Inhalt
Eine neue Studie
Zivilgesellschaft und Geldwäsche
Das Interesse der Zivilgesellschaft
Die Mitwirkungspflicht der Zivilgesellschaft
Geldwäsche und Terrorismus
Fazit
Autor
Redaktion
Eine neue Studie
Vor einigen Tagen hat TI (Transparency International Deutschland) eine Studie unter dem Titel ›Geldwäschebekämpfung in Deutschland - Probleme, Lösungsvorschläge und Beispielfälle‹ vorgestellt (Trautvetter 2021). Diese vermag leider nicht zu widerlegen, was in Medienberichten schon des Öfteren zu hören oder zu lesen war: Hierzulande ist Geldwäsche leichter als in anderen Ländern; 100 Milliarden Euro werden angeblich jedes Jahr in Deutschland »gewaschen« (Trautvetter 2021, 2). Kriminelle, die solches planen, wissen das natürlich und handeln entsprechend. Insbesondere Kunstwerke und Immobilien werden erworben, um unrechtmäßig erworbenes Geld unter Vermeidung von Steuerzahlungen in Sachwerten anzulegen und die Umstände des Erwerbs zu verschleiern. Das Geld stammt, so ist der Studie zu entnehmen, überwiegend aus dem Handel mit Drogen. Der organisierte internationale Kampf gegen die Geldwäsche wurzelt denn auch in den Bemühungen der USA, gegen den illegalen Kokainhandel und die darin involvierten karibischen Briefkastenfirmen vorzugehen. 1989 wurde dafür die intergouvernementale Arbeitsgruppe FATF (Financial Action Task Force) gegründet. Zur Zeit hat ein Deutscher dort den Vorsitz.
Nun mag man über die Frage, ob es vernünftig oder angemessen ist, die meisten Drogen in Herstellung, Vertrieb und Konsum vollständig oder fast vollständig in die Illegalität zu verbannen, gewiss streiten. Darauf kommt es aber in der Debatte über Geldwäsche nicht an. Jedem, dem die Herrschaft des Rechts als wichtiges Prinzip einer Gesellschaftsordnung erscheint, muss daran gelegen sein, dass ordnungsgemäß zustande gekommenes Recht gewahrt, verteidigt und durchgesetzt – und, von extremen Ausnahmen abgesehen, nicht durch Rechtsbruch, sondern, wo notwendig, durch politische Aktion kritisiert wird. Die Zivilgesellschaft kann insoweit nicht dulden, dass kriminelle Personen, Familien, Clans oder Banden versuchen, auf diese Weise ihre Gewinne abzusichern, zumal Schutzgelderpressung und weitere Straftaten regelmäßig damit verbunden sind. Schon gar nicht kann sie sich zur Handlangerin solcher Praktiken machen. Wenn die Zivilgesellschaft von ihrem Recht Gebrauch macht, Missstände öffentlich zu machen, darf und kann sie diesen nicht aussparen, allerdings auch nicht die in der Studie herausgestellte Tatsache, dass deutsche Behörden in der Verfolgung von Geldwäsche nur mäßig erfolgreich zu sein scheinen.
Zivilgesellschaft und Geldwäsche
Damit allerdings endet der Bezug der Zivilgesellschaft zur Geldwäsche nicht. Ein weiterer wird zunächst von außen hergestellt. In der internationalen Fachdiskussion ist Geldwäsche Teil des Fragenkomplexes Steuerhinterziehung / Geldwäsche / Terrorismusfinanzierung, englisch und in der internationalen Fachsprache AMLCFT (anti money laundering, counter financing of terrorism). FATF erarbeitet hierzu verbindliche Empfehlungen (recommendations) und setzt diese unter anderem mithilfe von periodischen Visitationen in einzelnen Ländern durch. Eine solche Visitation steht Deutschland nach 2010 und nach mehrmaliger corona-bedingter Verschiebung im Herbst 2021 wieder bevor. Wie üblich richtet sich das Augenmerk der Visitatoren dabei auch auf die Zivilgesellschaft, vor allem dort, wo sie international agiert. Ihr werden (in Empfehlung Nr. 8) eine gewisse Anfälligkeit für eine Unterwanderung und in Einzelfällen sogar bewusst missbräuchliche Aktivitäten attestiert. In die Vorbereitung der Visitation ist daher die Zivilgesellschaft, nicht zuletzt im Lichte von Erfahrungen anderer Länder, einbezogen. Die zuständigen Staatsbehörden, vor allem das BMI (Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und das BMF (Bundesministerium der Finanzen), pflegen hierzu einen relativ intensiven Dialog mit einigen mit dieser Thematik befassten zivilgesellschaftlichen Akteuren, die in einer Arbeitsgruppe unter Federführung von VENRO (Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen) zusammenarbeiten. Zu dieser Arbeitsgruppe gehört u.a. die Maecenata Stiftung, deren Interesse einerseits aus ihrem Auftrag als Think Tank für die Zivilgesellschaft mit internationaler Ausrichtung herrührt, andererseits aber auch aus ihrer Mitgliedschaft im Transnational Giving Europe Netzwerk, das Spenderinnen und Spender bei Spenden ins Ausland unterstützt.
