Inhalt
Idee und Umfeld
Brücken bauen zu Eichstätter Akteuren
Der Startschuss für das »Obstwald«-Projekt
Weidentipi, Insektenhotel, Baumschilder und Sitzbänke
Brücken bauen sich nicht von selbst
Zukunftsvisionen für den Obstwald
Weitere Informationen zu fairEInt
Autorin
Redaktion
Idee und Umfeld
Das Nachhaltigkeitsnetzwerk »fairEInt – Initiative nachhaltige Region Eichstätt« gestaltete im Rahmen des Modellprojekts »Umsetzung der SDG als Chance und Herausforderung für Bürgerschaftliches Engagement« einen Bürger-Obstwald.
Die Idee unseres Projekts »Bürgerobstwald« entwickelte sich nach dem erfolgreichen Abschluss dreier größerer, von fairEInt organisierter Veranstaltungen rund um die Eichstätter Oberbürgermeisterwahlen vom März 2020. Unser Nachhaltigkeitsnetzwerk, das sich 2019 begründete und ein Zusammenschluss von rund 15 mitwirkenden Gruppierungen, Vereinen und Privatpersonen darstellt, die sich in den vielfältigsten Bereichen für eine nachhaltige Entwicklung (im Sinne der SDG’s) in der Region engagieren, hatte den gemeinsamen Wunsch formuliert, ein nachhaltiges und offenes Angebot für die BürgerInnen Eichstätts zu schaffen. Dieses sollte sowohl ökologische und zukunftsorientierte als auch kommunikativ-soziale Aspekte miteinander vereinen.
Nachdem uns die Corona-Pandemie im Jahr 2020 stark in unseren Aktivitäten ausbremste, richtete sich unsere Planung immer mehr auf einen Wirkungsort im Freien. Nach intensiver Auseinandersetzung mit Fragen des Klimawandels, nachhaltiger Bewirtschaftung von Flächen und zukunftsorientierten Bepflanzungen in Städten und städtischer Umgebung erhielt dann unser Projekt »Bürgerobstwald« im Herbst/Winter 2020 konkretere Konturen. Ziel ist es, so erarbeitete die Gruppe ihr Projekt, klimaresistente Obstbäume und Sträucher zu pflanzen und dabei den Fokus auf heimische Arten, ergänzt durch Sträucher und Wildobst, zu legen. Hier sind Pflaume, Zwetschge, Mirabelle, Birne, Quitte, Walnuss, Mispel, Elsbeere, Speierling, Vogelkirsche und Apfelbaum zu nennen, die insgesamt einen klimaresistenten »Bürgerobstwald« bilden können. Anders als bei einer Streuobstwiese soll der Boden des Obstwalds systematisch ausgemagert und langfristig die Voraussetzungen für die (Wieder-)Entwicklung der biologischen und kulturellen Vielfalt auf dem gesamten Terrain des »Obstwalds« geschaffen werden. In unserer langfristigen Perspektive wird also ein dicht gewachsener Wald entstehen, in den wir nur für die Anlage und den Bestand von kleinen Wegen zu unseren Lernorten eingreifen.
Zum anderen stand von Anfang auch der Wunsch im Vordergrund, für die BürgerInnen Eichstätts eine kleine innovative grüne Oase zu schaffen, in der man sich sowohl ausruhen und erholen als auch über spezifische zeitaktuelle Themen informieren kann: Klimawandel, zukunftsresistente Pflanzen, ökologische Themen wie Artenvielfalt u.v.a.m. Dazu planten wir Infotafeln, die die Aufmerksamkeit für die Fläche erhöhen und neugierig machen sollen. Die Beschilderung soll für die BürgerInnen Eichstätts und auch für die TouristInnen interessant sein und eine wichtige Bewusstseinsbildungsmaßnahme für nachhaltige Entwicklung darstellen.
