Beitrag in den Europa-Nachrichten Nr. 6 vom 29.6.2023

»Vom Ehrenamt getragen: Das THW als verlässlicher Partner im In- und Ausland«

Gerd Friedsam

Inhalt

Einleitung
Gefragter Partner im Ausland
Türkei und Syrien: Seit mehr als vier Monaten im Einsatz
Hilfe für die Ukraine
Das THW auf dem Weg in die Zukunft

Autor
Redaktion

Einleitung

Sowohl die Bedrohungslagen in Deutschland und der Welt als auch die sich daraus ergebenden Anforderungen für die Bevölkerungsschutzorganisationen verändern sich seit einiger Zeit stark. Der Krieg in der Ukraine, die Corona-Pandemie, die Gefahren einer vernetzten Gesellschaft, die weltweiten Migrationsbewegungen oder der Klimawandel stellen auch die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) als ehrenamtlich getragene Einsatzorganisation des Bundes immer wieder vor neue Herausforderungen. Diesen stellt sich das THW und passt sich den jeweils neuen Rahmenbedingungen an. Mit seinen inzwischen mehr als 85.000 Einsatzkräften in bundesweit rund 750 Dienststellen ist das THW ein verlässlicher Partner im Zivil- und Katastrophenschutz.

Seit 1950 stellen die ehrenamtlichen THW-Kräfte ihre Fähigkeiten und ihr Wissen bei zahlreichen Einsätzen in Deutschland und im Ausland unter Beweis. Ob während der Pandemie, nach den Starkregen-Ereignissen im Sommer 2021, bei der Ukraine-Hilfe oder nach den Erdbeben in der Türkei und Syrien – mit Technik, Logistik und viel Wissen helfen die THW-Kräfte in allen Lagen. Dank der hohen Zahl an Freiwilligen sowie der bundesweiten Aufstellung des THW, seiner einheitlichen Ausstattung und Ausbildung können wir jederzeit bei Katastrophen und in Krisensituationen unterstützen. Dabei sind wir auch bei lang andauernden Einsätzen wie etwa dem im Ahrtal über Wochen und Monate vor Ort tätig. Das ist auch der Fall, wenn beispielsweise unsere eigenen Ortsverbände selbst betroffen sind – hier kommen die redundante Aufstellung und die Resilienz des THW zum Tragen.


Gefragter Partner im Ausland

Aber nicht nur in Deutschland ist die Expertise des THW gefragt. Auch im Ausland hilft das THW regelmäßig. Als operative Einsatzorganisation der Bundesrepublik Deutschland war das THW bereits in mehr als 130 Ländern im Auftrag der Bundesregierung und auf Ersuchen des Auswärtigen Amtes im Einsatz. Hierfür hält das THW spezielle Auslandseinheiten vor. Und auch die ehrenamtlichen Einsatzkräfte, die im Ausland zum Einsatz kommen, sind speziell dafür ausgebildet und geschult, um international Hilfe zu leisten.

Bei Einsätzen innerhalb der EU ist das »Katastrophenschutzverfahren der Union«, auch »EU-Mechanismus« ein wichtiges Instrument. Das THW hat zahlreiche Expertinnen und Experten sowie spezielle Auslandseinheiten an die Europäische Kommission gemeldet. Diese können im Falle einer Katastrophe im EU-Ausland angefordert werden. Beispiele für diese speziellen Auslandseinheiten sind unserer Schnell-Einsatz-Einheit Wasser Ausland (SEEWA) oder die Schnell-Einsatz-Einheit Bergung Ausland (SEEBA) oder auch sogenannte Module. Hierbei handelt es sich um Einheiten, die nach EU-Standards zusammengestellt wurden. Beispiel hierfür etwa das High Capacity Pumping-Modul (HCP-Modul), das Hochleistungspumpen umfasst.

Aber wie kommen die Kräfte des THW in den Einsatz? Wenn ein Land Hilfe nach einer Katastrophe braucht, stellt es ein so genanntes Hilfeersuchen. Dieses wird vom »Emergency Response Coordination Centre« (ERCC) an alle Staaten, die am Katastrophenschutzverfahren teilnehmen, weitergeleitet. In Deutschland kommt dieses Hilfeersuchen beim »Gemeinsamen Melde- und Lagezentrum« (GMLZ) an und wird an die Hilfsorganisationen in Deutschland gesteuert. Das THW meldet im Anschluss, mit welchen Modulen es beispielsweise helfen kann. Dieses Hilfsangebot wird vom ERCC an das in Not geratene Land weitergeleitet. Es entscheidet dann selbst, welche Hilfe und welches Angebot es annimmt. Wird ein Angebot des THW angenommen, erteilt das Bundesinnenministerium den Einsatzauftrag. In der Zwischenzeit haben wir natürlich schon abgefragt, welche entsprechenden Expertinnen und Experten verfügbar sind. In dem Moment, wo ein Angebot angenommen wird, werden die Auslandsexpertinnen und -experten schnellstmöglich inklusive des benötigten Materials entsendet. Zwei der jüngsten Einsätze im europäischen Ausland hatte das THW nach den Erdbeben in der Türkei und Syrien sowie im Rahmen des Ukraine-Krieges.


