Inhalt
Ein langer Weg zur Mitbestimmung von jungen Menschen
Gemeinsam Verantwortung übernehmen
Blick zurück: Einbindung junger Menschen in die Arbeit der Vereinten Nationen
Aktiv in der Debatte und nah an den Themen
Blick nach vorn: Beteiligung an den Entscheidungen
Endnoten
Autor
Redaktion
Ein langer Weg zur Mitbestimmung von jungen Menschen
Auch 75 Jahre nach Gründung der Vereinten Nationen sind die Herausforderungen immens. Wir haben weniger als zehn Jahre, um die Umsetzung der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung zu realisieren, deren Implementierung das Wohl aller Menschen weltweit maßgeblich bestimmen wird. Die heutige Generation von Entscheidungsträgerinnen und -trägern muss Maßnahmen ergreifen, die mindestens für die nächsten drei Generationen eine lebenswerte Welt gewährleisten Diese Beschlüsse sollten nicht nur aufgrund einer Verantwortlichkeit für die zukünftigen Generationen gefasst werden, sondern auch die Ansichten und Interessen der jungen Menschen miteinbeziehen. Im Jahr 2020 ist bereits fast die [Hälfte der Weltbevölkerung[1] (laut UNFPA 49,1%, 2020) jünger als 24 Jahre. Schaut man zum Beispiel auf die afrikanischen Staaten, ist der Anteil der jungen Menschen an der Gesamtbevölkerung höher als 50%. Sie haben ein Recht darauf, dass ihre Perspektiven beachtet werden. Bei zentralen Zukunftsfragen müssen wir deshalb diese Mehrheit der Weltbevölkerung einbinden.
Gemeinsam Verantwortung übernehmen
Wir müssen zusammen die Verantwortung für unsere gemeinsame Zukunft übernehmen. Die Entscheidungsträgerinnen und -träger müssen den jungen Menschen Mitbestimmung ermöglichen. Die Hälfte der Weltbevölkerung erhebt fast täglich ihre Stimme und ist bereit, Verantwortung zu übernehmen: Millionen von Jugendlichen fordern entscheidende Maßnahmen, um den Klimawandel zu stoppen und die Folgen für alle Menschen beherrschbar zu machen. Junge Menschen sind bereit, ihren Beitrag zu leisten und Verantwortung zu übernehmen. Sie setzen sich für die Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDGs) auf allen Ebenen ein. Die Hälfte der Weltbevölkerung braucht ein aktives Mitspracherecht und den Freiraum, um unsere Zukunft mitzugestalten. Nun sind die Entscheidungsträgerinnen und -träger am Zug: Es braucht Inklusivität bei den Maßnahmen auf allen Ebenen, die auch die Betroffenen zum festen Bestandteil der Entscheidungsgremien machen muss. Nur durch den Schutz der kommenden Generationen werden die Vereinten Nationen ihrem Auftrag zur Sicherung von Frieden, Menschenrechten und nachhaltiger Entwicklung gerecht. Wie können die Vereinten Nationen dieser Verantwortung nachkommen?
Blick zurück: Einbindung junger Menschen in die Arbeit der Vereinten Nationen
Die Vereinten Nationen setzten sich bereits in der Generalversammlung 1965 mit einem Beschluss zur Einbindung der Jugend in ihre Arbeit auseinander. Die Besonderheit dieser Resolution war der Fokus auf die Einbindung von Nichtregierungs- und Jugendorganisationen. Somit eröffneten die Vereinten Nationen bereits 20 Jahre nach der Gründung nicht nur Mitgliedsstaaten die Mitwirkung. Weitere Meilensteine waren u. a. die Resolution der Generalversammlung aus dem Jahr 1981, die die Mitgliedsstaaten aufforderte, Jugendrepräsentantinnen und –repräsentanten in ihre nationalen Delegationen aufzunehmen sowie das Weltaktionsprogramm für die Jugend von 1995. Das Weltaktionsprogramm bietet einen normativen Rahmen für die Jugendarbeit der Vereinten Nationen und internationaler Jugendorganisationen. Eine zentrale Forderung dieses Dokuments ist die Anerkennung der Bedeutsamkeit von Jugendpartizipation als Notwendigkeit, um inklusive Entscheidungen für die Jugend überhaupt erst zu ermöglichen[2]. Wo können sich junge Menschen konkret für unsere Zukunft engagieren?
