)
Abbildung 3: Qualität der Patenschaftsbeziehung in der Corona-Krise (Quelle: DESI 2020)

Herausforderungen und erfolgversprechende Bewältigungsstrategien

Die Einschätzung der Pat*innen zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf ihre Tandempartner*innen geben Hinweise darauf, welche Probleme sich aktuell verstärkt haben. Die Hälfte der Befragten sieht eine Zunahme von Schwierigkeiten vor allem bei mangelnder Bildungsteilhabe und den Zugängen zu Arbeit und Ausbildung. Dies ist ein einleuchtender Befund angesichts der vorübergehenden Schließung von Bildungs- und Ausbildungsstellen und der Tatsache, dass viele Geflüchtete in Bereichen (wie etwa der Gastronomie) arbeiten, die durch Covid-19 besonders von Kurzarbeit und Einschränkungen betroffen sind. Eine Verschärfung von Kontaktarmut (45 Prozent) und sprachlichen Verständigungsproblemen (29 Prozent) sind als unmittelbare Folgen der Kontaktbeschränkungen einzustufen. Bemerkenswert erscheint, dass rund die Hälfte der Befragten davon überzeugt ist, dass die Corona-Krise ihren Mentees nicht das Selbstvertrauen und die Zuversicht genommen haben (siehe auch Abbildung 4).

Abbildung 4: Auswirkungen der Corona-Krise auf die Tandempartnerin/den Tandempartner (Quelle: DESI 2020)
Abbildung 4: Auswirkungen der Corona-Krise auf die Tandempartnerin/den Tandempartner (Quelle: DESI 2020)

Neue Formen der Solidarität im Schatten der Pandemie

Die Hälfte der Befragten (51 Prozent) hat sich bereits vor der Corona-Krise, über ihr Engagement in der Patenschaft hinaus, engagiert. Die gegenwärtige Krise schafft zudem neue Anlässe und Gelegenheiten für Engagement. Zu erkennen ist dies daran, dass ein Viertel der Befragten angibt, ihr Engagement aufgrund der Corona-Krise ausgeweitet zu haben. Damit sind die Befragten aktiver Teil der bemerkenswerten Solidarität, die sich unter dem Eindruck der Corona-Krise formiert hat und als wichtige zivilgesellschaftliche Kraft an der Bewältigung der negativen Auswirkungen der Pandemie teilhat. Im Schatten der Pandemie und ihrer Bedrohung entstehen neue gelebte Praktiken der Solidarität mit den Mitmenschen. So etablieren sich Fürsorgepraktiken, wenn es beispielsweise im Engagement für Risikogruppen um die Minimierung von Infektionsrisiken (durch Botengänge, Einkaufshilfen) geht.

Die unter den hier Befragten am weitesten verbreiteten Engagementformen im Zeichen der Corona-Krise sind Botengänge und Einkäufe für eigene Nachbarn (29 Prozent) und Geldzuwendungen bzw. Spenden (22 Prozent). Über Einrichtungen und Organisationen vermittelte Nachbarschaftshilfe spielt mit 18 Prozent eine größere Rolle als telefonische und Online-Angebote mit jeweils zwölf Prozent. Sortierung und Verteilung von Lebensmitteln haben dagegen mit sechs Prozent nur eine marginale Bedeutung für engagierte Pat*innen.

Neues Engagement aufgrund der Corona-Krise

Das Engagement der Pat*innen, welches sich aufgrund der Corona-Krise auf weitere Bereiche ausgeweitet hat, ist so facettenreich wie die Wirkung der Krise selbst.

Eine Patin unterstützt Menschen, »deren psychische Gesundheit schon vor der Krise schwierig war, z. B. Drogen, Depression etc. und deren Lage sich durch die Krise noch verschärft hat.« Auch gibt eine Patin Schulunterricht, eine andere hilft »in Supermärkten beim Einräumen der Regale«, ein weiterer Pate engagiert sich für »Musik im Pflegeheim«. Drei Pat*innen berichten von Anrufen und Einkaufshilfen, der Arbeit im Gesundheitsamt und dem Engagement als »Corona-Helfer«. Vier Pat*innen geben an, sich nun auch durch das Nähen von Masken zu engagieren.

