Beitrag im Newsletter Nr. 19 vom 23.9.2021

Prostitution – Sexkaufverbot

Dr. Maria Flachsbarth

Inhalt

Internationaler Tag gegen Prostitution und Menschenhandel
»Sexkauf – eine Dienstleistung wie jede andere?«
Autorin
Redaktion

Internationaler Tag gegen Prostitution und Menschenhandel

Zum Internationalen Tag gegen Prostitution und Menschenhandel am 5. Oktober bekräftigt der Katholische Deutsche Frauenbund e.V. (KDFB) seine Position zum Sexkaufverbot. Der Verband lehnt eine Praxis ab, in der größtenteils Männer das System »Prostitution« als Freier durch den Kauf von Sexleistungen betreiben oder von ihm als Zuhälter und Bordellbetreiber finanziell in erheblichem Maß profitieren. Die Bezahlung des sexuellen Zuganges zum Körper einer anderen Person kann eine Form sexueller Gewalt darstellen. Erzwungene Prostitution, in der Frauen und auch Männer benutzt, ausgebeutet und ihrer Würde beraubt werden, widerspricht dem Narrativ »selbstbestimmter Sexarbeiter*innen«. Die meisten von ihnen arbeiten unfreiwillig und unter Zwang. Die Vorspiegelung falscher Arbeitsangebote, z.B. im Haushalt oder in der Gastronomie, finanzielle Not oder Abhängigkeit von Drogen lassen sie in ein System geraten, in dem sie Gewalt und Unterdrückung erleiden und ihrer Menschenrechte beraubt werden. Dies gilt im besonderen Maße für Frauen ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland sowie Frauen, die die deutsche Sprache nicht sprechen. Es stellt sich die Frage, ob »Sexkauf« eine Dienstleistung wie andere ist. KDFB-Präsidentin Dr. Maria Flachsbarth hat sich dazu mit einem Gastkommentar in der Herder Korrespondenz März 2021 geäußert:

»Sexkauf – eine Dienstleistung wie jede andere?«

Das Thema »Prostitution« wird in Deutschland seit langem kontrovers diskutiert. Aus meiner Sicht ist die dabei zentrale Frage: Ist Prostitution überwiegend selbstbestimmt und freiwillig oder handelt es sich um Gewalt gegen Frauen (und einige Männer, die sich ebenfalls prostituieren), weil sie unfreiwillig und unter Zwang geschieht? Und: ist es in Folge legitim, Sex zu kaufen oder muss dies verboten werden?

Das Geschäft mit der »Ware Frau« läuft derzeit bestens, denn Deutschland gilt mit seiner liberalen Gesetzgebung als Billigland in Sachen »Sexkauf« und wird sogar als »Bordell Europas« bezeichnet. Aspekte wie Menschenhandel, Zwangsprostitution, Missachtung der Frauenrechte und Würde sind bei Kunden meist nicht im Blick. Ihnen geht es um Spaß und Befriedigung, um das potente »Mann-Sein«.

Die Würde der Frau ist prinzipiell unverkäuflich – weil unantastbar, wie im Grundgesetz eindeutig festgeschrieben. Erzwungene Nähe und Intimität, sexuelle Dienstleistungen sind eine Herabwürdigung der Frau und degradieren sie zu einem gekauften Sexobjekt, das nur einen Sinn hat: die Erfüllung teilweise entwürdigender Sexpraktiken. Frauen werden Tag für Tag gegen Geld vergewaltigt. Ist es vor diesem Hintergrund legitim, Sex zu kaufen? Ich meine ganz klar: NEIN.

Es gibt unbestritten Sexarbeiter*innen, allerdings eine Minderheit, die selbstbewusst und freiwillig entscheiden, sexuelle Dienstleistungen im hohen Preissegment anzubieten, sei es in noblen Clubs, Privatwohnungen, in großen Bordellen oder auch auf der Straße. Lebens- und Arbeitsbedingungen dieser wenigen Personen sind nicht repräsentativ für die große Mehrheit der Prostituierten, die vorrangig aus Osteuropa stammen und unter Vorspiegelung falscher Arbeitsangebote nach Deutschland gelockt wurden. Sie sind in ein System der Gewalt, Unterdrückung und der sexuellen sowie finanziellen Ausbeutung geraten, sind Opfer von Missbrauch, Erniedrigung, körperlicher und psychischer Gewalt. Da sie der deutschen Sprache nicht mächtig sind und häufig keinen Aufenthaltstitel haben, nicht wissen, in welcher Stadt sie sich befinden und keine vertrauenswürdigen Kontakte außerhalb der »Szene« haben, können sie sich nicht wehren.

Als katholischer Frauenverband lehnt der KDFB eine Praxis ab, in der größtenteils Männer als Freier, Zuhälter und Bordellbetreiber unter Ausnutzung der Notsituation von Frauen ihre Lust befriedigen oder sich finanziell in erheblichem Maß bereichern. In den letzten Jahren haben wir uns mehrfach zu gesetzlichen Nachbesserungen zum Thema »Prostitution« geäußert und uns in die politische Debatte rund um das 2017 in Kraft getretene Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) eingebracht. Wir sahen vor allem in der Verpflichtung zu regelmäßig stattfindenden Gesundheitsuntersuchungen die Chance, dass Sexarbeiterinnen mehr über ihre Rechte und die Möglichkeit des Ausstiegs erfahren. Doch leider hat das Gesetz nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung der Lebensumstände von Prostituierten geführt; der Zwischenbericht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum ProstSchG vom Mai 2020 macht dies deutlich. Der Versuch, die in der Sexarbeit tätigen Menschen zu schützen und abzusichern, wird vermutlich wieder scheitern.

Der KDFB hat deshalb erneut intensiv beraten und seine bisherige Position geändert. Wir fordern die Bundesregierung nunmehr auf, auf Grundlage des »Nordischen Modells« aktiv zu werden, das ein Sexkaufverbot und Bestrafung von Freiern vorsieht, wie es in anderen europäischen Staaten bereits realisiert ist. Wir fordern, Prostituierte gänzlich zu entkriminalisieren und zu entstigmatisieren. Für die eigene Ausbeutung dürfen sie keiner Strafe unterworfen werden. Vielmehr brauchen die traumatisierten Frauen Ausstiegsprogramme und Hilfen zur physischen und psychischen Rehabilitation. Die Arbeit von Organisationen, die von Zwangsprostitution und Gewalt betroffene Frauen beraten und betreuen, muss langfristig sichergestellt und ausgebaut werden, um Frauen Wege aus der Alternativ- und Perspektivlosigkeit aufzuzeigen.

Die Einführung des Sexkaufverbots führte 1999 in Schweden zu einer grundlegenden Änderung der politischen Debatte und einem Bewusstseinswandel der Bevölkerung zum Kauf von sexuellen Dienstleistungen. Die Straßenprostitution verringerte sich signifikant, die Nachfrage nach immer mehr und immer jüngeren Prostituierten brach zusammen. Diesen Weg wünsche ich mir – mit Blick auf die unveräußerliche Würde der Frau – auch in Deutschland.

Zur KDFB-Stellungnahme »Neupositionierung Prostitution – Sexkaufverbot«


Beitrag im Newsletter Nr. 19 vom 23.9.2021
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Dr. Maria Flachsbarth, Parlamentarische Staatssekretärin (PStS), ist Präsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbund – Bundesverband (KDFB).

Kontakt: bundesverband@frauenbund.de


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