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Das Klima ist rauer geworden
Giffey: Auch auf die Zivilgesellschaft kommt es an
Wege aus der Bedrohung aufzeigen
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Redaktion
Das Klima ist rauer geworden
Sie werden beschimpft, beleidigt und bedroht – das Klima ist rauer geworden für Politikerinnen und Politiker in Deutschland. Und das gerade dort, wo sie besonders nah an den Menschen arbeiten: als Ehrenamtliche auf kommunaler Ebene.
Mehr und mehr Betroffene wollen sich gegen die Anfeindungen wehren – und bekamen von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey den Rücken gestärkt. »Es gibt Dinge, die darf man nicht einfach mal so sagen«, bekräftigte Giffey Anfang November 2020 in einer Videokonferenz der Körber-Stiftung vor Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aus Deutschlands »Engagierten Städten«. Bei Hetze, Gewalt- oder sogar Morddrohungen gelte: »Das hat nichts mehr mit freier Meinungsäußerung zu tun, sondern es sind Straftaten. Dem müssen wir etwas entgegensetzen«, so Giffey, deren Ministerium innerhalb der Bundesregierung auch für die Demokratieförderung zuständig ist.
Giffey: Auch auf die Zivilgesellschaft kommt es an
Für das Programm »Demokratie leben!« habe man in den Haushaltsverhandlungen des Bundes trotz der Corona-Krise eine Aufstockung des Budgets von 115 auf 150 Millionen Euro für 2021 und 200 Millionen Euro für 2022 erreichen können, berichtete Giffey. Damit werden unter anderem lokale Partnerschaften für Demokratie unterstützt, was beispielsweise zu einer guten Gesprächskultur beitragen soll. Ihr Haus, so Giffey, sei damit zu einem Präventionsministerium geworden.
Doch auch auf die Zivilgesellschaft komme es an, betonte die Ministerin. »Man braucht viele andere, die einen tragen und stützen.« Das hatte zuvor schon eine Umfrage der Körber-Stiftung unter den beteiligten Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern ergeben: Nicht Strafverfolgung oder Beratung war ihnen am wichtigsten, sondern weit davor der Beistand durch aktive und solidarische Bürgerinnen und Bürger. Auf Bundesebene wird das Netzwerkprogramm »Engagierte Stadt« seit Juli 2020 von diesen Partnern getragen: Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Bertelsmann Stiftung, Breuninger Stiftung, Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement, Joachim Herz Stiftung, Körber-Stiftung und Robert Bosch Stiftung. Jeder fünfte Bürgermeister in diesem Netzwerk wurde schon einmal bedroht.
Die bundesweite Bedeutung des Problems zeigt eine Umfrage der Zeitschrift Kommunal vom März 2020. In der bisher größten Erhebung zu dem Thema wurden 2.494 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister befragt. 64 Prozent gaben an, bereits einmal beleidigt, beschimpft oder tätlich angegriffen worden zu sein. Besonders schwer trifft dies die zahlreichen Politikerinnen und Politiker, die sich auf kommunaler Ebene ehrenamtlich engagieren. Zu diesem Ergebnis kam jüngst eine weitere, von der Heinrich-Böll-Stiftung in Auftrag gegebene Studie, in der die besonderen Herausforderungen des politischen Ehrenamts näher beleuchtet wurden. Im Leben vieler Ehrenamtlicher verschmilzt Politisches mit Privatem, da die politische Aktivität häufig im eigenen Heim ausgeübt wird. Dies führt dazu, dass auch Anfeindungen und Bedrohungen in das Privat- und Familienleben der Politikerinnen und Politiker eindringen, was als besonders belastend empfunden wird. Dass die Betroffenen deswegen ihr Amt niederlegen, kommt aufgrund ihrer hohen Motivation dafür zwar bisher selten vor. Dennoch handelt es sich um ein ernstzunehmendes Problem, da die Kommunalpolitik ganz wesentlich auf die Tätigkeit der Ehrenamtlichen angewiesen ist: Angriffe gegen sie »unterminier[en] die Demokratie selbst«, so die Autoren der Studie.
Zur Umfrage der Zeitschrift Kommunal
Zur Studie der Heinrich-Böll-Stiftung
Wege aus der Bedrohung aufzeigen
Zum Glück wird nicht jeder so massiv bedroht wie Armin König, Bürgermeister der Stadt Illingen im Saarland. Bereits drei Mal hat er Briefe mit Morddrohungen erhalten. Im Februar 2020 kündigte ihm ein »Kommando Walter Lübcke« die Erschießung an, eigens dafür sei ein neues Gewehr angeschafft worden. Der Verweis auf die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten hat den Bürgermeister ins Mark getroffen. Er blieb aber nicht tatenlos. »Ich entschloss mich, aktiv zu werden. Ich habe mir psychologische Hilfe gesucht, die Bedrohung öffentlich gemacht und mit dem Staatschutz und der Polizei zusammengearbeitet. Außerdem habe ich mich um die Sicherung des Hauses gekümmert.«
Das Thema der bedrohten Kommunalpolitiker behandelt auch der Film der Körber-Stiftung »Angriffe auf die Kommunalpolitik. Hass und Gewalt entgegentreten«, der neben Hintergrundinformationen auch Hilfsangebote umfasst. »Fast täglich gibt es Nachrichten zu Angriffen auf Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker. Die Körber-Stiftung möchte auf dieses Thema aufmerksam machen und den Betroffenen Wege aus der Bedrohung zeigen«, so Martin Meister, Programmleiter Engagement der Körber-Stiftung.
Beitrag im Newsletter Nr. 6 vom 18.3.2021
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.
Autor
Martin Meister ist Programmleiter Engagement der Körber-Stiftung.
Kontakt: meister@koerber-stiftung.de
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