Jugendverbände: ein wichtiger Teil von Zivilgesellschaft – auch in Zeiten einer Pandemie
Clara Wengert
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Jugendverbände: ein wichtiger Teil von Zivilgesellschaft – auch in Zeiten einer Pandemie
Autorin
Redaktion
Gruppenstunden für Kinder und Jugendliche, Freizeiten im Zelt, Seminare zur politischen Kampagnenplanung – viele Aktivitäten der Jugendverbände sind in Zeiten einer Pandemie nicht wie gewohnt möglich. Für uns bedeutet das: Überlegen, was vielleicht auch digital oder virtuell gestaltet werden kann oder unter den entsprechenden Regeln des Infektionsschutzes dennoch möglich ist. Seminare und Vorstandssitzungen über digitale Plattformen umzusetzen ist für viele Jugendverbände kein Neuland. Aber wie kann ein Freizeitangebot für junge Menschen gestaltet werden, dessen Mehrwert darin liegt, gemeinsam etwas zu erleben? Digitale Singerunden in Pfadfinder*innen-Stämmen, Digitale Gruppenstunden bis hin zu internationalen Jamboree über Internet und Funk sind neue Formen der Jugendverbandsarbeit – denn Jugendverbandsarbeit geht (fast) immer.
Aus dieser Überzeugung heraus machen sich Jugendverbände Gedanken, wie Freiräume junger Menschen neu gestaltet werden können, sobald die Regelungen des Infektionsschutzes etwas gelockert werden können. Jugendreisen und Ferienfreizeiten werden möglicherweise diesen Sommer nicht realisierbar sein. Aber kann ein Freizeitprogramm für junge Menschen vielleicht auch anders gestaltet werden und den selben Zweck erfüllen – vielleicht sogar mehr jungen Menschen Zugang zu den Aktivitäten bieten? Ja, erste Konzepte dazu sind in Arbeit.
Bereits in der aktuellen Phase des strikten Kontaktverbots haben Jugendverbände wichtige Aufgaben übernommen. Lokal organisieren sich junge Menschen, um Einkaufsdienste zu übernehmen. Sie nähen Masken, sind als Helfer*innen bei Feuerwehr, THW oder Rotem Kreuz im Einsatz. Sie bieten Notbetreuung in Grundschulen an. Jugendverbände sind zu Vorreitern in Sachen Digitalisierung der Verbandsarbeit geworden. Digitale Werkzeuge ermöglichen Beteiligung auch ohne persönlichen Kontakt. Vergessen wird dabei allerdings nicht, dass noch immer viele von digitaler Beteiligung wegen fehlender Grundvoraussetzungen wie Breitband oder entsprechender Hardware ausgeschlossen sind.
Für Teile der Jugendverbände bedeutet die Corona-Pandemie eine existenzbedrohende Situation. Verbandseigene Einrichtungen, die von selbst erwirtschafteten Erträgen leben, brechen die Einnahmen weg, weil Belegungen ausbleiben. Mitarbeitende müssen in Kurzarbeit gehen und Projektförderungen werden in Frage gestellt. Gemeinsam mit anderen zentralen Trägern der Jugendarbeit machen wir uns als Deutscher Bundesjugendring dafür stark, die bestehenden Rettungsschirme auch über uns zu spannen.
Als Jugendverbände erreichen wir junge Menschen durch alle Gruppen der Gesellschaft. Wir sehen daher mit Sorge, dass die Ausnahmesituation neue Problemlagen eröffnet. Jugendarmut wird verschärft in Situationen, in denen Hilfen wie z.B. ein kostenloses Schulessen wegbrechen. Häusliche und sexualisierte Gewalt nimmt nachweislich zu, übliche Hilfesysteme können nicht entsprechend greifen. Die Situation junger Geflüchteter rückt noch weiter an den Rand der öffentlichen Wahrnehmung. Nationalstaatliches Denken und geschlossene Grenzen tun das ihre dazu, dass Situationen in Geflüchtetenlagern und AnKER-Zentren unhaltbar sind.
Wir hinterfragen, ob die Gefahr einer Ansteckung mit dem Virus tiefgreifende Einschränkungen der Grundrechte rechtfertigt. Ist eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit, des Datenschutzes oder der Versammlungsfreiheit ein legitimes Mittel in dieser Situation? Und wenn ja, wie lange können und dürfen Beschränkungen bestehen, ohne dass die Demokratie Schaden daran nimmt? Wir fordern so schnell wie gesundheitspolitisch vertretbar diese zentralen Grundrechte wieder uneingeschränkt in Kraft zu setzen. Eine Debatte über Alternativen zur Aussetzung unserer Grundrechte gab es nicht. Sie muss aber dringend geführt werden.
Daran anschließen muss sich auch eine Debatte, wie wir nach dem Ausnahmezustand weiter miteinander leben, arbeiten und wirtschaften wollen. Und diese Debatte muss mit jungen Menschen geführt werden, damit eine solidarische, nachhaltige und gerechte Gegenwart und Zukunft gelingt – und kein Zurück zu alten Mustern.
Für uns ist zentral, dass nach einer Lockerung der aktuellen Maßnahmen schnell wieder die passenden Rahmenbedingungen geschaffen werden, um unsere Arbeit wieder aufzunehmen – die klassische und die digitale Jugendarbeit. Wenn Kindergärten, Schulen und Universitäten wieder öffnen, wenn die Wirtschaft hochgefahren wird, muss unbedingt auch der außerschulische Bereich gestärkt werden, denn er ist für die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen als Teil unserer Gesellschaft mindestens genauso wichtig.
Beitrag im Newsletter Newsletter Nr. 8 vom 23.4.2020
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.
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Clara Wengert ist seit 2016 Geschäftsführerin des Deutschen Bundesjugendring e.V.
Kontakt: clara.wengert@dbjr.de
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