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Bundestagswahl

Engagementpolitische Empfehlungen des BBE

Die Engagementpolitischen Empfehlungen des BBE für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag am 26. September 2021 in der einer Kurzfassung und in einer Langfassung zum Download veröffentlicht.

Im Folgenden benennt das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) Empfehlungen für gute Ansätze der Engagement- und Demokratiepolitik in der kommenden Legislaturperiode.

1. Lebendige Zivilgesellschaft – starke Demokratie: Konsequenzen aus Krisen und Umbrüchen

• Die Förderung der Zivilgesellschaft muss verbindlich und langfristig angelegt sein, um Strukturen zu erhalten und bei ihrer Entwicklung zu unterstützen. In ihrer Vielfalt, ihrer Beständigkeit und mit ihrem innovativen Charakter trägt Zivilgesellschaft wesentlich zur Überwindung gesellschaftlicher Herausforderungen und zur Stärkung der Demokratie bei, gerade in Umbruchphasen.

• Zugunsten der Unterstützung bestehender Strukturen und Beratung offener Fragen erwarten wir die Einsetzung eines Hauptausschusses „Engagement- und Demokratiepolitik“ im Bundestag.

• Dialog- und Partnerstrukturen müssen entwickelt werden, um die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft sicherzustellen. Denn: Die Zivilgesellschaft war nicht nur Leidtragende in der Pandemie, sondern hat auch erheblich zur Lösung konkreter Probleme beigetragen.

• Ein Neustart von Wirtschaft, Kultur und Zivilgesellschaft nach Überwindung der Pandemie muss mit einer Reform im sozial-ökologischen Sinne verbunden werden, um insbesondere die existentiellen Gefährdungen durch den Klimawandel zu stoppen. Von der Bundesregierung fordert das BBE einen tatkräftigen Beitrag zur Überwindung der Trennung der unterschiedlichen Sektoren im kontinuierlichen Dialog und die Einbindung der Zivilgesellschaft in den entscheidenden Gremien.

• Kürzungen und Einsparungen zur Kompensation der Mehrausgaben in der Corona-Pandemie

dürfen nicht die Zivilgesellschaft treffen, die sich zur Minderung der Folgen im sozialen, kulturellen und ökologischen Bereich trotz begrenzter Ressourcen einsetzt.

• Das Zuwendungsrecht muss zur Entlastung der Zivilgesellschaft entbürokratisiert werden.

2. Leistungsfähige Infrastruktur und wirkungsvolle Kooperationen

Die neue Bunderegierung soll an die positiven Entwicklungen der Engagementpolitik der letzten Jahrzehnte anknüpfen und folgende Konsequenzen ziehen:

• Mit Blick auf ein förderliches Verhältnis zwischen Staat und Zivilgesellschaft sind Doppelstrukturen zu vermeiden und die Wahrung des Prinzips der Subsidiarität zu beachten. Bundespolitik soll die Selbstorganisationsfähigkeit der Zivilgesellschaft stärken und nicht Steuerungsansprüche des Staates erhöhen.

• Es bedarf guter Voraussetzungen für strategische und sektorenübergreifende Kooperationen unter anderem mit Akteuren aus der Wirtschaft.

• Angesichts der strukturellen Unterschiede und besonderen Herausforderungen sollen Infra-

strukturen im strukturschwachen Raum nachhaltig gestärkt werden.

• Engagement als professionelle Dienstleistung zu fassen, schadet dem „Eigensinn“ des

Engagements und erschwert es. Dem muss in Förderbeziehungen aktiv entgegengewirkt werden.

• Kooperative Ansätze in der Engagementförderung auf Bundesebene, in den Ländern und in Städten und Gemeinden sind systematisch zu stärken. Wichtige Programme der Engagementförderung durch den Bund sind weiter zu fördern und auszubauen (zum Beispiel „Engagierte Stadt“). Es bedarf der kontinuierlichen finanziellen Unterstützung für die Entwicklung von Engagementkonzepten, die sich auf die regionalen, strukturellen und inhaltlichen Besonderheiten beziehen.

• Aufgabe der Engagementpolitik der neuen Bundesregierung ist die Umsetzung des Gesetzes zur „Stärkung der wehrhaften Demokratie“, durch das Strukturen nachhaltig gesichert werden.

• Projekte des Bundes sollten nicht top-down geplant und durchgeführt werden; die Zivilgesellschaft ist bereits bei der Konzeption von Programmen und ihren Förderrichtlinien einzubinden.

• Institutionelle Strukturen der Zivilgesellschaftsforschung an Universitäten und Hochschulen müssen ausgebaut, Instrumente der Datenerhebung zur Zivilgesellschaft langfristig gesichert werden.

• Eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Engagementförderung – Demokratiestärkung – Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ ist einzusetzen. Engagement- und Demokratiepolitik müssen zusammen gedacht, einseitige Förderlogiken überwunden werden.

3. Gesellschaftlichen Zusammenhalt und soziale Gerechtigkeit stärken – Räume für Demokratiebildung und Beteiligung schaffen und erhalten

Zivilgesellschaft soll dabei unterstützt werden, ihre Strukturen systematisch weiter zu öffnen, Räume inklusiv zu gestalten und die Teilhabe Aller an gesellschaftlichen Prozessen zu ermöglichen.

