Die Spendensituation kirchlicher Hilfswerke im Corona-Jahr 2020 am Beispiel von »Renovabis«
Dr. Jürgen Strötz
Inhalt
Das katholische kirchliche Hilfswerk Renovabis
Massiver Spendeneinbruch ausgeblieben – vorerst
Rückschlüsse aus der Ergebnisanalyse
Zukunftsperspektiven
Autor
Redaktion
Das katholische kirchliche Hilfswerk Renovabis
Renovabis, die Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa, wurde im März 1993 von Bischöfen und Laien im Gefolge des damaligen politischen Wandels ins Leben gerufen. Seither unterstützt Renovabis pastorale, soziale und Bildungsprojekte zum gesellschaftlichen Neuaufbau in 29 Ländern des ehemaligen sowjetischen Machtbereichs. Der Name des katholischen kirchlichen Hilfswerks leitet sich vom biblischen Psalm 104 ab und bedeutet »Du wirst [das Antlitz der Erde] erneuern«. Dieses Motto stellt den Bezug zum Pfingstfest als »Gründungsdatum« der Kirche her, zum Auftrag der Festigung des Glaubens und konkret zur solidarischen Hilfe für Schwestern und Brüder in Notsituationen aus christlicher Nächstenliebe. Deshalb wird an Pfingsten auch in allen katholischen Kirchen für Renovabis gesammelt, das zum Verbund der sogenannten »MARMICK« gehört. Darunter versteht man die sechs weltkirchlichen Hilfswerke der katholischen Kirche, die sich in enger Kooperation für unterschiedliche Weltregionen engagieren, deren Zwecke aber große Ähnlichkeiten aufweisen. Als »Pfingstaktion der Kirche« gehört »Renovabis« zu den vergleichsweise kleineren Werken der MARMICK.
Das Pandemie- und Krisenjahr 2020 stellte nicht nur die MARMICK insgesamt, sondern auch Renovabis vor besondere Herausforderungen, weil die Projektpartner in Mittel-, Ost- und Südosteuropa mit den enormen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, die Corona bei ihnen verursacht hat. Da die wirtschaftliche und soziale Abfederung in diesen Ländern weitgehend fehlt, hat die Krise in vielen Fällen existenzbedrohende Ausmaße angenommen, was in der hiesigen medialen Berichterstattung kaum Beachtung findet. Renovabis konnte diesem Befund durch intensive Informationsarbeit auf verschiedenen medialen Kanälen entgegenwirken und einige Aufmerksamkeit bei sozial engagierten Bürgerinnen und Bürgern erzeugen.
Massiver Spendeneinbruch ausgeblieben – vorerst
Dies mag auch einer der Gründe sein, warum der zunächst befürchtete massive Einbruch der Spendenbereitschaft im Jahr 2020 ausgeblieben ist und die Spendeneingänge für manche Anliegen sogar über den Ergebnissen der Vorjahre lag. Einerseits führten die völlige Einstellung von persönlichen Begegnungen im Rahmen der üblichen Kampagnenzeit vor Pfingsten sowie die vielerorts noch reduzierten Besuchsmöglichkeiten von Pfingstgottesdiensten kurz nach der Lockerung des ersten Lockdown zu einem drastischen Rückgang der Kollekteneinnahmen um fast die Hälfte. Andererseits wurde dies durch Spenden auf anderen Wegen (Überweisungen, Online-Spenden usw.) in unerwarteter Weise zu einem wichtigen Teil ausgeglichen. Beigetragen hat hierzu sicher auch ein zusätzliches »Corona-Nothilfe-Mailing« zugunsten einer Reihe von besonders betroffenen Partnerorganisationen in verschiedenen Ländern (April 2020), das allein rund eine halbe Million Euro an Zuwendungen erbrachte und so zur Konsolidierung der Jahresbilanz beigetragen hat.
Dieser Befund ist insofern bemerkenswert, weil sich die Zahl der Spenderinnen und Spender von Renovabis kaum verändert hat und die durchschnittliche Spendensumme um 7,3 % gegenüber 2019 zurückgegangen ist. Dafür war ein verstärktes Engagement bei der Gruppe der Großspender (bei Renovabis: > 2.500 € Einzelspende) zu konstatieren, die den allgemeinen Rückgang deutlich aufgefangen hat. Schwerpunkt ihrer Hilfe war das nicht nur durch die Pandemie, sondern auch durch Kriegshandlungen stark betroffene Land Armenien, für das rund 720.000 € gespendet wurde.
Rückschlüsse aus der Ergebnisanalyse
Die Erkenntnisse aus diesen Ergebnissen liegen auf der Hand: Es gilt auch in Zukunft den sozial engagierten Mitbürgerinnen und Mitbürgern verstärkt Basisinformationen an die Hand zu geben, die es ihnen ermöglichen, sich – abseits der medialen Schlagzeilen – ein eigenes Bild von der Notsituation in Mittel-, Ost- und Südosteuropa zu machen, und sie darüber hinaus immer wieder zur Solidarität aus christlicher Nächstenliebe aufzurufen. Es wird aber nicht darauf hinauslaufen, nur wohlhabendere Einzelspenderinnen und -spender zu motivieren, sondern den Adressaten einen zwischen Fundraising und Öffentlichkeitsarbeit eng abgestimmten und synergetisch wirkenden »Mix« aus Zugängen zur Thematik zu eröffnen, der alle Spendergruppen genuin im Blick behält.
Zukunftsperspektiven
»Weißt Du, wie das wird?« – diese Nornenfrage kann nicht seriös beantwortet werden, weil wir nicht wissen, wie sich die politischen, ökonomischen, gesellschaftlichen oder kirchlichen Rahmenbedingungen in Deutschland mit ihrem Einfluss auf die Spendenbereitschaft und vor allem die Spendenmöglichkeit einer alternden Spenderklientel entwickeln werden. Zwar ist davon auszugehen, dass die Solidarität mit den Hilfsbedürftigen in den Ländern des Ostens ungebrochen bleibt, aber dass die Spenderinnen und Spender zugleich verstärkt eine Priorisierung vornehmen werden. Das heißt, es wird weiterhin in großem Maße gespendet werden, jede Spenderin oder jeder Spender wird sich aber noch deutlicher als bisher die Frage stellen, für was und für wen das Geld gegeben wird. Von daher dürfte es dazu kommen, dass der »Konkurrenzdruck« unter den Hilfswerken in der Bundesrepublik wächst – und damit auch die dringende Notwendigkeit einer stärkeren Positionierung für was die jeweilige Organisation steht. Dies kann man im Sinne einer ganzheitlichen Sicht altruistischen Denkens beklagen und – im schlimmsten Falle – als Auflösungserscheinung qualifizieren; man kann es aber auch als Chance sehen, bei aller Verschiedenheit und Konturierung das noch deutlicher zu akzentuieren, was alle Werke letztlich verbindet: Die Benennung einer Notsituation, die uns zu Engagement, Solidarität und gemeinsamer Hilfe auffordert. In diesem Sinne kann das Jahr 2021 zu einem Jahr der Neubesinnung für uns alle werden.
Beitrag im Newsletter Nr. 25 vom 17.12.2020
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.
Autor
Dr. Jürgen Strötz ist Referent für Spendenmarketing bei Renovabis.
Kontakt: SJ@renovabis.de
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