»Kreative Frühbeete für Digitalisierung schaffen – Dinge ausprobieren und ins Schaufenster stellen« – Digitalisierung in der Organisationsentwicklung
Teresa Staiger und Dana Milovanovic
Inhalt
Digitalisierung des bürgerschaftlichen Engagements
Digitaler Wandel im DOSB
Digitaler Wandel in der DLRG
Erkenntnisse: »Bottom-Up« und Akzeptanz essentiell
Zweites Dialogforum zu »Organisationsentwicklung«
Autorinnen
Redaktion
Digitalisierung des bürgerschaftlichen Engagements
Im »Forum Digitalisierung und Engagement« haben wir früh einen der inhaltlichen Schwerpunkte auf Organisationsentwicklung gelegt, da wir in diesem Bereich große Potentiale, aber auch Herausforderungen für die Weiterentwicklung des bürgerschaftlichen Engagements in einer sich im digitalen Wandel begriffenen Gesellschaft sehen.
Oftmals werden Konversationen über Digitalisierung in Organisationen auf einer sehr technischen, theoretischen Ebene geführt. In dem vom »Forum Digitalisierung und Engagement« geführten Workshop zur Organisationsentwicklung kamen aber dezidiert Hauptamtliche aus der Praxis zu Wort. So konnte die Einbindung digitaler Mittel und Prozesse in den Arbeitsalltag von Organisationen anschaulich verdeutlicht werden.
Im Mittelpunkt der Diskussion im Workshop »Organisationsentwicklung« wurden vielfältige Punkte diskutiert: etwa welche Bedarfe, Herausforderungen und Chancen auf die Organisationen zukommen, wenn sie die Möglichkeiten der Digitalisierung in die Organisationsentwicklung integrieren und welche als Baustein zur Organisationsentwicklung von zivilgesellschaftlichen Organisationen dienen können.
Eingeladen waren Boris Rump, Referent für Bildung und Engagement beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und Andreas Bläse, Bundesbeauftragter der Verbandskommunikation für Wirtschaft und Politik der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Die beiden Referenten erzählten aus der Praxis, welche Auswirkungen der digitale Wandel für ihre Organisationen (DOSB bzw. DLRG) bislang hatte und wie damit bezüglich der Organisationsentwicklung umgegangen wird. Insbesondere interessierten uns folgende Fragen: Seit wann beschäftigt sich die jeweilige Organisation mit dem Thema Digitalisierung? Gibt es allgemeine Erkenntnisse, die sich aus ihrem Prozess für andere Organisationen formulieren lassen? Was kann die Zivilgesellschaft selber tun?
Digitaler Wandel im DOSB
Boris Rump machte in seiner Präsentation deutlich, dass digitales Engagement im Sport eine Chance für die Engagementförderung sei. Deswegen gäbe es im DOSB verschiedene Herangehensweisen, u. a. das BMBF-geförderte Projekt SALTO. Mit diesem Digitalisierungsprojekt wurden Lehr-Lernprozesse durch Kompetenzorientierung und Blended-Learning-Ansätze verbessert, ein DOSB-Wissensnetz für den Wissenstransfer und Wissensaustausch aufgebaut. Des Weiteren wurde die Strukturqualität durch ein Lizenzmanagementsystem verbessert.
Auf die Frage, wie der DOSB bislang strategisch, organisatorisch und personell damit umgegangen sei, antwortete Boris Rump:
Der DOSB hat sich dem Thema Digitalisierung in den letzten Jahren verstärkt angenommen. Entscheidende Prozesse wurden dabei zum einen in einzelnen Themenfeldern (z. B. Bildung oder Gesundheit) umgesetzt, als auch in internen Prozessen auf der Geschäftsstelle. Innerhalb der Bildungsarbeit haben wir z. B. mit dem DOSB-Wissensnetz eine Austausch- und Kommunikationsplattform aufgebaut, über die u. a. auch das Lizenzmanagement (also das gesamte Lizenzwesen aller Trainer*innen und Übungsleiter*innen) digital abgewickelt wird. Darüber hinaus wurden in vielen Ausbildungsbereichen in den Mitgliedsverbänden Online- und Blended-Learning Angebote entwickelt. Auf der DOSB Geschäftsstelle wurde die gesamte Kommunikation auf Sharepoint-Programme unter Office365 umgestellt und eine Kollaborationsplattform TEAMPLAY eingeführt. Ergänzend wird dazu eine Digitalisierungsstrategie aufgebaut und neues Personal für diese Aufgaben eingestellt.