• Wichtige Beiträge zu mehr Chancengerechtigkeit leisten Formen des Engagements mit und für Menschen in besonderen Risikolagen. Chancen im Bereich von Bildung, Ausbildung und für den Zugang zu Arbeit sind zu erhöhen, indem Engagement, das an Übergängen ansetzt – zum Beispiel die Freiwilligendienste – gestärkt wird. Wichtige Ansatzpunkte sind: Anerkennung des Engagements, Kompetenzentwicklung im Engagement, Zugänge sowie begleitende hauptamtliche Strukturen für ein gutes Zusammenwirken und eine stabile Rahmung, aufsuchende Formate des Engagements.

• Engagement- und Bildungspolitik müssen stärker aufeinander bezogen werden.

• Die Strukturförderung für Migrant*innenorganisationen soll auch in der neuen Legislaturperiode fortgeführt werden. Die in den letzten Jahren über Modellprojekte aufgebauten Houses of

Resources müssen in eine mittel- bis langfristige Förderprogrammlogik überführt werden.

• Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit muss entschieden entgegengewirkt und die Menschenrechte müssen verteidigt werden. Von der neuen Bundesregierung erhofft sich das BBE, dass die durch den Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus vorgelegten Maßnahmen über das Jahr 2021 hinaus umgesetzt werden.

• Das Gemeinnützigkeitsrecht ist so auszugestalten, dass politisches Engagement als Teil der jeweiligen gemeinnützigen Zweckverfolgung gemäß dem Grundgesetz anerkannt wird.

• Unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, Religion und Weltanschauung, Einkommen und Bildung soll allen Menschen Demokratielernen durch Engagement und Beteiligung ermöglicht werden. Es soll in alle Curricula integriert werden (Kitas, Schulen, Ausbildungsgänge, Hochschulen). Politische Bildung durch die Zivilgesellschaft benötigt Förderung. Institutionen müssen gestärkt werden, die Engagement-, Demokratielernen und die Brückenbildung ermöglichen.

• Gerade junge Menschen sollen sich für eine lebendige Demokratie einsetzen und ihre Kompetenzen, Perspektiven und Forderungen einbringen können. Ihre Perspektiven und Positionen sollten strukturell stärker Berücksichtigung finden (Gremien, Entscheidungsstrukturen, etc.). Wir erwarten, dass die Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen und die Beteiligungsrechte von Kindern verbindlich gestärkt werden.

4. Entwicklung im Bereich der Digitalisierung – Zivilgesellschaft in der digitalen Transformation

Die Zivilgesellschaft ist in der digitalen Transformation durch umfangreiche Maßnahmen und Konzepte zu unterstützen.

• Knotenpunkte, Netzwerke und Infrastruktureinrichtungen müssen systematisch in die Breite der Engagementlandschaft wirken können. Erforderlich sind personelle und technische Ressourcen, Begleitung bei der Organisationsgestaltung und materielle Ressourcen für Peer Learning und Kompetenzaufbau. Organisationen sind so in ihrer Weiterentwicklung zu stärken.

• Digitale Zivilgesellschaft braucht gute, freie und offene Software sowie Software zu fairen Preisen. Datenschutz, europäische Lösungen und von zivilgesellschaftlichen Entwickler-Communities getragene Softwarelösungen sind ein wünschenswerter Standard in der zivilgesellschaftlichen Nutzung. Förderpolitisch erforderlich ist ein klares Bekenntnis zur digitalen europäischen Zivilgesellschaft sowie eine Beherzigung der Maßgabe „öffentliches Geld – öffentliches Gut“, um digitale Innovationen in die Fläche zu bringen.

• Die Schnittstellen zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sind institutionell auszubauen. Zivilgesellschaft ist an bundespolitischen Gremien zur Digitalisierung systematisch zu beteiligen.

• Digitalisierungsdiskurse müssen auch in ihrer Relevanz für die Stärkung der Demokratie, mit Blick auf soziale und kulturelle Teilhabe, Bildungschancen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt Berücksichtigung finden.

5. Europa: Förderung von Engagement und Beteiligung und Sicherung der zivilgesellschaftlichen Handlungsräume

Wir erwarten von der neuen Bundesregierung:

• ein klares öffentliches politisches Bekenntnis zur Rolle der europäischen Zivilgesellschaft und zum Dialog mit der Zivilgesellschaft, umgesetzt durch die Einrichtung einer koordinierenden Zuständigkeit für die Zusammenarbeit mit den europäischen Netzwerken der Zivilgesellschaft,

• die partizipative Demokratie und zivilgesellschaftliche Beteiligung in Europa zu stärken und sich für die Implementierung und Durchsetzung entsprechender Standards nach Art. 11 EUV – insbesondere den „Zivilen Dialog“ – einzusetzen,

• es allen Bürger*innen zu ermöglichen, in vollem Umfang am sozialen, kulturellen und demokratischen Leben auf europäischer Ebene teilzunehmen. Das Programm „Rechte und Werte“ zielt durch die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen auf den Schutz und die Förderung der in den EU-Verträgen verankerten Rechte und Werte ab. Der Fonds sollte allen Organisationen zugänglich sein.

• dass sie sich für den Erhalt und die Einführung einfacher und niedrigschwelliger Förderungen in EU-Programmen wie CERV, Erasmus+, Kreatives Europa Kultur und anderen einsetzt.

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