Türkei und Syrien: Seit mehr als vier Monaten im Einsatz

Direkt nach dem Erdbeben im Februar war schnelle Hilfe gefragt: 50 Expertinnen und Experten der Schnell-Einsatz-Einheit Bergung Ausland (SEEBA) waren während der Rettungsphase Anfang Februar in der Türkei im Einsatz, um Überlebende aus den Trümmern zu retten. Zwei Menschen konnten sie gemeinsam mit weiteren Rettungskräften nach über 100 beziehungsweise mehr als 130 Stunden aus den Trümmern befreien. Neben den Rettungseinsätzen haben die Helferinnen und Helfer auch zahlreiche Beratungen und Erkundungen im Schadensgebiet durchgeführt. Mit dem Einsatzende der SEEBA endet für das THW jedoch nicht der Gesamteinsatz nach den schweren Erdbeben. Ab März leisteten Expertinnen und Experten des THW für verschiedene Aufgaben im vom Erdbeben verwüstetem Gebiet Unterstützung. THW-Kräfte der Schnell-Einsatz-Einheit Wasser Ausland (SEEWA) waren vor Ort, um einen lokalen türkischen Wasserversorger zu unterstützen. Zudem engagierte sich das THW als Mitglied der »International Humanitarian Partnership« (IHP) mit mehreren Einsatzkräften an verschiedenen Standorten in der Türkei beim Betrieb der Camps und der Kommunikationstechnik. Zwischen Mitte März und Mitte Mai waren insgesamt neun Einsatzkräfte vor Ort. Ein THW-Experte hatte dabei das »United Nations Disaster Assessment and Coordination-Team« (UNDAC-Team) als Übersetzer unterstützt.

Außerdem sendet das THW seit dem Erdbeben dringend benötigte Hilfsgüter. Insgesamt unterstützte das THW die vom Erdbeben betroffene Region in der Türkei und Syrien mit Hilfsgütern in einem Gesamtwert von rund 7,5 Millionen Euro. Dabei stellte das THW mehr als 700 Tonnen Material über seine Logistikzentren für die Menschen in der Türkei und Syrien zur Verfügung, Dies geschah auch in Kooperation mit dem irakischen Projektpartner »Joint Crisis Coordination Centre« (JCC) des THW. Das JCC organisierte in der Region Kurdistan-Irak im Auftrag des THW dringend benötige Hilfsgüter und den Transport in die syrische Region Afrin.

Mit Mitteln des Auswärtigen Amtes und in enger Zusammenarbeit mit dem Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern und für Heimat wurden die Hilfsgüter kurzfristig beschafft. Den Transport in das betroffene Gebiet kofinanziert dabei die Europäische Union. Auch in Flugzeugen der Bundeswehr wurden beispielsweise Zelte, Heizlüfter und Decken geliefert.


Hilfe für die Ukraine

Seit dem Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine unterstützt das THW das zerstörte Land mit zahlreichen Hilfsgütern für die Ukraine sowie durch Einsätze in den Nachbarländern und in Deutschland. Gerade zu Beginn waren täglich bis zu 1.000 THW-Kräfte in Deutschland im Einsatz. Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer aus mehr als 530 Ortsverbänden ertüchtigen Notunterkünfte für die geflüchteten Menschen aus der Ukraine. Dafür richteten Sie Krankenhäuser, Schulen oder Kirchen her und versorgten diese mit Wasser, Strom und Wärme. Darüber hinaus unterstützen wir die Städte und Gemeinden in Deutschland. Wichtig war zu Beginn des Krieges auch der Einsatz von 36 ehrenamtlichen THW-Auslandsexpertinnen und -experten, die für den Europäischen Katastrophenschutzmechanismus (EUCPM) oder das Welternährungsprogramm (WFP) arbeiteten. Außerdem unterstützten sie deutsche Auslandsvertretungen in Polen, Rumänien, der Slowakei sowie der Republik Moldau personell.