Auch in der Administration und Geschäftsstelle des DOSB wurden Chancen und Mittel der Digitalisierung in die Organisationsentwicklung integriert, und das verstärkt seit 2018. Unter anderem wurde eine »Projektleitung Digitalisierung« eingestellt, die Position im »Geschäftsbereich Verbandsentwicklung« verankert sowie die Gründung einer AG Digitalisierung veranlasst, bestehend aus Mitarbeiter*innen des DOSB, der Landessportbünde und -verbände (LSB) sowie der Spitzenverbände.
Boris Rump war eindeutig in der Bewertung des bisher Erreichten: Durch die Ablösung analoger durch digitale Prozesse sowie der Einführung von digitalen Tools lässt sich die Zusammenarbeit effizienter und effektiver gestalten, sodass Ressourcen frei werden sowie Reisekosten und Zeit eingespart wird.
Darüber hinaus darf aber auch nicht der weitere Entwicklungsbedarf außer Acht gelassen werden, so Rump:
Auch in Zukunft wird es wichtig sein, die Zivilgesellschaft durch finanzielle und kompetente Unterstützung zu stärken. Hierzu müssen Förderrichtlinien erlassen werden, die mit den Bedingungen von Digitalisierung kompatibel sind und ein agiles, iteratives Vorgehen in Projekten ermöglicht. Darüber hinaus besteht gerade in ländlichen Räumen weiterhin die Notwendigkeit, den Breitbandausbau voranzutreiben. Die besten Digitalisierungsprojekte von Verbänden nützen wenig, wenn Vereine auf dem Dorf diese nicht nutzen können, weil die technischen Voraussetzungen dort nicht bestehen.
Digitaler Wandel in der DLRG
Auch in der DLRG wird Digitalisierung in der Organisationsentwicklung großgeschrieben: Andreas Bläse verdeutlichte im Rahmen des Workshops, warum diese Prozesse wichtig sind: so könne man die breite Öffentlichkeit mit den Botschaften der DLRG auf verschiedenen Kommunikationskanälen erreichen, die Attraktivität der DLRG werde gesteigert und auch der Dialog zwischen den Mitgliedern und zu den Förderern werde intensiviert. Des Weiteren betonte er, dass durch Integration digitaler Mittel und Prozesse das Ehrenamt entlastet werde und so mehr Zeit für die Kernaufgaben habe. Auch könnten auf diese Weise lokale Verbandsstrukturen in der Kreativität und Selbstverwaltung unterstützt werden.
Auf die Frage, wie die DLRG strategisch, organisatorisch und personell bislang damit umgegangen sei, antwortete Andreas Bläse:
Als weltweit größte freiwillige Wasserrettungsorganisation mit rund 2000 eigenständigen Gliederungen ist die Digitalisierung eine wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung unserer Kernaufgaben und eine zukunftsfähige Weiterentwicklung unserer Organisation. Seit 20 Jahren setzen wir hierbei auf einen zentralen IT-Arbeitskreis mit über 20 ehrenamtlich tätigen Fachleuten aus allen Ebenen der Organisation. Ein IT-Steuerkreis im Präsidium sorgt hierbei für die Rahmenbedingungen und die notwendigen Entscheidungen.
Bisher ist einiges sehr gut gelungen, auch wenn es natürlich auch noch Entwicklungsbedarf gebe, so Andreas Bläse:
Die Transformation von »analogen« zu digitalen Arbeitsprozessen ist weitestgehend gelungen. Die eingeführten IT-Plattformen und Systeme unterstützen unsere aktiven Mitglieder in der Wasserrettung, der Ausbildung und Geschäftsführung in ihren Tätigkeiten und tragen zur Entbürokratisierung des Ehrenamts bei. Innerhalb eines gesetzten Rahmens können unsere Gliederungen den Grad und die Geschwindigkeit der Digitalisierung ihren Bedürfnissen anpassen und bei der Gestaltung mitwirken. Wir konnten durch unsere Social-Media-Aktivitäten die Bekanntheit der DLRG mit ihren Kernbotschaften zur Sicherheit am und im Wasser erheblich steigern und die interne Kommunikation verbandsweit verbessern. Wir werden unsere bisherigen Aktivitäten für virtuelle Arbeitstreffen und Online-Trainings erheblich ausbauen, um den Knowhow-Austausch organisationsweit zu fördern.
Beide Referenten machten deutlich, dass es sich für Organisationen des bürgerschaftlichen Engagements lohnt, die Möglichkeiten und Mittel des digitalen Wandels auch in der jeweiligen Organisation zu integrieren. So können Prozesse optimiert, das Ehrenamt entlastet, Wissensvermittlung weiter ausgebaut und andere Zielgruppen eingebunden und erreicht werden.
