Beitrag im Newsletter Nr. 24 vom 14.12.2023

Ulrike Petzold

Früher war der Friedhof der einzige Ort, wo wir uns getroffen haben …
Kulturfördervereine sorgen mit zahlreichen Aktivitäten für das Zusammenleben auf dem Land

Inhalt

Was leistet Kultur auf dem Land?
Um die Kultur zu erhalten und weiterzuentwickeln sind Kulturfördervereine ehrenamtlich aktiv
Kulturfördervereine auf dem Land sind oft die einzige soziale Anlaufstelle in der Umgebung
Dieses enorme Engagement benötigt Unterstützung
Unterstützungsmöglichkeiten für Kulturfördervereine in ländlichen Räumen
Beratungs- und Vernetzungsangebote
Autorin
Redaktion

Was leistet Kultur auf dem Land?

Kultur inspiriert. Kultur bildet, prägt und definiert uns. Kultur schafft Gemeinschaft quer durch alle Milieus und Generationen. Sie schärft unsere Sinne und stiftet Sinn. Sie vermittelt Bildung und Werte und schafft Räume für offenen Diskurs. Gerade auch in ländlichen Räumen schafft Kultur Gemeinschaft, baut Brücken und stiftet Identität für uns alle. Sie stellt gemeinsame Erfahrungs- und Erlebnisformen her. Ob in Form von Kulturvereinen mit Amateurmusiker*innen des dörflichen Blasorchesters und Ausstellungen lokaler Künstler*innen oder Exponaten des Freilichtmuseums und Festivals im Gutspark – in ihren vielgestaltigen Ausprägungen bringt Kultur die unterschiedlichsten Menschen zusammen.

Um die Kultur zu erhalten und weiterzuentwickeln sind Kulturfördervereine ehrenamtlich aktiv

Was haben die Förderer der Klosterkirche im Hessischen mit den Organisatoren des Bücherbusses im Mecklenburgischen gemein? Hier wie dort engagieren sich Bürger*innen für die Kultur in ihrer ländlichen Gemeinde. Und sie sind keine Einzelfälle. Denn jeder 3. der mehr als 20.500 Kulturfördervereine und Freundeskreise in Deutschland ist in kleineren Orten und ländlichen Räumen tätig. Hier werden die Bereiche Baukultur und Denkmalschutz sowie Heimat und Brauchtum von diesen Vereinen überdurchschnittlich oft gefördert. Aber auch für Musikschulen, Bibliotheken, Theater, Konzerthäuser und vieles mehr sind diese Vereine auf dem Land aktiv. Im Gegensatz zu manch sehr finanzkräftigem Kulturförderverein in der Großstadt organisieren sie sich in den ländlichen Räumen fast alle vollständig ehrenamtlich.

Kulturfördervereine auf dem Land sind oft die einzige soziale Anlaufstelle in der Umgebung

Kulturfördervereine werden vorrangig zum Geldsammeln für die Kultureinrichtungen und kulturellen Aktivitäten gegründet. Doch ihre Mitglieder leisten häufig weitaus mehr als finanzielle Unterstützung. Mit zahlreichen ehrenamtlich organisierten Initiativen sorgen die Kulturfördervereine für mehr Publikum in »ihrer« Kultureinrichtung. Sie tragen zu deren Öffnung für neue Zielgruppen und zur kulturellen Bildung bei. Dabei fungieren sie als Sprachrohr der Gesellschaft in die Kultureinrichtungen hinein. Als Ideengeber, Netzwerker und Multiplikatoren sind die mehr als 6.500 Kulturfördervereine auf dem Land häufig die einzige soziale Anlaufstelle in der Umgebung und schaffen Orte des demokratischen Miteinanders. Mit zahlreichen Aktionen zur Unterstützung der Kultur sorgen sie für das Zusammenleben vor Ort. Die Beispiele sind zahlreich: So wird der Flohmarkt mit Café – der eigentlich zum Geldsammeln für das baufällige Gutshaus gedacht ist – zum wichtigen sozialen Treffpunkt für die Dorfbewohner*innen. Kinder werden im Drehen von Videos geschult, um anderen das Dorfmuseum nahezubringen. Eine Fahrradtour durch den Skulpturenpark sorgt dafür, dass sich Geflüchtete aufgenommen fühlen. »Früher war der Friedhof hier der einzige Ort, wo wir uns getroffen haben – heute ist es unser Gemeinschaftshaus mit dem wir die Kultur im Dorf fördern«, erzählt ein Vereinsmitglied.