Den Schwerpunkt unserer Hilfe für die Ukraine bilden Hilfsgütertransporte. Aufgrund der zerstörten Infrastruktur fehlt es den Menschen an Wasser-, Energie- und Wärmeversorgung. In enger Zusammenarbeit mit dem Beschaffungsamt organisierte das THW die dringend benötigten Hilfsgüter, die dann über die Logistikzentren des THW in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen umgeschlagen wurden. Aber auch den Zivil- und Katastrophenschutz der Ukraine, der die Bereiche Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz umfasst, sowie den ukrainischen Grenzschutz, regionale und lokale Wasser- und Stromversorger sowie regionale Verwaltungen erhielten Hilfe. Mehr als 700 Stromgeneratoren, Einsatzausstattung, Schutzausrüstung sowie Spezialfahrzeuge wie Löschfahrzeuge, Hubsteigerfahrzeuge und Kühltransporter kaufte das THW in enger Kooperation mit dem Beschaffungsamt des BMI. Zudem befanden sich Räumfahrzeuge und schwere Baumaschinen wie Radlader und Kettenbagger unter den Hilfslieferungen.

Wie schnell und unkompliziert wir als THW-Hilfe für die Ukraine leisten, zeigte sich im Juni, als der Kachowka-Staudamm brach und das Gebiet stark überflutete. Zahlreiche Menschen mussten evakuiert werden. Das THW stellt dem ukrainischen Katastrophenschutz DSNS kurzfristig insgesamt 5.000 Wasserfilter, 56 Stromerzeuger, 2.016 Decken, 995 Feldbetten und 179 Zelte im Wert von rund 1,3 Millionen Euro zur Verfügung. Diese wurden von THW-Logistikzentren in Bayern und Baden-Württemberg von Speditionen direkt in die Ukraine gebracht.

Insgesamt beschaffte das THW seit Februar 2022 Hilfsgüter für die Ukraine im Wert von mehr als 100 Millionen Euro und unterstützte allein den Zivil- und Katastrophenschutz mit Hilfsgütern im Wert von 50 Millionen Euro. Finanziert werden die Hilfsgüter vom Auswärtigen Amt, die Transportkosten werden von der Europäischen Union kofinanziert.


Das THW auf dem Weg in die Zukunft

Das THW ist stetig im Wandel. Immer wieder passen wir uns an neue Herausforderungen und Bedingungen an. Im Jahr 2016 beispielsweise erstellte das THW sein Rahmenkonzept 2016, welches auf der »Konzeption Zivile Verteidigung« des Bundesministeriums aufbaute. Die Folge: Wir passten unsere Fähigkeiten an und schufen neue Einheiten, beispielsweise die Fachgruppe »Notversorgung und Notinstandsetzung«. Nachdem wir unsere Maßnahmen aus dem damaligen Konzept nahezu vollständig umsetzen konnten gibt es diese nun in jedem der 668 Ortsverbände des THW.

Ein Blick auf die THW-Einsätze der jüngeren Vergangenheit – Corona-Pandemie, Starkregen Sommer 2021, Ukraine-Krieg oder das Erdbeben in der Türkei und in Syrien – zeigt: die Szenarien des Zivil- und Katastrophenschutzes haben sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Pandemien, Extremwetterereignisse sowie hybride und völkerrechtswidrige Bedrohungslagen sind Beispiele, worauf der Zivil- und Katastrophenschutz reagieren muss. Die Bundesregierung hat daher den »Neustart des Bevölkerungsschutzes« sowie die »Nationale Sicherheitsstrategie« auf den Weg gebracht – hier sind wir als THW ein wichtiges Zahnrad im Getriebe. Damit wir als ehrenamtlich getragene Bevölkerungsschutzorganisation auf künftige Herausforderungen vorbereitet sind, haben wir das Rahmenkonzept 2023 entwickelt. Damit reagieren wir einerseits auf die veränderten Rahmenbedingungen, andererseits nutzen wir unsere Erfahrungen aus vergangenen Einsätzen.

Wir als THW haben uns den Fragen gestellt, was ein zukunftsfähiger und resilienter Bevölkerungsschutz braucht und wie wir unseren Beitrag dazu leisten können. Wenn wir auf die neuen Bedrohungslagen schauen, wird deutlich, dass wir einige Dinge anpassen müssen. Als Beispiel sind die Ausstattung und die Ausbildung unserer Einsatzkräfte anzupassen. Das geht natürlich nur, wenn wir hier eine entsprechende Unterstützung erhalten. Sei es aus der Gesellschaft, von unseren Partnerinnen und Partnern im Bevölkerungsschutz oder aus der Politik. Nur mit dieser Rückendeckung ist es möglich, dass wir die vielen Vorhaben und Maßnahmen, die wir im RaKo 2023 beschrieben haben, trotz der aktuellen Haushaltslage umsetzen. So leisten wir mit unserem RaKo 2023 einen elementaren Beitrag für den »Neustart Bevölkerungsschutz«!


Beitrag im Newsletter Nr. 6 vom 29.6.2023
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.

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Autor

Gerd Friedsam ist Präsident der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW)

Kontakt: presse@thw.de

Weitere Informationen: www.thw.de


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