Beitrag in den Europa-Nachrichten Nr. 3 vom 14.4.2022

Sport, Bürgerschaftliches Engagement und Europa

Interview mit Benjamin Kurc, Leiter des Deutsch-Französischen Bürgerfonds

Inhalt

Interview
Interviewpartner
Redaktion


Sport, Bürgerschaftliches Engagement und Europa

BBE Europa-Nachrichten: Demokratie, Sport und Europa – gibt es hier einen Zusammenhang?

Benjamin Kurc: Den gibt es in der Tat, und deshalb haben wir auch eine Projektausschreibung zum Thema »Sport« veröffentlicht. Sport bringt Menschen zusammen und steht für geteilte Werte, die beim individuellen oder gemeinsamen Sportmachen zum Ausdruck kommen.

Im Sport, wie auch in der Demokratie oder in Europa, geht es darum, Einzelinteressen abzuwägen und ggf. im Dienste der Gemeinschaft hintenan zu stellen.

Man kann auch weitere Parallelen ziehen: Im Sport muss man ständig am Ball bleiben, Bewegungen einüben, Selbstdisziplin an den Tag legen. Das Gleiche gilt für Demokratie oder Europa: Auch hier müssen wir uns ohne Unterlass für Rechte, wie etwa das Wahlrecht, oder für länderübergreifende Solidarität einsetzen.

Und natürlich kann Sport auch eine ganz konkrete Rolle dabei spielen, Europa näher zu den Bürger*innen zu bringen: Große Sportevents, wie etwa Europameisterschaften oder Freundschaftsspiele, schaffen Verbindungen über Grenzen hinweg.

BBE Europa-Nachrichten: Warum »Sport – #teamfrancoallemand«? Also warum ist deutsch-französischer Austausch im Sport sinnvoll?

Benjamin Kurc: Den Titel für unsere Ausschreibung haben wir gewählt, um deutlich zu machen: Trotz aller Unterschiede, die es zwischen Deutschland und Frankreich geben mag, sind wir doch ein Team – verbunden durch ein gemeinsames Hobby, wie z. B. den Sport, und durch geteilte europäische Werte. Und auch, weil es einfach Spaß macht!

Über den »Hebel« Sport hoffen wir außerdem, möglichst viele Menschen zu erreichen und für deutsch-französischen Austausch zu begeistern: 13,5 % der freiwillig engagierten Menschen in Deutschland sind im Bereich Sport aktiv, in Frankreich sind es 21 % der Menschen, die sich in Vereinen engagieren. Hier liegt also ein enormes Potenzial für Begegnungen und Projekte zwischen Bürger*innen beider Länder.

Erleichtert werden deutsch-französische Sportprojekte außerdem dadurch, dass die Sprachbarriere leicht überwunden werden kann: gemeinsam Fußballspielen, Fahrradfahren oder Klettern kann man auch ohne große Worte, aber immer mit geteilten Werten.

BBE Europa-Nachrichten: Muss der Sport allgemein politisch, systempolitisch und/ oder parteipolitisch neutral sein – und wo genau ist der Unterschied?

Benjamin Kurc: Sportvereine sind Teil der Zivilgesellschaft. Als solche tragen sie gesellschaftliche Verantwortung und sollten demokratische Werte vertreten.

In Frankreich gibt es seit Anfang 2022 sogar einen sog. »Vertrag über Engagement im Sinne der Republik«: Vereine, die eine staatliche Anerkennung oder öffentliche Gelder beantragen möchten, müssen ihre Zustimmung zu den Werten der französischen Republik bekräftigen. Diese Maßnahme wurde mit dem Gesetz gegen Separatismus eingeführt, ist aber in der französischen Zivilgesellschaft sehr umstritten.

Solange Sportvereine demokratische Werte vertreten, sollten parteipolitische Tendenzen keine Rolle spielen. Im Gegenteil: Sport ist gemeinschaftsstiftend und kann helfen, Unterschiede zu überwinden. Sportvereine sollten Zufluchtsorte sein, in denen Menschen sich entfalten und ungestört ihr Hobby ausüben können. Wenn man Sport politisch verstehen möchte, dann im etymologischen Sinn: Als durch und durch sozialen Raum.

BBE Europa-Nachrichten: Man hört in Deutschland oft, dass Sportvereine eine starke Säule der gelebten Demokratie sind. Wie sehen Sie das?

Benjamin Kurc: Sportvereine leben vom Ehrenamt – davon, dass Menschen sich für die Gemeinschaft einsetzen und Verantwortung übernehmen. Sie sind damit ein gutes Demokratie-»Training«, um im Sportvokabular zu bleiben: denn auch Demokratie kann nur funktionieren, wenn sich jede*r einbringt, auch außerhalb von Wahlurnen.

Sport stärkt außerdem demokratische Werte, wie Respekt und Toleranz, Verantwortung oder Mitbestimmung.

Und nicht zuletzt kann Sport dazu beitragen, gesellschaftliche Herausforderungen zu lösen – sei es Integration von Geflüchteten oder der generationsübergreifende Dialog.

BBE Europa-Nachrichten: Eltern sehen In Deutschland nach sich selbst und Lehrer*innen Sporttrainer*innen im Verein als drittwichtigste Instanz der Demokratieerziehung. Welche Rolle spielt Sport in Frankreich, wenn es um Wertevermittlung und »Erziehung« von Kindern und Jugendlichen geht?

Benjamin Kurc: Auch in Frankreich spielt Sport in der außerschulischen Bildung eine sehr wichtige Rolle. Wie zuvor erwähnt, stärkt er Werte, die unsere Gemeinschaft braucht: Solidarität, Ausdauer, das Über-sich-Hinauswachsen, Fairness usw. Im Sport werden diese Werte ganz konkret eingeübt und Vereinsmitglieder entwickeln eine bestimmte Geisteshaltung.

Ohne Sportvereine wären unsere Zivilgesellschaften ein ganzes Stück ärmer.


Beitrag in den Europa-Nachrichten Nr. 3 vom 14.4.2022
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.

Zurück zum Newsletter


Interviewpartner

Benjamin Kurc ist Leiter des Deutsch-Französischen Bürgerfonds.

Weitere Informationen: www.buergerfonds.eu


Redaktion

BBE-Newsletter für Engagement und Partizipation in Europa

Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE)
Michaelkirchstr. 17/18 10179 Berlin

Tel.: +49 30 62980-114

europa@b-b-e.de
www.b-b-e.de

Zum Seitenanfang