Aktiv in der Debatte und nah an den Themen
Eines der Leuchtturmprogramme zur Partizipation junger Menschen stellen die nationalen Jugenddelegiertenprogramme zu den Vereinten Nationen dar[3]. Die UN DESA (Abteilung des UN Sekretariat für Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten) koordiniert die Arbeit der Jugenddelegierten auf globaler Ebene. Ziel ist es, die jungen Menschen in die Entscheidungsfindung in den Schlüsselbereichen der Vereinten Nationen einzubinden. Die Rolle der Jugenddelegierten ist jedoch weiter abhängig von der Art der Entsendung bzw. Unterstützung des Mitgliedsstaates. Zumeist beschränkt sich die Mitsprache der Jugenddelegierten auf die Mitarbeit innerhalb der nationalen Delegationen und die Teilnahme an verschiedenen Beratungen der Generalversammlung und der Sozialentwicklungskommission. Trotz Einführung der Jugenddelegiertenprogramme – die Niederlande waren ab 1970 eines der ersten Länder[4] – haben weiterhin die Mehrheit der Mitgliedsstaaten kein eigenes Programm.
Neben diesem Programm bietet die UN Major Group for Children and Youth (Gründung 1992) jungen Menschen die Möglichkeit, innerhalb des UN-Systems ganzjährig an Diskussionen und teilweise an Prozessen (z. B. Strategiepapieren, Konferenzdokumenten) mitzuwirken.[5] Das Themenspektrum der Mayor Group bildet die Diversität des Systems der Vereinten Nationen ab. Neben diesen Möglichkeiten gibt es eine Vielzahl an weiteren Möglichkeiten, sich in die Organisationen innerhalb des UN-Systems und deren Programme einzubringen.
Unter Generalsekretär Ban Ki-Moon wurde die Arbeit mit und für junge Menschen eine der zentralen Prioritäten der Organisation. Mit der Schaffung der Position des Youth Envoy (Gesandter für Jugend) wurde 2013 erstmalig ein hochrangiges Amt innerhalb des Systems der Vereinten Nationen geschaffen, das sich explizit für die Belange junger Menschen einsetzt. Die Gesandte des Generalsekretärs für Jugend – seit 2017 Jayathma Wickramanayke aus Sri Lanka – setzt sich als Teil des Sekretariats der Vereinten Nationen für die Forderungen, Beteiligung und Rechte junger Menschen ein. Das Arbeitsprogramm der Gesandten[6] orientiert sich am Weltaktionsprogramm und am Aktionsplan des Generalsekretärs. Die Entwicklung der Youth 2030 Strategy ist ein weiterer Meilenstein, welcher einen Leitfaden für die Einbindung junger Menschen innerhalb des Systems der Vereinten Nationen und deren Partner darstellt.
Ein weiterer wichtiger Erfolg von und für junge Menschen war die Verabschiedung der Sicherheitsratsresolution 2250 zu Jugend, Frieden und Sicherheit[7] (2015). Diesem Beschluss war ein langer Prozess des Engagements von Jugendorganisationen gemeinsam mit weiteren Organisationen der Zivilgesellschaft vorausgegangen. Diese Initiative wurde von den Mitgliedstaaten aufgenommen und hatte somit die Chance, innerhalb des Sicherheitsrates als wegweisende Resolution verabschiedet zu werden. Dieser große Erfolg darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein klarer Gestaltungsspielraum für junge Menschen bei allen Entscheidungen innerhalb der Vereinten Nationen weiter eine Vision darstellt.