Natürlich steht die Zivilgesellschaft bei FATF und überhaupt bei der Diskussion dieser Problematik nicht im Mittelpunkt des Interesses. Dieses richtet sich vielmehr – so auch in der TI-Studie – in erster Linie auf den Finanzdienstleistungssektor, und besonders die Banken reagieren auch darauf. Beispielsweise beschäftigt die Deutsche Bank heute rund 2.000 Mitarbeitende mit der Bekämpfung von Geldwäsche. Die Bankenverbände unterhalten inzwischen eigene Fachabteilungen mit Spezialisten, die den Mitgliedern Beratung und Hilfe anbieten. Keine Bank kann es sich noch leisten, sich vorsätzlich oder fahrlässig an Geldwäsche zu beteiligen. Trotzdem besteht, so die Autoren der TI-Studie, die Befürchtung, Deutschland könnte die FATF-Prüfung nicht bestehen, zumal besonders im Finanzdienstleistungssektor nach wie vor schwarze Schafe zu finden sind. Nicht zuletzt angesichts seines wachsenden Gewichts im internationalen Konzert der Nationalstaaten, aber auch wegen seines Rufs als demokratischer Rechtsstaat wäre es aber für ein Land wie Deutschland höchst misslich, wenn es mit Ländern wie den Cayman Islands auf eine Stufe gestellt werden würde, von den Konsequenzen für die exportabhängige Wirtschaft ganz zu schweigen.
Das Interesse der Zivilgesellschaft
Auch der bürgerschaftliche Raum muss ein hohes Interesse daran haben, nicht in den Ruf zu geraten, mit Geldwäschern gemeinsame Sache zu machen. Der niederländische Stiftungsverband kommentiert das wie folgt: »The hunt is out for money-launderers and terrorists. Who knows, they might be hiding behind the façade of philanthropy. We, the philanthropic sector, take these concerns seriously. Nobody wants misuse of a sector driven by idealism and public interests. Therefore, we advocate for self-regulation and transparency. It is in the own interest of charitable organisations and foundations to show the public that they are legitimate.« (Wijsenbeek 2021)
In der Tat: Wenn die Zivilgesellschaft ihren guten Ruf bewahren und das überdurchschnittliche Vertrauen, das in ihre Akteure gesetzt wird, rechtfertigen will, kann sie hier nicht untätig bleiben. Bisher sind nur sehr wenige, aber eben doch einige Fälle bekannt geworden, in denen tatsächlich versucht wurde, über Spenden und Fördermaßnahmen, besonders solche über Grenzen, Geld zu waschen oder auf andere Weise Akteure der Zivilgesellschaft für Geldwäsche in Anspruch zu nehmen. Ein Generalverdacht wäre ziemlich absurd. Aber das heißt nicht, dass er nicht schon erhoben worden wäre. Zu den vielen anderen pauschalen Vorwürfen, die sich zivilgesellschaftliche Akteure anhören müssen, ist dieser hinzugetreten. Er führt nicht nur dazu, dass das über Jahrzehnte – man sollte fast sagen, über Jahrhunderte – erworbene Vertrauen in bürgerschaftliches Engagement ausgehöhlt wird. Er mündet auch in immer mehr staatliche Kontrollen und einer immer rigorosere Beaufsichtigung. Anders ausgedrückt: Der Vorwurf dient dazu, Bedrängungen des bürgerschaftlichen Raums zu rechtfertigen und ist damit Teil des großen und hochaktuellen Problemfeldes des shrinking oder contested civic space. Wenn und wo sich die Zivilgesellschaft dagegen zur Wehr setzen will, muss sie auch dem Geldwäsche-Thema ein Augenmerk widmen.