Brücken bauen zu Eichstätter Akteuren
Inspiriert wurde fairEInt auch durch einen Besuch bei Agroforstexperte Matthias Maile im fränkischen Hausen/Greding, der selbst auf zwei etwa 3,5 Hektar großen Flächen Edellaub- und Obstbäume gepflanzt und mit langen Hecken kombiniert hat. Einen großen Anschub erhielten die Aktiven schließlich durch die Zusage des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE) aus Berlin, das das Eichstätter Netzwerk im Frühjahr 2021 als eines von bundesweit drei Nachhaltigkeitsinitiativen als Modellprojekt auswählte und für die Anlage des Obstwalds finanzielle Mittel bereitstellte. Das Projekt eines »Eichstätter Obstwalds« passte hervorragend zu der Ausschreibung des BBE-Wettbewerbs mit dem Titel »Es ist Zeit, Brücken zu bauen! Gemeinsam Umwelt und Gesellschaft gestalten«, denn die Idee zielt in erster Linie darauf ab, eine kleine innovative grüne Oase für alle Eichstätter und Eichstätterinnen, für Jung und Alt, zu schaffen, die mit Musik, Vorträgen, Garten- oder Pflanzaktionen, sei es in Form eines grünen Lernorts für Kindergärten oder eines ‚grünen Klassenzimmers‘ für die Eichstätter Schulen, gefüllt wird. Damit wollen wir dauerhaft (also ohne zeitliche Begrenzung) einen gemeinsamen identitätsstiftenden Treffpunkt für BürgerInnen schaffen, der sich zugleich vor allem auch zu einem offenen Lernort für Nachhaltigkeit entwickeln soll. Schulklassen, Gruppen (Pfadfinder, Ministranten, Kindergruppen, Kindergärten, Vereine, Senioren etc.) sollen die Möglichkeit haben und nutzen, diesen Ort der Begegnung zu besuchen und mit Leben zu füllen (Musik, Vorträge, Gartenaktionen, Nachhaltigkeitsthemen etc.). Zugleich ist jede/r Besucher/in eingeladen, sich mit unserem »Obstwald« auseinanderzusetzen, im Idealfall sogar daran mitzuarbeiten.
Der Startschuss für das »Obstwald«-Projekt
Grundvoraussetzung für die Realisierung unseres Projektes war natürlich eine Grünfläche, die sich für die Anlage eines Obstwaldes eignete. Nach der Aufnahme unseres Projekts als Modellprojekt beim BBE und der isinova im Frühjahr 2021 waren die fairEInt-Mitwirkenden mehrere Monate mit zahlreichen Gesprächs- und Besichtigungsterminen beschäftigt, bis sich die Koordinatoren des Netzwerks mit großer Unterstützung von unserem Oberbürgermeister Josef Grienberger und Andreas Spreng, Abteilungsleiter für zentrale Angelegenheiten der Stadtverwaltung Eichstätt, im September 2021 für eine städtische Fläche neben den Gebäuden des dort ansässigen Technischen Hilfswerks (THW) entschieden. Die vormals von einem Bauer bewirtschaftete Grünfläche ist von ihrer Lage zwar – aus der Perspektive unserer Kleinstadt gesehen - nicht »zentral« in direkter Innenstadtnähe, aber dennoch in 10 bis 15 Minuten vom Stadtzentrum zu Fuß erreichbar. Ihr spezifischer Reiz liegt in der direkten Nähe zum Fluss Altmühl, ihrer Ruhe und gewissen Abgeschiedenheit von großen Verkehrsadern, ihrer Ursprünglichkeit, ihrer bereits üppig vorhandenen Begrünung und der guten Erreichbarkeit zu Fuß, per Rad und per Auto.
Im November 2021 dann bot sich so manchem Passanten in der Industriestraße, Ort des Obstwalds, ein ungewöhnliches Bild: Dick vermummt, ausgestattet mit Spaten, Schubkarre, Holzpfosten und einem ganzen Anhänger voller Obsthochstämmen arbeitete ein rund 20-köpfiges Team an der ansonsten nahezu unberührten Wiese neben dem THW. Die große erste Pflanzaktion war der Startschuss für das Projekt »Eichstätter Obstwald«, zu dem die Mitwirkenden eingeladen hatten. Mit dabei war auch Expertin Anne Fröhlich, Kreisfachberaterin für Gartenkultur und Landschaftspflege und zugleich Koordinatorin für Nachhaltigkeit und Klimaschutz des Landratsamtes, die die ersten Anweisungen für die große Baumpflanzung und die Anordnung der Bäume gab. Mit großer Begeisterung gingen die fairEInt-VertreterInnen bei winterlichen Temperaturen an die Arbeit. Per Kleinbagger wurden Pflanzlöcher ausgegraben, aus Draht Mäuseschutzkörbe hergestellt und dann die breite Palette heimischer Obsthochstämme mit so wundersam klingenden Namen wie »Schafsnase«, »großfruchtige Hechlinger Walnuss«, »Aprimira« oder »Leskovac-Quitte« eingepflanzt. Diese hatten die fairEInt-Koordinatoren zuvor in einer örtlichen Baumschule ausgewählt. Auch eine zweite Pflanzaktion mit einer örtlichen Schule sowie dem Kinderschutzbund Eichstätt e.V. war im Dezember ein großer Erfolg. Derzeit freuen wir uns über 26 Obstbäume; die Patenschaft für jeweils einen Baum haben jede einzelne der bei fairEInt mitwirkenden Gruppen sowie bereits auch einige weitere Gruppen wie die Rotarier, der Kinderschutzbund, eine Schule und ein Kindergarten übernommen.
