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Die aktuelle Debatte über Zivilgesellschaft
Wo bleiben die Amateure im Kulturbereich?
Studie des Musikinformationszentrums (MIZ)
Die aktuelle Debatte über Zivilgesellschaft
Zurzeit läuft in der Bundesrepublik eine intensive Diskussion über den Stellenwert der Zivilgesellschaft: darüber, was die Zivilgesellschaft ist, welche Leistungen sie vollbringt oder auch in Zukunft vollbringen müsste; darüber, welchen Gefahren sie ausgesetzt ist in krisenhaften Situationen wie der Corona Krise oder auch dem Krieg in der Ukraine. Und natürlich auch darüber, welche Unterstützungsnotwendigkeiten für Zivilgesellschaft sich abzeichnen, was ja sogar schon zur Errichtung einer Bundesstiftung zur Unterstützung von Engagement und Ehrenamt geführt hat.
Aktuell wurde die Debatte noch einmal befeuert durch die Überlegungen von Bundesinnenministerin Faeser, mit denen sie eine stärkere gesellschaftliche und öffentliche Anerkennung der Freiwilligen Arbeit bis hin zu einem früheren Renteneintritt für Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr in die Diskussion gebracht hat.
Im Januar dieses Jahres ist eine breitangelegte Untersuchung des renommierten Maecenata Instituts von Hummel, Pfirter und Strachwitz erschienen, die einen Überblick über die Zivilgesellschaft in Deutschland liefert: »Zur Lage und den Rahmenbedingungen der Zivilgesellschaft in Deutschland: ein Bericht.«
Die Frage, was ist Zivilgesellschaft, beantwortet das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf seiner Homepage wie folgt: »der Begriff [umschreibt] einen Bereich innerhalb der Gesellschaft, der zwischen dem staatlichen, dem wirtschaftlichen und dem privaten Sektor angesiedelt ist. Die Zivilgesellschaft umfasst die Gesamtheit des Engagements der Bürger eines Landes – zum Beispiel in Vereinen, Verbänden und vielfältigen Formen von Initiativen und sozialen Bewegungen. Dazu gehören alle Aktivitäten, die nicht profitorientiert und nicht abhängig von parteipolitischen Interessen sind.«
Wo bleiben die Amateure im Kulturbereich?
Die aktuelle Diskussion über die Zivilgesellschaft ist wichtig, denn sie setzt sich wesentlich mit den realen Verschiebungen von Organisations-, Interessens- und Meinungsbildungsprozessen in unserer Gesellschaft auseinander, sie nimmt neue Realitäten wahr, beschreibt und analysiert sie. Umso wichtiger ist es, die bestehenden Realitäten auch richtig zu gewichten. Dabei muss man allerdings bei aktuellen Studien einen gravierenden Fehlbestand feststellen: Eine wesentliche Gruppe innerhalb der Zivilgesellschaft bleibt immer wieder ausgeblendet – die Amateure im Kulturbereich.
Bei Nachfragen nach den Ursachen dieses blinden Flecks wird immer wieder darauf verwiesen, dass es keine gesicherten Daten zu diesem Feld gäbe. Das ist allerdings nicht richtig. Denn zumindest für die Amateure im Musiksektor – und das ist sicher der größte Sektor der Amateure – liegen diese Zahlen auf dem Tisch und sollten zu einem Umdenken bezüglich der gesellschaftlichen Gewichtung der Amateure führen.
Studie des Musikinformationszentrums (MIZ)
Das Musikinformationszentrum (MIZ) des Deutschen Musikrats hat im Jahre 2021 eine sehr umfängliche und repräsentative Untersuchung zur Amateurmusik initiiert und durchführen lassen, deren Ergebnisse bereits im vergangenen Jahr erschienen sind: »Amateurmusizieren in Deutschland. Ergebnisse einer Repräsentativbefragung in der Bevölkerung ab 6 Jahre«, durchgeführt vom Deutschen Musikinformationszentrum und dem Institut für Demoskopie Allensbach.
Aus dieser Studie lässt sich ablesen, dass 14,3 Millionen Deutsche als Amateure Musik machen, das sind 19 % der deutschen Bevölkerung.
»Aktiv sind die Amateurmusiker*innen in verschiedensten Kontexten: Acht von zehn spielen zu Hause bzw. im privaten Umfeld; ein Viertel musiziert in einem Chor, knapp ein Fünftel in der Kirche; ebenso sind die Menschen in Bands, Blaskapellen und Spielmannszügen, Orchestern und Ensembles, bei Freizeiten oder Brauchtumsveranstaltungen engagiert.«
Die Breite des Amateurmusiksektors darf in der Diskussion über und mit der Zivilgesellschaft nicht weiter ignoriert werden. Denn hier wird ungeheuer viel geleistet für den Zusammenhalt der Gesellschaft, für die Pflege kultureller Traditionen wie für die Integration unterschiedlicher kultureller Strömungen. Weder Wirksamkeit noch gesellschaftliche Potenz dürfen unterschätzt werden. Und das heißt natürlich auch, dass es dringend notwendig ist, das Thema Amateure und insbesondere die Amateurmusik bezüglich ihrer Funktion und natürlich auch ihrer Gefährdung näher zu betrachten. Das könnte z.B. beim nächsten Freiwilligensurvey im kommenden Jahr beginnen, der zwar die Kultur umfasst, aber noch wenig substantielle Aussagen zulässt.
Auf einer solchen Basis ließe sich dann auch eher die notwendige Unterstützung für die Amateurmusik organisieren, vor allem was die Versorgung mit geeigneten Räumen angeht. Aber fangen wir erst einmal mit dem Wahrnehmen und dem Wertschätzen an, denn das sind die ersten Schritte!
Zur Studie des Musikinformationszentrums (MIZ):https://miz.org/de/statistiken/amateurmusizieren-in-deutschland
Beitrag im Newsletter Nr. 21 vom 20.10.2022
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.
Autor*in
Hella Dunger-Löper ist Präsidentin des Landesmusikrats Berlin e.V.
Kontakt: Dunger-loeper@landesmusikrat-berlin.de
Weitere Informationen: https://www.landesmusikrat-berlin.de/
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