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Der Corona-Hilfsfonds für die Zivilgesellschaft
Die Bilanz für 2020
Corona bleibt, die Herausforderungen ebenfalls
Zukunftsfähige Organisationen brauchen eine nachhaltige Finanzierung
Autor
Redaktion
Der Corona-Hilfsfonds für die Zivilgesellschaft
Mit der Corona-Pandemie begann vor knapp zwei Jahren eine neue Zeitrechnung, auch für die Zivilgesellschaft. Nicht umsetzbare Projekte, erschwerter Zugang zu Zielgruppen, wegbrechende Einnahmen und der Rückgang von Spenden bedrohten viele Organisationen und Vereine in ihrer Existenz. Schnell wuchs die Erkenntnis, dass die Herausforderungen nur mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung, viel Engagement, Kreativität und vor allem flexiblen finanziellen Förderungen zu bewerkstelligen sind. Als gemeinnützige Organisation mit einem großen Netzwerk in Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik konnte PHINEO dazu beitragen, dass staatliche Corona-Hilfen auch in den gemeinnützigen Sektor fließen – eine Notwendigkeit, die von der Politik im Frühjahr 2020 zunächst verkannt wurde.
Angesichts der schwierigen Situation wollten wir den Organisationen aber auch praktisch helfen und so legten wir im Sommer 2020 den Corona-Hilfsfonds für die Zivilgesellschaft auf. Das Ziel: Kleinen und mittleren gemeinnützigen Organisationen und Vereinen, die mehrheitlich privat finanziert sind, in der Krise nachhaltig zu helfen. Durch Unterstützung unserer Förderpartner*innen kam mehr als eine halbe Million Euro zusammen. Mit den Spenden konnten wir insgesamt 32 gemeinnützigen Organisationen mit Angeboten für von der Pandemie besonders stark betroffene Zielgruppen in den Bereichen der Jugend-, Alten- oder Behindertenhilfe, der Allgemein- und Volksbildung, in Sport, Kunst und Kultur Angebote machen nicht nur kurzfristig helfen, sondern auch den sicheren Start ins Jahr 2021 ermöglichen.
Die Bilanz für 2020
Die Bilanz unseres Corona-Hilfsfonds 2020: Alle 32 von uns geförderten Organisationen konnten die Insolvenz vermeiden, 11 Organisationen haben das Jahr mit einer »schwarzen Null« oder sogar einem positiven Ergebnis beendet, 5 Organisationen haben es geschafft, durch Umstrukturierung der Organisation oder des Geschäftsmodells eine stabilere Zukunft zu sichern und 15 Organisationen konnten ihre Angebote digitalisieren – vor Corona und den zusätzlichen Förderungen undenkbar.
Zu den geförderten Organisationen gehört u.a. die WIRKT-Siegel zertifizierte Dialoghaus Hamburg gGmbH. »Als Sozialunternehmen, das sich hauptsächlich aus der Eigenertragskraft finanziert, ist das Dialoghaus durch alle Netze gefallen. PHINEO hilft uns sehr, das Netz nun engmaschiger zu spannen, um somit seinen Auftrag während und vor allem nach Corona fortführen zu können«, sagt Gründer und Geschäftsführer Prof. Dr. Andreas Heinecke. Die Ausstellungen »Dialog im Dunkeln« und »Dinner in the Dark« empfangen normalerweise rund 100.000 Besucher*innen jährlich, die von blinden Personen durch lichtlose Ausstellungsräume geführt werden. Das Dialoghaus und seine Beschäftigten wurden durch Schließungen wirtschaftlich und persönlich hart getroffen. Zu den geförderten Organisationen gehört auch die gemeinnützige GmbH pfiff, die sich um Menschen mit Behinderung und deren Familien kümmert. Karin Kemmitzer von der Spendenbetreuung betont: »Der Corona-Hilfsfonds hilft pfiff und allen Menschen, die von unseren Angeboten profitieren und diese momentan sehr vermissen. Die Hilfe gibt uns eine Perspektive in diesen schwierigen Zeiten!«.
Corona bleibt, die Herausforderungen ebenfalls
Inzwischen wissen wir: Corona bleibt, die Herausforderungen ebenfalls. Viele Organisationen kämpfen weiterhin mit Mitgliederschwund, finanziellen Einbußen und erschwerten Arbeitsbedingungen. Um ihre gemeinnützige Tätigkeit am Laufen zu halten, müssen Digitalisierungs- und Hygienekonzepte kontinuierlich ausgearbeitet und verbessert werden. Viele Organisationen haben die vorhandenen Rücklagen aufgebraucht und befinden sich im Prozess großer Umstrukturierungen. Mit Unterstützung der Deutschen Postcode Lotterie und der Heidehof Stiftung ist das Fondsvolumen im Jahr 2021 auf knapp 1 Million Euro angewachsen, sodass wir viele der Organisationen nochmals unterstützen konnten. Die zusätzliche Förderung sorgt für die dringend notwendige Stabilität bei den NPOs, schafft Raum für Weiterentwicklung und gibt den NPOs die Chance, sich auf ihre Kernaktivitäten, die Bedarfe ihrer Zielgruppe und auf weitere Fundraising-Aktivitäten zu konzentrieren.