Um unserem Anspruch einer gemeinsamen Verantwortung gerecht zu werden, braucht es weitere Schritte zur Verwirklichung der Einbindung von jungen Menschen in die Entscheidungsfindung, wie z. B. in der Resolution 2250 gefordert wird. Die Vereinten Nationen haben mit der Position des Youth Envoy bereits die Sichtbarkeit junger Menschen erhöht. Die Mitgliedstaaten und Organisationen innerhalb des UN-Systems können somit kontinuierlich an ihre Verantwortung einer verbesserten Einbindung junger Menschen erinnert werden. Wie könnten die nächsten Schritte auf diesem Weg aussehen, damit junge Menschen fester Bestandteil von Entscheidungen werden?
Blick nach vorn: Beteiligung an den Entscheidungen
Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 75. Jubiläum der Vereinten Nationen hat die Zivilgesellschaft verschiedene Ideen für die Weiterentwicklung der Vereinten Nationen entwickelt. Ein vielversprechender Diskussionsvorschlag ist die Einrichtung eines »Youth Advisory Body«[8] innerhalb der Vereinten Nationen. Dieses Gremium soll durch die Generalversammlung eingesetzt werden und in Kooperation mit regionalen Jugendorganisationen ein Mainstreaming der Jugendthemen innerhalb der Vereinten Nationen erreichen. In Europa gibt es mit dem Advisory Council on Youth (Beirat zu Jugendfragen des Europarates) eine mögliche Blaupause für diese Form der Mitbestimmung.
Über ein solches Gremium könnten – bei entsprechender Mandatierung – junge Menschen institutionell und formal an politischen Entscheidungen beteiligt werden. Die Mitsprache der Mehrheit der Weltbevölkerung könnte die Legitimität erhöhen, Ungleichheiten verringern, eine bessere Repräsentation garantieren und globale Krisen verhindern oder nachhaltig lösen.
Die Verantwortung, sich für Reformideen – ähnlich wie bei der Resolution 2250 – stark zu machen, liegt bei den Mitgliedsstaaten und einer aktiven Zivilgesellschaft.
Die Mitbestimmung junger Menschen ist grundlegend für unsere gemeinsame Zukunft und um die Akzeptanz der Vereinten Nationen als globale Institution zur Sicherung von Frieden, Menschenrechten und nachhaltiger Entwicklung zu erhalten.
Wir selbst sind aufgefordert, unseren Teil der Verantwortung einlösen.
Endnoten
[1] Hannah Birkenkötter, Heidrun Fritze, Ann-Christine Niepelt, Jugendarbeit als Jugendpartizipation – Die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen und Jugend, S.157ff in: Norman Weiß, Nikolas Dörr (Hrsg.): Die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) Geschichte, Organisation und politisches Wirken, 1952-2017
[2] https://www.un.org/development/desa/youth/what-we-do/youth-delegate-programme.html
[3] https://www.un.org/esa/socdev/unyin/documents/profiles/Netherlands.pdf
[5] https://www.un.org/youthenvoy/workplan/
[6] https://www.un.org/depts/german/sr/sr_15/sr2250.pdf
[7] https://together1st.org/proposals/295
Beitrag in den Europa-Nachrichten Nr. 11 vom 26.11.2020
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.
Autor
Detlef Dzembritzki ist Bundesvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN). Von 1975 bis 1989 war Detlef Dzembritzki Bezirksstadtrat für Volksbildung bzw. seit 1981 für Jugend und Sport im Bezirk Berlin-Reinickendorf. Anschließend war er von 1989 bis 1995 Bürgermeister des Bezirks Reinickendorf und von 1994 bis 1999 Landes¬vorsitzender der SPD in Berlin. Von 1998 bis 2009 war Detlef Dzembritzki Mitglied des Deutschen Bundestags, ab 2005 Vorsitzender des Unterausschusses Vereinte Nationen.
Kontakt: info@dgvn.de
Weitere Informationen: https://dgvn.de/
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