Qualitätssicherung durch Quifd: Erfolge und Herausforderungen nach 15 Jahren
Dr. Kristin Reichel & Susanna Hölscher
Inhalt
Die Agentur Quifd - Qualität in Freiwilligendiensten schaute im Jahr 2019 auf ihr 15-jähriges Bestehen zurück
Das gemeinsame Ziel: gute Rahmenbedingungen für Freiwillige
Vergleichbar und transparent durch ehrenamtliche Gutachter/innen
Qualität ist der Schlüssel
Herausforderungen
Qualitätsarbeit ist kein Add-on, das in Krisenzeiten eingespart werden kann
Endnoten
Autorinnen
Redaktion
Die Agentur Quifd - Qualität in Freiwilligendiensten schaute im Jahr 2019 auf ihr 15-jähriges Bestehen zurück
Das Jubiläum bot die Gelegenheit, auf die Erfolge der vergangenen Jahre zurückzublicken und die zukünftigen Herausforderungen und Erwartungen zu formulieren[1]. Das Jahr 2020 brachte dann aber durch die Corona-Pandemie und all die daraus resultierenden Beschränkungen und Veränderungen umfassende Herausforderungen für Quifd und die Qualitätsentwicklung im Feld der Freiwilligendienste mit sich, die so im November 2019 noch gar nicht abzusehen waren. Es ist viel Bewegung im Feld – eine gute Gelegenheit, diese ganz im Sinne einer nachhaltigen Qualitätsentwicklung genauer anzuschauen.
Die Quifd-Agentur wurde vor über 15 Jahren auf Initiative der Robert Bosch Stiftung gemeinsam mit dem Förderverein für Jugend und Sozialarbeit gegründet. Aus der Gründungs- und Aufbauphase und einer damit verbundenen fünfjährigen Förderung durch die Stiftung ging die Quifd-Agentur in den Jahren 2009/2010 in die Selbstständigkeit über. Seither tragen die Zertifizierten die Agentur inhaltlich und finanziell. Heute bietet die Quifd-Agentur ein Forum für Träger von Inlands- und Auslandsfreiwilligendiensten, sich über Qualität auszutauschen und sich stetig weiterzuentwickeln. Dazu führt die Agentur Projekte und Fortbildungen durch und bietet Beratungen und Zertifizierungen an.
Die Zertifizierungen sind der zentrale Arbeitsbereich der Agentur. Auf der Grundlage eines speziell für die Freiwilligendienste entwickelten Qualitätssystems können die Träger ihre eigene Praxis bewerten und sich einer Fremdevaluation durch unabhängige Gutachter/innen unterziehen. Bis zum Jahr 2013 lag die Zahl der zertifizierten Einrichtungen bei circa 40 Organisationen. Seither hat sich die Anzahl verdreifacht, sodass inzwischen mehr als 120 Organisationen ein von Quifd vergebenes Qualitätssiegel tragen. Quifd wird durch die Bereitschaft der Mitarbeitenden in den Freiwilligendienstorganisationen getragen, ihre Strukturen und Prozesse regelmäßig überprüfen zu lassen.
Zugleich fördern die regelmäßige Auseinandersetzung mit der Qualität der eigenen Arbeit und das Feedback der Gutachter/innen in den Auditgesprächen die kontinuierliche Verbesserung in den Freiwilligendiensten. Mit dem Qualitätssiegel wird die gute Arbeit nach außen und innen sichtbar und vergleichbar. In den vergangenen Jahren ist nicht nur die Anzahl der Siegelträger gewachsen, auch die Zusammensetzung hat sich verändert. Vor allem seit 2014/2015 wächst die Zahl der zertifizierten Auslandsträger. Sie stellen heute die Mehrheit der zertifizierten Einrichtungen. Dieser Trend ist unter anderem mit der Anerkennung der Quifd-Agentur als eine von zwei Prüfinstanzen im Weltwärts-Programm verbunden.
Das gemeinsame Ziel: gute Rahmenbedingungen für Freiwillige
Quifd hat ein partizipatives Verständnis von Qualitätsentwicklung: Expert/innen aus der Praxis, Träger aus dem Feld der Freiwilligendienste, Wissenschaft und externe Gutachter/innen diskutieren miteinander, woran sich Qualität in Freiwilligendiensten messen lassen soll. Auf diesem Weg wird die Akzeptanz und Anwendbarkeit des Quifd-Systems gesichert.