Mit diesem Ansatz entschied auch Susanne Klatten, im Rahmen der SKala-Initiative einen Zukunftsfonds aufzulegen, aus dem SKala-Organisationen kurzfristig und unbürokratisch bis Ende Oktober 2020 Mittel für Investitionen in ihre Digitalisierung und Organisationsentwicklung erhalten konnten. Hierfür wurde ein kurzer Fragebogen entwickelt, der nach Eingang im 4-Augen-Prinzip vom SKala-Team analysiert und bewertet und Susanne Klatten zur Entscheidung vorgelegt wurde. Mit Erfolg, denn wir konnten 69 Förderzusagen in Höhe von 2.449.673,34 Euro treffen. Das Förder-Portfolio ist breit gefächert und reicht von der digitalen Bildung und der Stärkung eines nachhaltigen Engagements in Deutschland bis hin zur medizintechnischen Ausrüstung von Gesundheitseinrichtungen in Tansania. Schwerpunkt bilden vier Bereiche: Digitalisierungsprozesse allgemein, Organisationsentwicklungsmaßnahmen, Fundraising und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Weiterentwicklung bestehender Angebote ins Digitale. Mit 46 Prozent bilden Investitionen in Digitalisierungsprozesse den größten Block.
Gefördert wird vor allem der Auf- und Ausbau digitaler Infrastrukturen samt Hard- und Software, mithin die Anschaffung von Laptops, Smartphones und Lizenzen, einschließlich Schulungsmaßnahmen sowie die Entwicklung zielgruppengerechter Websites etc. Mit dem Digitalisierungsprozess verknüpft ist die Weiterentwicklung bestehender Angebote ins Digitale hinein, denn digitale Angebote sind zukunftsfähiger und erhöhen die Chancen, Teilnehmende besser erreichen zu können. In diesen Bereich fließen 26 Prozent der Mittel. Die Evangelische Stiftung Alsterdorf etwa stärkte mithilfe der Förderung die berufliche Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderung in Form eines barrierearmen Lernmanagementsystems; das Anne Frank Zentrum erhielt Mittel für seine digitale Summer School; und die MAPP Empowerment gGmbH erweiterte Angebote wie die ELTERN-AG und FamilyBOOST! um digitale Komponenten.
Die Förderung von Organisationsentwicklungsmaßnahmen soll Organisationen darin stärken, besser auf externe Anforderungen und unerwartete Geschehnisse reagieren zu können. Der SKala-Zukunftsfonds unterstützt auf diese Weise die Flexibilisierung und effizientere Gestaltung der Organisationsarbeit. So erhält bspw. das Projekt MiA – Migrantinnen fit für den Arbeitsmarkt eine Förderung für die Modernisierung seiner Strukturen und Prozesse, bei denen digitale und analoge Welt zusammengeführt werden.
Zukunftsfähige Organisationen brauchen eine nachhaltige Finanzierung
Da zu einer zukunftsfähigen Organisation eine nachhaltige Finanzierung gehört, fördert der Zukunftsfonds auch die Weiterentwicklung des Fundraisings und der Öffentlichkeitsarbeit. Handicap International etwa erhält Gelder, um das digitale Fundraising in Richtung Artificial Intelligence und Conversion Rate Optimisation weiterzuentwickeln. Und die Organisation »Ich will da rauf« unterstützen wir dabei, in der Öffentlichkeitsarbeit noch stärker darauf hinzuwirken, dass Menschen mit Behinderung auch während der COVID-Pandemie nicht vergessen werden. »Ein Fonds, der in die Zukunft gerichtet ist – das ist die klügste Form der Unterstützung«, freut sich Sandra Zentner, Geschäftsführerin der Stiftung Lernen durch Engagement, und betont: »Es ist die absolute Ausnahme, dass Organisationsentwicklung gefördert und damit ermöglicht wird.« Und Julia Sandmann von KICKFAIR e. V. stellt fest: »Die Förderung aus dem Fonds hilft uns, dass wir deutlich geordneter aus dem COVID-Chaos rausgehen als wir reingegangen sind.«
Noch wissen wir alle nicht, wie es im nächsten Jahr weitergeht, aber gemeinsam mit den geförderten Organisationen haben wir viel gelernt. Ein negatives Jahresergebnis ist nicht immer ein Zeichen eines schlechten Wirtschaftens bzw. einer finanziellen Schieflage. Nur das konsequente Um- und Einsetzen digitaler Infrastruktur wird den Organisationen die Zukunftsfähigkeit sichern. Der Bedarf an Weiterbildung zu finanziellen Themen, Buchhaltung und Fundraising ist enorm und mit den üblichen Projektfinanzierungen nicht zu decken. NGOs brauchen flexible Fördermittel, um Ressourcen auch in die notwendige Weiterentwicklung stecken zu können. Und sie brauchen das Vertrauen der Förderpartner*innen, Offenheit und Verständnis für individuelle Situationen. Denn: Jede Organisation ist anders und Krisen meistern wir nur gemeinsam. Mit diesem Ausblick geht auch PHINEO in das Jahr 2022. Wir sind selbst Teil der Zivilgesellschaft und gleichzeitig eine starke Partner*in für alle, die sich wirksam für die Gesellschaft engagieren.
Beitrag im Newsletter Nr. 25 vom 16.12.2021
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.
Autor
Dr. Andreas Rickert ist Vorstandsvorsitzender der PHINEO gAG.
Kontakt: andreas.rickert@phineo.org
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