Die Mitwirkungspflicht der Zivilgesellschaft
Zum Teil ist der Druck der Zivilgesellschaft und ihren Verbänden selbst zuzuschreiben. Weil wir, wie auch die Autoren der TI-Studie betonen, über die Zivilgesellschaft zu wenig wissen – zum Teil wird immer noch mit 30 Jahre alten Daten operiert, manche Fragen lassen sich überhaupt nicht beantworten –, konnte sie insgesamt zu einem Geldwäsche-Beobachtungsfeld werden. Weil sich zivilgesellschaftliche Akteure nicht mit dem Grundsatz anfreunden konnten, dass, wer in einer offenen Gesellschaft behauptet, für die Allgemeinheit Gutes zu tun, dieser Allgemeinheit auch sagen muss, was er/sie tut und woher die Mittel dafür kommen (vgl. Strachwitz 2015), müssen sie sich nun hoheitlichem Zwang beugen. Weil man sich über Jahrzehnte jeder wirksamen Selbstregulierung verschlossen hat, hat nun der Staat alle Hebel in der Hand, um Transparenz zu erzwingen. Ein Beispiel dafür sind die Geldwäsche-Richtlinien der EU (aktuell zur Zeit die 6.), die in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Zur Umsetzung gehörte die Einrichtung des Transparenzregisters, das in der Fachliteratur als »Bürokratie-Monster« (vgl. Schwalm 2020) beschrieben wird. Es sind bereits Fälle bekannt geworden, in denen das Bundesverwaltungsamt Bußgelder von bis zu 100.000 Euro verhängt hat, wenn Organisationen es versäumt hatten, sich dort einzutragen. Jede Organisation wäre verpflichtet, ihre Funktionsträger in Regress zu nehmen, wenn sie hiervon betroffen wäre. Inzwischen sind mehrere weitere Register in Vorbereitung oder schon beschlossen, so das Lobby-Register, das Gemeinnützigkeitsregister und das Stiftungsregister – leider unkoordiniert und dadurch für die Organisationen mit unnötigem Aufwand verbunden. Auch haben die Kontrollmanie des Staates und politischer Aktionismus allzu sehr die Oberhand über das sachlich Vernünftige und Gebotene gewonnen.
Geldwäsche und Terrorismus
Dies gilt vor allem, weil in der internationalen Debatte der Staaten die Geldwäsche auch gleich noch mit der Bekämpfung von Terrorismus verknüpft worden ist. Diese ist aus zivilgesellschaftlicher Perspektive ein sehr viel heikleres Problem, indem mangels akzeptabler Arbeitsdefinition so ziemlich alles, was politisch gerade nicht in den Kram passt, als Terrorismus diffamiert werden kann. Nicht selten werden zivilgesellschaftliche Akteure pauschal als Terroristen diffamiert (vgl. Strachwitz 2021).
Donald Trump und viele andere haben von dieser Möglichkeit ausgiebig Gebrauch gemacht. Hierzu werden dementsprechend zivilgesellschaftliche Akteure in manchen Fällen legitimerweise eine andere Position einnehmen als die jeweiligen Regierungen. Amerikanische Organisationen haben dies augenfällig getan. Geldwäsche hingegen lässt sich, wie die Studie zeigt, präzise und »eindrucksvoll« eingrenzen.
Es erscheint notwendig, in der Analyse und Bewertung Geldwäsche von Terrorismusbekämpfung – und übrigens auch von Steuerhinterziehung – zu trennen. Dies tut die von TI vorgelegte Studie sorgfältig. Die dargestellten Beispiele belegen zudem eindrücklich, welchen Umfang Geldwäsche in einem angeblich wohlgeordneten Gemeinwesen wie dem deutschen erreicht hat. Mit der Zivilgesellschaft beschäftigt sich die Studie nicht. Diese sei, so die Herausgeber bei der Vorstellung, durchaus »mitbetroffen«, zugleich aber »problematisch«, weil man darüber nichts Greifbares erfahren könne. Sicher sei aber, dass sie für Geldwäsche missbraucht werde.