Durch dieses neue Engagement sind wiederum viele neue Kontakte entstanden, von denen sich die Befragten durchaus vorstellen können, dass daraus eine längerfristige Beziehung entsteht. Bei mehr als der Hälfte (55 Prozent) sind Kontakte zu anderen Engagierten entstanden; 41 Prozent haben neue Kontakte zu Nachbar*innen gewonnen oder zu Personen, denen sie spontan geholfen haben (37 Prozent). Jeweils ein Drittel gibt an, dass sich neue Kontakte zu anderen Initiativen und Netzwerken (32 Prozent) und zu Vertreter*innen sozialer Träger (33 Prozent) ergeben hätten. Die Corona-Krise wirkt demnach auch als Katalysator für zivilgesellschaftliches Engagement indem es innerhalb der Zivilgesellschaft trotz sozialer Distanzierung neue gemeinsame Bezugspunkte für solidarisches Handeln schafft.

Engagement der Mentees

Die Pat*innen wurden zudem auch nach dem Engagement ihrer Tandempartner*innen aufgrund der Corona-Krise gefragt. Ergebnis dessen ist, dass sich nicht nur viele Pat*innen aufgrund der Corona-Krise verstärkt engagieren, sondern auch einige Mentees. Bemerkenswert ist dies nicht nur aufgrund der weitreichenden Kontaktbeschränkungen, sondern auch aufgrund der – bereits beschriebenen – sich verstärkenden Probleme der Mentees. Immerhin jeder/jede sechste Befragte gibt an, dass sich ihr/ihre Tandempartner*in trotz der Krise engagiert. Dafür führen sie zahlreiche Beispiele an.

Zwei Pat*innen geben an, dass ihre Mentees der »helfenden deutschen Gesellschaft« etwas zurückgeben und – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – ebenfalls helfen möchten. Sieben Pat*innen berichten ebenfalls davon, dass ihre Mentees andere geflüchtete Menschen unterstützen, sei es durch Übersetzungstätigkeiten, Wissens- und Informationsweitergabe oder generelle Hilfe wie beispielsweise bei der Alltagsbewältigung. Weiterhin halten vier andere Pat*innen fest, dass ihre Mentees in »systemrelevanten Bereichen« arbeiten und sich in Form der Übernahme von Notbetreuungen in Kitas, Arbeit in einer Arztpraxis und im Lebensmittelbereich und Tätigkeiten in der Altenpflege während der Corona-Krise engagieren. Zusätzlich genannt werden von vier weiteren Pat*innen »politisch[es] Engagement«, »soziales Interesse«, »Kontakte und Kommunikation« sowie »Nachbarschaftshilfe« als Motive und Formen des Engagements ihrer Mentees.

Masken nähen

Eine der Formen, die das Engagement der Mentees während der Corona-Krise annimmt, ist das Nähen von Masken, sowohl für sich selbst als auch für andere. Eine Patin hält fest, dass sie und ihr Mentee gemeinsam Masken nähen.

»Ein Flüchtling ist Schneider und hat sich sofort zum Nähen von Masken gemeldet.«

Einkaufen für Andere

Das Engagement einiger Mentees, von denen die Pat*innen in ihren Antworten berichten, fokussiert sich auch auf das Einkaufen gehen für Menschen, die dies während der Corona-Krise aus gesundheitlichen Gründen nicht selbst können.

»Manche der Flüchtlinge, denen ich helfe, haben ein Auto. Sie haben sich bereit erklärt, für Menschen einzukaufen, die selbst zu Hause bleiben müssen und nicht einkaufen können.«

Die befragten Pat*innen sind mit der Unterstützung, die sie während der Corona-Krise durch ihre lokale Organisation erhalten, größtenteils zufrieden. Dies spiegelt sich auch in dem Befund wider, dass die Wünsche nach Unterstützung für das eigene Engagement während der Corona-Krise erstaunlich verhalten ausfallen. Die größte Zustimmung von jeweils einem Fünftel fanden die beiden allgemeiner formulierten Wünsche nach mehr Unterstützung im patenschaftlichen Engagement und mehr Anerkennung, Ermutigung und Zuspruch für das eigene Engagement (siehe Abbildung 5).

Abbildung 5: Unterstützungswünsche in der Corona-Krise (Quelle: DESI 2020)
Abbildung 5: Unterstützungswünsche in der Corona-Krise (Quelle: DESI 2020)

Patenschaften als Kern aktiver und vielfältiger Solidaritätsbezüge

Auch in Krisensituationen übernehmen Pat*innen aktiv Verantwortung für ihre Mitmenschen. Der Aussage, dass sich Engagierte in der Corona-Krise vor allem um sich selbst und ihre eigenen Familien kümmern sollten, stimmen nur drei von zehn Befragten (voll bzw. eher) zu. Die Reichweite der Solidarität erstreckt sich bei vielen Engagierten auch unter dem Eindruck der Corona-Krise wesentlich weiter: Jeweils etwa sieben von zehn Befragten sind der Meinung, Engagierte sollten sich um besonders gefährdete Menschen kümmern (71 Prozent) bzw. ihre Nachbar*innen unterstützen (67 Prozent). Gut zwei Drittel (68 Prozent) betonen, ihre Patenschaft sei ihnen gerade in der Corona-Krise besonders wichtig.