Dieses enorme Engagement benötigt Unterstützung

Bei aller Do-it-yourself-Mentalität haben die Vereine in ländlichen Räumen auch Bedarfe, die sich aus ihrer auch im Hinblick auf die Daseinsfürsorge wichtigen Arbeit ergeben: Einmal fehlt es an infrastruktureller Unterstützung, wie einer Busverbindung zum Leseabend, einem Raum für eine Mitgliederversammlung oder einem Drucker für Plakate zur Ankündigung der Schulkinoveranstaltung. Ein andermal wird Unterstützung bei einem komplexen Förderantrag oder bei der Suche nach Helfer*innen beim Filmdreh mit den jungen Dorfhistoriker*innen benötigt. Der Dachverband der Kulturfördervereine in Deutschland (DAKU) möchte insbesondere das ehrenamtliche Engagement in ländlichen Räumen stärken. Anhand einiger aktueller Beispiele wollen wir nachfolgend aufzeigen, wie vielfältig die Herausforderungen sind – aber auch die Lösungsansätze. Die beiden brennendsten Themen in Bezug auf die Bedarfe von Kulturfördervereinen und Freundeskreisen sind über Jahre hinweg dieselben geblieben: Mitgliedergewinnung auch mit Blick auf jungen Nachwuchs und Vorstandsnachfolge, aber auch die Mittelsuche, was beispielsweise die Antragstellung und den Durchblick im Förderdschungel beinhaltet. Aber auch Entlastungen von der Bürokratie, die Unterstützung beim Einsatz von digitalen Werkzeugen und die Vernetzung untereinander sowie bei der Öffentlichkeitsarbeit sind immer wiederkehrende Bedarfe.

Unterstützungsmöglichkeiten für Kulturfördervereine in ländlichen Räumen

Gemeinsam mit Kulturfördervereinen und Expert*innen aus Politik und Verwaltung, Verbänden und gemeinnützigen Organisationen hat der DAKU Bedarfe und Unterstützungsmöglichkeiten zusammengetragen. Hierbei wurde deutlich, dass die Unterstützung des kulturfördernden Engagements auf dem Land nur dann nachhaltig gelingen kann, wenn die konkrete Situation vor Ort in Betracht gezogen wird. Denn die regionalspezifischen Faktoren, durch die das soziale Umfeld der Vereine geprägt ist, spielen eine große Rolle. Oft ist zur Unterstützung der Vereinsarbeit eine noch stärker auszubildende Servicementalität seitens Politik und Verwaltung wichtig. Sie sollte sich bestenfalls als Dienstleister für die Vereine begreifen und Handlungsspielräume nutzen, um Aktivitäten gemeinsam mit den Vereinen durchzuführen. Diese und weitere Ergebnisse sind bei einem Fachgespräch zu Bedarfen und Unterstützungsmöglichkeiten im Rahmen der Initiative »Land in Aktion« definiert. Diese Initiative hat der DAKU gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung im Jahr 2021 ins Leben gerufen, um die Vereine bei der operativen Arbeit zu unterstützen. Ausgangspunkt des Projekts sind Ideenwettbewerbe, bei denen die Gewinnervereine unkompliziert über ein Preisgeld von 1.000 Euro Mittel für ihre Tätigkeiten erhalten. Daran knüpfen sich Sprechstunden vor Ort an, bei denen die Vereine von Expert*innen beraten werden.