Weidentipi, Insektenhotel, Baumschilder und Sitzbänke
Nach den beiden Pflanzaktionen fokussierten sich die fairEInt-Engagierten auf die weitere Ausgestaltung des heranwachsenden Obstwalds. Ideen dazu gab uns in einem Workshop Florian Demling, Projektbearbeiter der Urban Gardening Demonstrationsgärten der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) aus Veitshöchheim, der für einen Obstwaldbesuch und einen Vortrag nach Eichstätt gewonnen wurde. Er berichtete von seinen Erfahrungen im städtischen Umfeld rund um das Thema »Essbare Stadt« und Urban Gardening und hielt spannende Tipps für unseren Obstwald bereit. Ein Weidentipi, Sitzgelegenheiten, die Beschilderung der Bäume und ein Insektenhotel rückten dann ab März 2022 in das Zentrum der Aktivitäten – und natürlich die Pflege der Wiese und der Bäume. Wie sollten die Sitzgelegenheiten für unsere »Grüne Oase für Klein und Groß« gestaltet werden? Diese Frage beschäftigte uns sehr intensiv. Mitten in der berühmten »steinreichen« Region des Juramarmors zuhause, richteten sich unsere Pläne bald auf die Ausgestaltung unseres Obstwalds mit klassischen, in unserer Region oft verwendeten Jurasteinquadern aus den umliegenden Steinbrüchen. Durch Vermittlung unseres Oberbürgermeisters mit dem Rotary Club Eichstätt-Altmühltal konnte ein Kontakt zu einem Rotary-Mitglied hergestellt werden, der uns aus einem Steinbruch acht Jurasteinquader sponsorte und die Schwergewichte von je knapp einer Tonne für vier geplante Sitzbänke auch anlieferte. Mit Unterstützung des THW und seines Radladers konnten die acht Quader in die mühevoll von uns vorbereiteten Löcher in einem Halbkreis angeordnet werden, wo nun ein attraktiver Lernort inmitten der Natur im »grünen Klassenzimmer« entstanden ist.
Auch für die Beschilderung und das Insektenhotel boten sich im Mai 2022 hervorragende Kooperationsmöglichkeiten. Die örtliche Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt bot im Rahmen von Projektseminaren für Bildung für Nachhaltige Entwicklung praktische Mitarbeitsmöglichkeiten für Studierende an. Je zwei Studentinnen nahmen sich hier der Beschilderung der Bäume, inklusive der Ausstattung der Baumschilder mit QR-Codes und vielfältigen Hintergrundinfos für jeden einzelnen Baum, sowie der Anfertigung eines wunderschönen Insektenhotels an. Nun beschäftigen uns derzeit noch die Sitzflächen unserer Jurasteinquader, die anzubringen mit einigem technischen Geschick verbunden sein wird.
Brücken bauen sich nicht von selbst
Viele Brücken wurden inzwischen im Rahmen des Modellprojekts gebaut – gezielt, spontan, unerwartet oder überraschend, aber immer fruchtbar und gegenseitig sich inspirierend. Wirkt einerseits unser Netzwerk fairEInt als Zusammenschluss von 15 Eichstätter Vereinen und Gruppen schon als »Brücke der SDG´s«, so wurden im Rahmen des Modellprojekts noch einmal überaus zahlreiche neue Brücken zu Akteuren in Eichstätt geschlagen – zu Kindertagesstätten, Kindergärten, Schulen und zum Kinderschutzbund, zu den Pfadfindern, dem Technischem Hilfswerk und den Rotariern bis hin zur Stadtverwaltung und zur Universität. Der Ball ist gewissermaßen »ins Rollen gekommen« – eine schöne Erfahrung für uns als Netzwerk-Engagierte, die viel Zeit, Mühen, Geduld, bisweilen auch mal Frust, wenn etwas nicht vorangehen will, in das Projekt stecken. Denn natürlich ist ein Projekt wie unser »Obstwald« kein Selbstläufer, sondern erfordert immer wieder Reflexion, Flexibilität und vor allem regelmäßige »Manpower«, die eben nicht ständig auf Abruf zur Verfügung steht. Doch die positiven Eindrücke und die Freude an dem Neugeschaffenen, lebendig Grünen und Wachsenden überwiegt und macht Lust auf jeden neuen Besuch unseres Obstwalds.