Die größte Zustimmung erhält die Aussage, dass zivilgesellschaftliche Organisationen in der Corona-Krise die Geflüchteten an den Außengrenzen (der Europäischen Union) nicht vergessen sollten. Annähernd neun von zehn Befragten (87 Prozent) ziehen die Grenze ihrer Solidarität also ganz bewusst nicht um den Kreis der eigenen engeren Bezugspersonen oder orientieren sich in Fragen der Solidarität an nationalstaatlichen Grenzen, sondern legen eine eher kosmopolitische Haltung an den Tag: Solidarität mit Geflüchteten ist auch während der Corona-Krise ein wichtiges Anliegen der befragten Pat*innen.

Zivilgesellschaftliches Engagement als Lebenselixier einer demokratischen Gesellschaft

Großes Selbstbewusstsein in Bezug auf den Stellenwert der Zivilgesellschaft in der Corona-Krise zeigen die befragten Pat*innen anhand der sehr hohen Zustimmung von 95 Prozent zu der Aussage, dass die Zivilgesellschaft von großer Bedeutung für die Bewältigung der Krise ist. Mit 94 Prozent ist die Zustimmung für die Aussage, dass das freiwillige Engagement eine wertvolle Leistung erbringt, die der Staat so nicht leisten kann, nur unwesentlich geringer. Eine gewisse Besorgnis zeigt sich darin, dass sechs von zehn befragte Pat*innen die Einschätzung teilen, dass durch die Corona-Krise Lücken im bereits bestehenden Ehrenamt entstehen.

Geteilter Meinung sind die Befragten bezüglich der Dauerhaftigkeit des durch die Corona-Krise hervorgerufenen Engagements und ob diese Krise zu mehr Egoismus und Konflikten in der Gesellschaft führt. Ebenso polarisiert ist die Meinung, inwieweit die Sichtbarkeit zivilgesellschaftlichen Engagements durch das staatliche Krisenmanagement verringert wird (siehe Abbildung 6).

Abbildung 6: Bedeutung der Zivilgesellschaft in der Corona-Krise (Quelle: DESI 2020)
Abbildung 6: Bedeutung der Zivilgesellschaft in der Corona-Krise (Quelle: DESI 2020)

Fazit und Ausblick

Die Ergebnisse der Befragung liefern eine wichtige Momentaufnahme und zeigen deutlich auf, in welch herausfordernder Situation sich die Patenschaften während der Corona-Krise befinden. Die massiven Maßnahmen des Krisenmanagements zur Eindämmung der Pandemie bedeuten für die meisten Patenschaftsbeziehungen einen spürbaren Einschnitt. Mit den verringerten Kontaktmöglichkeiten sinkt in vielen Fällen die Intensität, aber auch die Qualität der persönlichen Beziehung. Neben den erheblichen Herausforderungen birgt die Krisensituation auch Potenziale. Der Umgang mit Covid-19 durchzieht alle Bereiche des Lebens und schafft dabei Notlagen und Bedarfe, denen aus der Zivilgesellschaft – innerhalb und außerhalb der Patenschaften – mit neuem Engagement begegnet wird. Wie stark sich die Patenschaften seit Beginn der Corona-Krise gewandelt haben und wie sie sich im Laufe der andauernden Corona-Krise entwickeln und verändern werden, wird mit zukünftigen Befragungen weiterverfolgt.


Endnoten

[1] Der ausführliche Ergebnisbericht zur Online-Befragung steht auf den Seiten des DESI Instituts zum kostenlosen Download zur Verfügung: http://www.desi-sozialforschung-berlin.de/aktuelles/


Beitrag im Newsletter Nr. 13 vom 2.7.2020
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.

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Autor*innen

Dr. Frank Gesemann, Diplom-Politologe, Mitbegründer und Geschäftsführer des Instituts für Demokratische Entwicklung und Soziale Integration (DESI)

Leif Jannis Höfler, M.A. Europäische Ethnologie, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei DESI

Josepha Jendricke, B.A. Kulturanthropologie, studentische Mitarbeiterin bei DESI

Amrei Roeder, B.A. Kindheitspädagogik, studentische Mitarbeiterin bei DESI

Kontakt: info@desi-sozialforschung-berlin.de


Redaktion

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