Beratungs- und Vernetzungsangebote

Die Kulturfördervereine in ländlichen Räumen brauchen dringend mehr Beratung und Information vor Ort: Sei es die Nutzung lokaler Kommunikationswege für die Suche nach neuen Mitgliedern, Weiterbildungsangeboten und Ausleihmöglichkeiten für Technik oder auch der Erfahrungsaustausch und die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren. Beratungs- und Vernetzungsstellen können gezielt auf Bedarfe des ehrenamtlichen Engagements in den Kulturfördervereinen eingehen. Der Ausbau und Erhalt der Strukturen von Ehrenamtsbeauftragten und Koordinator*innen, Kulturbetreuer*innen und -beauftragten in den Kommunalverwaltungen wie auch der in eigenen Trägerschaften agierenden Kulturberatungs- und Vernetzungsstellen vor Ort ist von grundlegender Bedeutung. Programme wie das vom Deutschen Landkreistag koordinierte Bundesprogramm »Hauptamt stärkt Ehrenamt« oder auch Anlaufstellen wie beispielsweise die LandKulturPerlen Hessen oder das vom Bundesprogramm TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel initiierte Pilotprojekt Regionalmanger*in Kultur und Kulturland Mecklenburg-Vorpommern können hier vorbildgebend sein. Großes Potenzial birgt zudem der Ausbau von Freiwilligenagenturen und MitMachZentralen, die mit ihrer regionalen Ausprägung eine immer wichtigere Rolle bei der Unterstützung der Engagierten auf dem Land spielen. Denn sie bieten eine einzigartige, Engagement fördernde Infrastruktur, die auf die regionalen Bedarfe bürgerschaftlichen Engagements ausgerichtet ist und dabei träger-, themen- und zielgruppenübergreifend verfährt. Aber auch Manager*innen des EU-Förderprogramms LEADER sind gute Ansprechpartner*innen – und das nicht nur bei der Suche nach Fördermittelangeboten oder dem Erstellen von Anträgen von der Projektbeschreibung bis zum Finanzierungsplan. Sie sind vor allem auch sehr geübt darin, regionale Akteure miteinander zu verdrahten. Und genau hier gibt es auch viele Verbindungen zur Arbeit der Kulturfördervereine. Als tatkräftige Gestalter und Multiplikatoren, tragen sie mit Mitteln der Kultur maßgeblich zur Entwicklung ihrer Region bei. Ob als Projektträger oder Projektpartner, als Ko-Finanzierer, Vermittler oder Ideengeber – im Rahmen des LEADER-Programms können sie eine starke Position einnehmen. Um auf dieses Potential von Kulturfördervereinen als wichtige Partner bei der Regionalentwicklung aufmerksam zu machen und ihnen eine Anleitung zur Beantragung von LEADER-Mitteln zu geben, hat der DAKU einen WEGWEISER für Kulturfördervereine und Freundeskreise entwickelt. Überaus wünschenswert ist neben der Verstetigung und Ausweitung der Beratungs- und Vernetzungsangebote in die Fläche die stärkere Einbindung des kulturfördernden Engagements in deren Arbeit. Das kulturschaffende Engagement wie Laien-Chöre und -Orchester gerät oftmals schneller ins Blickfeld dieser Stellen als das kulturfördernde Engagement. Um die Stimme des kulturfördernden Engagements zu stärken und seine gerade für den ländlichen Raum wichtigen Potenziale weiter zu entfalten, ist die Ausweitung der Angebote auf diesen Bereich dringend erforderlich. Die Zusammenarbeit mit Kultur- und Bildungsinstitutionen, Wirtschaft, Politik und anderen Engagement-Feldern ist dabei von zentraler Bedeutung.


Beitrag im Newsletter Nr. 24 vom 14.12.2023
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Autorin

Ulrike Petzold (DAKU)

Kontakt petzold@kulturfoerdervereine.eu

Weitere Informationen DAKU Dachverband der Kulturfördervereine

LEADER WEGWEISER Förderprogramm der EU für Kulturfördervereine im ländlichen Raum

Digitaler Werkzeugkasten für Kulturfördervereine

Initiative »Land in Aktion«


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