Dies bedeutet, dass die Zivilgesellschaft jeder Polemik wehrlos ausgesetzt ist. »Zivilgesellschaft ist nicht immer gut. Ähnlich wie in den Arenen des Staates und des Marktes tummeln sich in der Zivilgesellschaft höchst unterschiedliche Akteure. Insofern würde mit zweierlei Maß gemessen, wenn von den Akteuren der Zivilgesellschaft eine höhere moralische Qualität verlangt werden würde.« (Strachwitz 2018, 6). Tatsache ist allerdings, dass das Umfeld, in dem ihre Akteure sich bewegen, genau das tut. Jede kleine Verfehlung wird schnell zur Grundlage von Vorurteilen gemacht; schnell steht die ganze Zivilgesellschaft für etwas am Pranger, was einige wenige Akteure tatsächlich oder vielleicht sogar nur angeblich getan haben.
Fazit
Es erscheint daher unabdingbar, dass mit der Verweigerung von Transparenz endlich Schluss gemacht wird. Es geht hier eben gerade nicht um die – sehr wohl – schützenswerte Privatsphäre von Spenderinnen und Spendern, auch nur in ganz seltenen Ausnahmefällen um die Notwendigkeit des Wirkens »im Stillen«, sondern um den Schutz der ganzen zivilgesellschaftlichen Arena vor den wenigen schwarzen Schafen und vor darauf aufbauenden pauschalen Vorhaltungen. Es geht darum, dem Vorwurf der Intransparenz und schließlich auch dem Mangel an empirischem Wissen endlich den Garaus zu machen. Ihre Position als mitgestaltende Kraft im öffentlichen Raum kann die Zivilgesellschaft nur nutzen, wenn sie sich nicht ständig mit Vorwürfen wegen eigener Defizite herumschlagen muss. Sie kann beklagen, dass die Öffentlichkeit mit ihr unerbittlicher verfährt als mit anderen Akteuren; reagieren muss sie trotzdem. Und schließlich: Sie hat schmerzhaft erfahren, dass der Staat mit seinen schier unerschöpflichen Ressourcen ebenso wenig Interesse an Forschung und Grundlagenarbeit zur Zivilgesellschaft wie an deren Einbindung in die Gestaltung unserer Politik hat. Bund und Länder begnügen sich mit kleinen finanziellen Trostpflastern, Knebelverträgen mit billiger erscheinenden Anbietern, Sonntagsreden und intensivieren unter dem Vorwand des Geldwäscheverdachts im Übrigen die Beaufsichtigung. Der Kampf dagegen ist nicht zum Null-Tarif zu haben. Er wird, ebenso wie der Kampf gegen den Vorwurf der Geldwäsche, nur zu gewinnen sein, wenn intensive Anstrengungen unternommen werden, den Vorwurf zu widerlegen und den Kampf zu führen.
Literatur
Schwalm, Julian (2020): Das Transparenzregister im stiftungsrechtlichen Kontext; in: ZStV 2/2020, S. 52-62.
Strachwitz, Rupert Graf (2021): Was ist eigentlich Terrorismus? Berlin: Maecenata (Observatorium Nr. 54)
Strachwitz, Rupert Graf (2018): Zivilgesellschaft – immer gut? Berlin: Maecenata (Observatorium Nr. 23).
Strachwitz, Rupert Graf (2015): Transparente Zivilgesellschaft? Schwalbach: Wochenschau.
Trautvetter, Christian (2021): Geldwäschebekämpfung in Deutschland – Probleme, Lösungsvorschläge und Beispielfälle. Berlin: Transparency International Deutschland.
Wijsenbeek, Siep, Association of Foundations in the Netherlands (FIN)(2021): Philanthropy in the Netherlands, Trouble in Paradise? In: DAFNE (ed.): PEX News, Issue 17, 19 July 2021. https://dafne-online.eu/pex/pexnews/
Beitrag im Newsletter Nr. 16 vom 12.8.2021
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.
Autor
Dr. Rupert Graf Strachwitz ist Vorstand der Maecenata Stiftung München und Direktor des Maecenata Instituts für Philanthropie und Zivilgesellschaft, Berlin.
Kontakt: rs@maecenata.eu
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