Das gemeinsame Interesse aller Akteure im Quifd-Forum ist es, allen Freiwilligen gute Rahmenbedingungen für ihren Dienst zu bieten. Daran sind die Quifd-Qualitätsziele ausgerichtet und in einzelnen Standards festgehalten. Auch die Erwartungen der Einsatzstellen und die Partner/innen im Ausland an einen guten Freiwilligendienst werden in den Quifd-Standards berücksichtigt. Die Standards sind in separaten Qualitätshandbüchern für Träger von Inlands- und Auslandsfreiwilligendiensten und Einsatzstellen (in Deutschland) zusammengefasst. Die Quifd-Standards gelten dabei träger- und programmübergreifend.
So wie sich das Umfeld der Freiwilligendienste weiterentwickelt, werden auch die Standards kontinuierlich überprüft und fortgeschrieben, um einen verlässlichen Rahmen für die Freiwilligendienste zu schaffen. Seit 2013 haben die Quifd-zertifizierten Träger bspw. Kriterien entwickelt, an denen sich auch ein guter Freiwilligendienst für Freiwillige aus dem Ausland messen lassen kann. Im Jahr 2016 wurden diese Incoming-Standards von den Zertifizierten verabschiedet und seit 2017 bietet Quifd die Zertifizierung auch für Incoming-Freiwilligendienste an. Derzeit findet eine Überarbeitung der Standards für die internationalen und Inlands-Freiwilligendienste statt. Die zertifizierten Träger diskutieren und entscheiden in der jährlich stattfindenden Zertifiziertenversammlung über die Weiterentwicklung der Agentur und der Qualitätsstandards. Zudem wählen die Zertifizierten alle zwei Jahre ihre Vertreter/innen in die Quifd-Kommission, welche die Quifd-Geschäftsstelle in strategischen Fragen begleitet und berät.
Vergleichbar und transparent durch ehrenamtliche Gutachter/innen
Ein Garant für die unabhängige Überprüfung der Qualität in Freiwilligendiensten sind die ehrenamtlich tätigen Gutachter/innen. Sie bewerten kritisch die Praxis der Trägerorganisationen und geben konstruktive Anregungen für Verbesserungen. Damit stellen wir sicher, dass Qualität für die unterschiedlichen Freiwilligendienstformate vergleichbar und transparent ist.
In den vergangenen 16 Jahren haben insgesamt mehr als 53 Personen als Gutachter/in die Qualität in Freiwilligendiensten unterstützt und bewertet und Hunderte Audits vor Ort durchgeführt.
Die Gutachter/innen sind jedoch nicht nur im Rahmen der Zertifizierungen aktiv, sie bringen ihre wertvollen Perspektiven im Diskurs mit den Trägern auch in die Weiterentwicklung der Qualitätsstandards und des Verfahrens ein. Durch regelmäßige Gespräche und Feedbackschleifen mit den zertifizierten Trägern erfährt Quifd eine große Wertschätzung für die Arbeit der Gutachter/innen.
Qualität ist der Schlüssel
In den vergangenen Jahren hat das Thema Qualitätsentwicklung und -sicherung im sozialen Sektor allgemein an Aufmerksamkeit gewonnen. So haben verschiedene Trägergruppen beispielsweise eigene Qualitätsstandards entwickelt und Überprüfungen als Qualitätsmanagement-Instrumente eingeführt[2]. Die Quifd-Agentur konnte viele Trägergruppen beratend begleiten und ihre Expertise in der Entwicklung von Qualitätsstandards- und instrumenten einbringen.
Qualität ist der Schlüssel dafür, dass Freiwilligendienste ihre positiven Wirkungen auf die Freiwilligen, auf die Arbeit der Einsatzstellen und auf die Gesellschaft entfalten können. In diesem Sinne pflegt die Quifd-Agentur die Zusammenarbeit mit Trägerverbünden, den verbandlichen BFD-Zentralstellen und Zentralen Stellen im IJFD. Auch mit den Qualitätsverbünden im Weltwärts-Förderprogramm steht Quifd im engen fachlichen Austausch und bietet zum Beispiel gemeinsame Fortbildungen für Trägerorganisationen an.