Erkenntnisse: »Bottom-Up« und Akzeptanz essentiell
Auf die Frage, ob es allgemeine Erkenntnisse gibt, die sich aus den geschilderten Prozessen für andere Organisationen ableiten lassen, antwortete Andreas Bläse:
Die Digitalisierung sollte sich nicht nur vom technisch Machbaren leiten lassen, sondern im Schwerpunkt die alltägliche Arbeit unterstützen. Bei der Gestaltung von digitalen Arbeitsprozessen ist es hilfreich, alle Organisationsebenen einzubeziehen, um die notwendige Akzeptanz zu finden.
Auch Boris Rump schätzt die Auseinandersetzung mit Digitalisierung als einen Gewinn für die Organisationsentwicklung des DOSB ein und hat Empfehlungen für andere Organisationen:
Im Rahmen von Digitalisierungsprozessen sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass sich mögliche Strategien am besten als »Bottom-up-Prozess« in den Strukturen selbst entwickeln können. Dies ist immer auch ein Lernprozess, der Zeit und Vertrauen benötigt. Digitalisierung sollte dabei nicht ausschließlich als IT-Projekte (miss-)verstanden werden, sondern kann vielfältige Ansatzpunkte in der Umsetzung beinhalten. Innerhalb unserer Bildungsarbeit haben wir festgestellt, dass sich die Rollenbilder von Koordinatoren und Ausbildern durch die Digitalisierung verändern. Dies ist positiv, im Sinne einer Weiterentwicklung einzustufen, benötigt aber auch die Offenheit für Veränderungen bei allen Beteiligten. Transparenz, Informationsaustausch und Zusammenarbeit sehen wir dabei als entscheidende Erfolgsfaktoren.
Zweites Dialogforum zu »Organisationsentwicklung«
Das »Projekt Forum Digitalisierung und Engagement« widmet sich im zweiten Dialogforum, welches voraussichtlich im Frühjahr 2021 stattfinden wird, dem Themenschwerpunkt Organisationsentwicklung. Die Erkenntnisse und Praxiserfahrungen der beiden Organisationen DLRG und DOSB unterstreichen und bestätigen einmal mehr, welche Auswirkungen, aber auch Potentiale der digitale Wandel für die Prozesse der Organisationsentwicklung bereithält.
Während des Dialogforums soll der Status quo der Organisationsentwicklung in Verbindung mit der Digitalisierung beleuchtet und analysiert werden, um dann schließlich sehr konkrete Handlungsempfehlungen sowohl an das Engagement als auch an die Politik und Wirtschaft zu formulieren. Das Projektteam erhofft sich viel Input und Expertise aus unterschiedlichen Organisationen des bürgerschaftlichen Engagements. Nähere Informationen zu Zeit und Ort des nächstfolgenden Dialogforums finden sich zu gegebener Zeit auf der projektbegleitenden Beteiligungsplattform www.forum-digitalisierung.de. Schon jetzt lädt das Projektteam herzlich dazu ein, den Forumsprozess auf der Plattform zu verfolgen und sich durch Beiträge und Kommentare in die Diskussion miteinzubringen.
Ein herzliches Dankeschön an Herrn Bläse und Herrn Rump für die Einblicke in ihre Organisationen!
Beitrag im Newsletter Nr. 24 vom 3.12.2020
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.
Autorinnen
Teresa Staiger ist Referentin im Projekt »Forum Digitalisierung und Engagement« des BBE. Zuvor war sie am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme tätig. Sie hat ihr Studium an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und Cardiff University (B.A. Politikwissenschaft und Geschichte) und an der Philipps-Universität Marburg (M.A. Politikwissenschaft) absolviert. Sie interessiert sich besonders für eine gemeinwohlorientierte Digitalisierung, die durch eine digital souveräne und engagierte Zivilgesellschaft begleitet wird.
Dana Milovanovic ist Referentin im Projekt »Forum Digitalisierung und Engagement« der BBE-Geschäftsstelle. Sie verfügt über einen Bachelor-und Masterabschluss der Europa-Universität Viadrina in den Fächern Kulturwissenschaften und Soziokulturelle Studien. In der Digitalisierung sieht sie großes Potential für das bürgerschaftliche Engagement und dessen nachhaltige Weiterentwicklung. Das Forum stellt für sie ein essentielles Austauschformat der Zivilgesellschaft zu den drängenden Fragen in Bezug auf den Digitalen Wandel dar.
Kontakt: info@forum-digitalisierung.de
Weitere Informationen:
Website: www.forum-digitalisierung.de
Twitter: @BBE_Forum
Redaktion
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