Beitrag in den Europa-Nachrichten Nr. 11 vom 26.11.2020

Haltung statt Herkunft - Postmigrantische Stimmen der Jungen Islam Konferenz

Dr. Asmaa Soliman

Inhalt

Unsere Arbeit
Das große Ganze
Autorin
Redaktion

Die Junge Islam Konferenz (JIK) wurde 2011 in Ergänzung zur Deutschen Islam Konferenz und als Reaktion und progressive Antwort auf die Sarrazin Publikation »Deutschland schafft sich ab« gegründet. Das Buch verankerte eine islamfeindliche Stimmung in der öffentlichen Debatte, die sich jedoch bereits im Post 9/11 Narrativ manifestierte. Diskurse um Islam und Muslim*innen in Deutschland sind auch heute noch immer wieder von Ausschlüssen und Stereotypen geprägt, die Muslim*innen immer zu »den Anderen« machen und eine weitere Spaltung unserer Gesellschaft vorantreiben. Ein gesellschaftliches Klima, das insbesondere junge Menschen dazu bewegt, dem entgegenzuwirken.

Haltung statt Herkunft - Das ist der Leitsatz der Jungen Islam Konferenz. Dahinter steht der Gedanke, dass es die Werte einer pluralistischen Gesellschaft sind, die uns verbinden, egal welche Herkunft, Religionszugehörigkeit oder kultureller Hintergrund der oder die Einzelne mit sich bringt. Seit seiner Gründung hat sich die Junge Islam Konferenz zu einer eigenständigen Dialogplattform für junge Muslim*innen und Nicht-Muslim*innen entwickelt, die den Diskurs einer postmigrantischen Gesellschaft mitgestalten möchten. Wir verstehen uns daher nicht als religiöses Projekt, sondern als Dialogforum für alle jungen Menschen, welches Fragen zu einem konstruktiven und gleichberechtigten Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft aufgreift.

Unsere Arbeit

Gemeinsamkeiten stärken und Vorurteile abbauen – darum geht es in allen Formaten der Jungen Islam Konferenz. Wir richten uns mit unseren Angeboten vor allem an junge Menschen im Alter von 17 bis 25 Jahren. Darunter fallen vor allem die jährliche Bundeskonferenz, die Sommerakademie und die Medienakademie. Das junge Netzwerk veranstaltet zusätzlich dezentral Vernetzungsveranstaltungen und trifft sich monatlich bei dem Community-Event »Yallah, lass reden!«. Die Formate sind Empowerment-Räume, die aber auch zur Professionalisierung des jungen Netzwerks beitragen.

Angelehnt an das Konzept der TED Talks haben für eine breitere Öffentlichkeit die JIK Talks Reihe entwickelt. Sie basieren auf Ideen und Vorschlägen des Bundesgremiums und richten sich an die breite Öffentlichkeit, mit dem Ziel islambezogene Debatten unterschiedlich zu beleuchten und konstruktiv weiterzuführen. Es geht darum, jenseits von Klischees, stereotypen Bildern und gefühlten Wahrheiten neue Impulse zu setzen und auf Augenhöhe miteinander zu sprechen.

Allen unseren Formaten und Veranstaltungen gemein, ist der teilhabeorientierten Austausch zu unterschiedlichen Themen rund um Pluralität und Zugehörigkeit.

Das große Ganze

Wir wollen junge Menschen dazu zu befähigen, an gesellschaftlichen und politischen Diskursen teilzunehmen und eine inklusive und pluralistische Gesellschaft mitzugestalten und ihnen dabei ein positives Selbstverständnis einer vielfältigen Gesellschaft vermitteln, das Pluralität als Normalität begreift. Ganz elementar ist es dabei, den Perspektivwechsel zu ermöglichen.

Die jungen Teilnehmenden starten von verschiedenen Punkten und kommen mit unterschiedlichen Biografien und Erfahrungen zu unseren Veranstaltungen. Durch den persönlichen Kontakt und intensiven Austausch werden die Teilnehmenden mit ihren eigenen Vorurteilen und auch Privilegien konfrontiert, was dazu führt, dass sie ihre eigenen Sichtweisen hinterfragen. Dabei entwickeln sie eine Ambiguitätstoleranz, also das Aushalten divergierender Meinungen und Lebensweisen. Erik schildert seine Erfahrungen durch die Teilnahme an einer Bundeskonferenz so:

»Ich wurde ziemlich rabiat aus meiner badischen Wohlfühlblase herausgerissen und vielleicht das erste Mal mit realen Rassismuserfahrungen konfrontiert. […] Ich habe etwas gelernt, was so naheliegend erscheint, worüber ich aber vorher doch nie nachgedacht habe: Ich werde von der Gesellschaft als weißer Mann wahrgenommen und genieße damit Privilegien. Von diesem Zeitpunkt an habe ich begonnen, meinen Weg zu dieser Einsicht auf Instagram zu dokumentieren, und versuche damit, andere Menschen zu erreichen […] War es richtig, sich das Leben schwerer zu machen? Definitiv! Was bringt es uns, immer wegzuschauen. Auch das ist ein Privileg, das ich als weißer Mann habe. Menschen, die tagtäglich Rassismus erleiden, können das nicht.«

Als Dialogplattform verändert sich die Junge Islam Konferenz mit jeder neuen Perspektive aus dem jungen Netzwerk weiter. Wir bestärken die jungen Menschen in ihrem Engagement, sich für eine inklusivere und diversere Gesellschaft einzusetzen und sind Verstärker ihrer Stimmen im gesellschaftlichen Diskurs.


Beitrag in den Europa-Nachrichten Nr. 11 vom 26.11.2020
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.

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Autorin

Dr. Asmaa Soliman ist seit April 2020 die Leiterin der Jungen Islam Konferenz sowie auch Leiterin des Kompetenznetzwerks Zusammenleben in der Migrationsgesellschaft bei der Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa. Die Sozialwissenschaftlerin hat in Maastricht und in London studiert, wo sie auch promovierte. Hieraus entstand ihr Buch European Muslims Transforming the Public Sphere, worin sie das Engagement junger Muslim*innen in der Öffentlichkeit untersucht. Sie hat zu ihren Schwerpunkten Islam in Europa, Diversität und interkulturelle Verständigung sowohl geforscht und gelehrt als auch Projekte koordiniert. Frau Soliman leitet die JIK mit dem Ziel, die Bereiche Peer Education und den Europa-Fokus noch weiter voranzubringen.

Kontakt: a.soliman@schwarzkopf-stiftung.de

Weitere Informationen:

www.junge-islam-konferenz.de

www.schwarzkopf-stiftung.de


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