Eine erste Möglichkeit des Kennenlernens des »Eichstätter Obstwalds« wird es am 2. Oktober 2022 zur »Langen Nacht der Demokratie« geben, wenn der Obstwald in zwei Führungen der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Und ein großes Herbst- und Einweihungsfest wird am 8. Oktober 2022 folgen. Zu diesem Fest sollen möglichst alle Kooperationspartner, aber auch VertreterInnen von Kindergärten, Schule und Gruppierungen, die bisher noch nicht mitgewirkt haben, eingeladen. Diese sind dann zugleich auch zu einer neuen Baumpflanzung aufgerufen – mit einem eigenen Baumpatenschild.
Zukunftsvisionen für den Obstwald
Langfristig soll der »Eichstätter Obstwald« natürlich Schritt für Schritt aus den Händen der fairEInt-Mitwirkenden an die Öffentlichkeit übergeben werden. Die fairEint-Engagierten wünschen sich, dass die Grüne Oase, das grüne Klassenzimmer und der Zukunftswald in absehbarer Zeit ganz selbstständig und selbstverständlich von Eichstätter Akteuren und von den Bürgerinnen und Bürgern genutzt wird. Für diese Nutzung wollen die fairEInt-Mitwirkenden in den nächsten Monaten eine Art Online-Buchungsplattform entwickeln, damit es nicht zu Überschneidungen beim Besuch des Obstwalds oder auch Missbrauch der Fläche kommt. Auch ein Bildungskonzept mit Materialien soll erarbeitet werden, das Lehrerinnen und Lehrern oder Gruppenleitern im Rahmen eines eintägigen Workshops an die Hand gegeben wird. Auf lange Sicht hoffen die Verantwortlichen auch, dass die wachsende grüne Oase als schöner Ort für die Mittagspause der in den vielfältigen Betrieben und Unternehmen im Industriegebiet Beschäftigten angenommen wird. Und in absehbarer Zeit wird es dann hoffentlich bald auch die Einladung zum »Obst-Mundraub« an alle BürgerInnen geben
Weitere Informationen zu fairEInt
Das Nachhaltigkeitsnetzwerk »fairEInt – Initiative nachhaltige Region Eichstätt« besteht offiziell seit April 2019 und engagiert sich für eine lokal und global nachhaltige Entwicklung. Mitwirkende sind neben Privatpersonen Eichstätt summt!, die Kreisgruppe des LBV, die Fairtrade-Stadt, der Welt-Brücke Eichstätt e.V., Foodsharing, der Kapuzinergarten, die Kolpingsfamilie Eichstätt e.V., die Nachhaltige Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU), KU.impact/Mensch in Bewegung, das Umweltreferat der KU, die Hochschulgruppe Amnesty International, die Unverpackt eG, der Arbeitskreis Shalom, der Kreisverband Eichstätt des Bayerischen Roten Kreuzes und der Spielraum Wald und Wiese e.V. Ziel ist es, die vielfältigen Nachhaltigkeits-Akteure aus der Region Eichstätt zusammenzuführen und gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern eine nachhaltige und zukunftsorientierte Stadt und Region mitzugestalten.
Derzeitige Koordinatorinnen von fairEint sind Dr. Dagmar Kusche und Silke Beck.
Website
Übersicht der Mitwirkenden
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Instagram: @faireint
Beitrag im Newsletter Nr. 15 vom 28.7.2022
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.
Autorin
Dr. Dagmar Kusche, Diplom-Journalistin, engagiert sich derzeitig als ehrenamtliche Koordinatorin des Nachhaltigkeitsnetzwerks »fairEInt – Initiative nachhaltige Region Eichstätt« und ist darüber hinaus ehrenamtlich als Vorstandsmitglied des Welt-Brücke Eichstätt e.V. und Vorsitzende der Steuerungsgruppe Fairtrade-Stadt Eichstätt tätig
Kontakt: info@faireint-eichstaett.de
Redaktion
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