Neue Formen der Solidarität im Schatten der Pandemie
Die Hälfte der Befragten (51 Prozent) hat sich bereits vor der Corona-Krise, über ihr Engagement in der Patenschaft hinaus, engagiert. Die gegenwärtige Krise schafft zudem neue Anlässe und Gelegenheiten für Engagement. Zu erkennen ist dies daran, dass ein Viertel der Befragten angibt, ihr Engagement aufgrund der Corona-Krise ausgeweitet zu haben. Damit sind die Befragten aktiver Teil der bemerkenswerten Solidarität, die sich unter dem Eindruck der Corona-Krise formiert hat und als wichtige zivilgesellschaftliche Kraft an der Bewältigung der negativen Auswirkungen der Pandemie teilhat. Im Schatten der Pandemie und ihrer Bedrohung entstehen neue gelebte Praktiken der Solidarität mit den Mitmenschen. So etablieren sich Fürsorgepraktiken, wenn es beispielsweise im Engagement für Risikogruppen um die Minimierung von Infektionsrisiken (durch Botengänge, Einkaufshilfen) geht.
Die unter den hier Befragten am weitesten verbreiteten Engagementformen im Zeichen der Corona-Krise sind Botengänge und Einkäufe für eigene Nachbarn (29 Prozent) und Geldzuwendungen bzw. Spenden (22 Prozent). Über Einrichtungen und Organisationen vermittelte Nachbarschaftshilfe spielt mit 18 Prozent eine größere Rolle als telefonische und Online-Angebote mit jeweils zwölf Prozent. Sortierung und Verteilung von Lebensmitteln haben dagegen mit sechs Prozent nur eine marginale Bedeutung für engagierte Pat*innen.
Neues Engagement aufgrund der Corona-Krise
Das Engagement der Pat*innen, welches sich aufgrund der Corona-Krise auf weitere Bereiche ausgeweitet hat, ist so facettenreich wie die Wirkung der Krise selbst.
Eine Patin unterstützt Menschen, »deren psychische Gesundheit schon vor der Krise schwierig war, z. B. Drogen, Depression etc. und deren Lage sich durch die Krise noch verschärft hat.« Auch gibt eine Patin Schulunterricht, eine andere hilft »in Supermärkten beim Einräumen der Regale«, ein weiterer Pate engagiert sich für »Musik im Pflegeheim«. Drei Pat*innen berichten von Anrufen und Einkaufshilfen, der Arbeit im Gesundheitsamt und dem Engagement als »Corona-Helfer«. Vier Pat*innen geben an, sich nun auch durch das Nähen von Masken zu engagieren.
Durch dieses neue Engagement sind wiederum viele neue Kontakte entstanden, von denen sich die Befragten durchaus vorstellen können, dass daraus eine längerfristige Beziehung entsteht. Bei mehr als der Hälfte (55 Prozent) sind Kontakte zu anderen Engagierten entstanden; 41 Prozent haben neue Kontakte zu Nachbar*innen gewonnen oder zu Personen, denen sie spontan geholfen haben (37 Prozent). Jeweils ein Drittel gibt an, dass sich neue Kontakte zu anderen Initiativen und Netzwerken (32 Prozent) und zu Vertreter*innen sozialer Träger (33 Prozent) ergeben hätten. Die Corona-Krise wirkt demnach auch als Katalysator für zivilgesellschaftliches Engagement indem es innerhalb der Zivilgesellschaft trotz sozialer Distanzierung neue gemeinsame Bezugspunkte für solidarisches Handeln schafft.
Engagement der Mentees
Die Pat*innen wurden zudem auch nach dem Engagement ihrer Tandempartner*innen aufgrund der Corona-Krise gefragt. Ergebnis dessen ist, dass sich nicht nur viele Pat*innen aufgrund der Corona-Krise verstärkt engagieren, sondern auch einige Mentees. Bemerkenswert ist dies nicht nur aufgrund der weitreichenden Kontaktbeschränkungen, sondern auch aufgrund der – bereits beschriebenen – sich verstärkenden Probleme der Mentees. Immerhin jeder/jede sechste Befragte gibt an, dass sich ihr/ihre Tandempartner*in trotz der Krise engagiert. Dafür führen sie zahlreiche Beispiele an.
Zwei Pat*innen geben an, dass ihre Mentees der »helfenden deutschen Gesellschaft« etwas zurückgeben und – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – ebenfalls helfen möchten. Sieben Pat*innen berichten ebenfalls davon, dass ihre Mentees andere geflüchtete Menschen unterstützen, sei es durch Übersetzungstätigkeiten, Wissens- und Informationsweitergabe oder generelle Hilfe wie beispielsweise bei der Alltagsbewältigung. Weiterhin halten vier andere Pat*innen fest, dass ihre Mentees in »systemrelevanten Bereichen« arbeiten und sich in Form der Übernahme von Notbetreuungen in Kitas, Arbeit in einer Arztpraxis und im Lebensmittelbereich und Tätigkeiten in der Altenpflege während der Corona-Krise engagieren. Zusätzlich genannt werden von vier weiteren Pat*innen »politisch[es] Engagement«, »soziales Interesse«, »Kontakte und Kommunikation« sowie »Nachbarschaftshilfe« als Motive und Formen des Engagements ihrer Mentees.
Masken nähen
Eine der Formen, die das Engagement der Mentees während der Corona-Krise annimmt, ist das Nähen von Masken, sowohl für sich selbst als auch für andere. Eine Patin hält fest, dass sie und ihr Mentee gemeinsam Masken nähen.
»Ein Flüchtling ist Schneider und hat sich sofort zum Nähen von Masken gemeldet.«
Einkaufen für Andere
Das Engagement einiger Mentees, von denen die Pat*innen in ihren Antworten berichten, fokussiert sich auch auf das Einkaufen gehen für Menschen, die dies während der Corona-Krise aus gesundheitlichen Gründen nicht selbst können.
»Manche der Flüchtlinge, denen ich helfe, haben ein Auto. Sie haben sich bereit erklärt, für Menschen einzukaufen, die selbst zu Hause bleiben müssen und nicht einkaufen können.«
Die befragten Pat*innen sind mit der Unterstützung, die sie während der Corona-Krise durch ihre lokale Organisation erhalten, größtenteils zufrieden. Dies spiegelt sich auch in dem Befund wider, dass die Wünsche nach Unterstützung für das eigene Engagement während der Corona-Krise erstaunlich verhalten ausfallen. Die größte Zustimmung von jeweils einem Fünftel fanden die beiden allgemeiner formulierten Wünsche nach mehr Unterstützung im patenschaftlichen Engagement und mehr Anerkennung, Ermutigung und Zuspruch für das eigene Engagement (siehe Abbildung 5).