Darüber hinaus pflegt die Quifd-Agentur die Zusammenarbeit mit einigen Trägergruppen auch im Rahmen von Kooperationen, um den angeschlossenen Trägern eine Zertifizierung zu ermöglichen, so zum Beispiel bis 2014 mit dem Deutschen Roten Kreuz für die Inlandsfreiwilligendienste. Bereits seit 2012 entwickelte sich eine besonders enge Kooperation zwischen Quifd und den Evangelischen Freiwilligendiensten. Seit 2015 zertifiziert Quifd Träger der Evangelischen Freiwilligendienste nach deren Qualitätshandbuch für den Auslandsbereich. Seit Sommer 2019 können auch Träger von Inlandsfreiwilligendiensten die Zertifizierung nach dem entsprechenden Handbuch der Evangelischen Freiwilligendienste beantragen. Die enge Kooperation sichert somit weitere Räume für den Austausch und stellt die Qualitätsentwicklung in den Freiwilligendiensten auf einen breiten Konsens.
Nicht nur die Zusammenarbeit im zivilgesellschaftlichen Netzwerk war und ist wichtig, sondern auch mit den entsprechenden staatlichen Partnern. Ein wichtiger Meilenstein in der Quifd-Historie war die erwähnte Anerkennung von Quifd als eine von zwei Prüfinstanzen im Weltwärts-Programm. Quifd hat sich in den vergangenen Jahren zu einem etablierten Netzwerk entwickelt und die Erfolge bestärken die Träger, Gutachter/innen, Partner/innen und Kolleg/innen in der Geschäftsstelle, sich weiter für Qualität in den Freiwilligendiensten einzusetzen.
Herausforderungen
Die Corona-Pandemie hat nicht nur die Freiwilligendienste vor massive Herausforderungen gestellt. Auch Quifd muss kurzfristig, aber v. a. auch auf lange Sicht hin einen guten und nachhaltigen Umgang damit finden.
Planungen und Prioritäten, die noch Anfang des Jahres 2020 als sicher galten, haben sich im Laufe der letzten Monate verändert und verschoben. Dabei ist es Quifd durchaus gelungen, flexibel und agil zu reagieren. Hervorzuheben sei an dieser Stelle die zügige und erfolgreiche Umstellung auf Online-Audits, was noch im Januar dieses Jahres nicht als vorderste Priorität angesehen wurde. Vor allem die guten und stabilen Beziehungen mit den zu zertifizierenden Trägern, aber auch zu den Quifd-Gutachter/innen haben hier zu zufriedenstellenden Ergebnissen geführt. Neben der aktuell fordernden Situation zeigen sich bereits seit Längerem Trends, welche die Arbeit der Quifd-Agentur in den kommenden Jahren prägen werden.
Ausgelöst durch Veränderungen in den Engagementmotiven und -strukturen werden sich in den kommenden Jahren die Freiwilligendienste weiter verändern. Die Bedarfe nach Flexibilisierung und Öffnung für Freiwillige in unterschiedlichen Lebenslagen rücken die Themen Inklusion und Diversity bereits immer stärker in den Mittelpunkt der Qualitätsdebatte. Das bedeutet für Quifd, die Qualitätsstandards weiterhin kritisch zu hinterfragen und anzupassen. Nur so kann für die Zukunft sichergestellt werden, dass jede und jeder Freiwillige gute Rahmenbedingungen und eine gute Begleitung in ihrem oder seinem Dienst erfährt.
Damit das Qualitätssystem von Quifd weiterhin wichtige Impulse für die Träger setzen kann, ist es der Quifd-Agentur ein Anliegen, das Zertifizierungsverfahren zeitgemäß und attraktiv zu gestalten. Träger, die bereits mehrfach auf hohem Niveau die Qualität ihres Freiwilligendienstangebots nachgewiesen haben, können künftig stärker individuelle Entwicklungsziele in den Blick nehmen. Auch die Möglichkeiten der Digitalisierung bewegen Quifd – verbunden mit der Frage, wie sich das Zertifizierungsverfahren weiterentwickeln kann.
Wichtig ist auch in Zukunft die passende Begleitung der ehrenamtlichen Gutachter/innen-Gruppe. Die Quifd-Agentur setzt Methoden aus dem Freiwilligenmanagement ein, um den Gutachter/innen ein attraktives und sinnstiftendes Engagementfeld zu bieten und auf aktuelle Bedarfe zu reagieren.
Es muss zudem stetig daran gearbeitet werden, die Qualität, für die Quifd und die angeschlossenen Träger stehen, gegenüber den Zielgruppen adäquat zu kommunizieren.
Qualitätsarbeit ist kein Add-on, das in Krisenzeiten eingespart werden kann
Eine der größten Herausforderungen für zivilgesellschaftlich getragene Einrichtungen ist immer die Finanzierung. Die Erfahrungen im Weltwärts-Programm zeigen: Die Träger werden in ihrer Qualitätsentwicklung gestärkt, wenn Fördermittelgeber nicht nur Anforderungen formulieren, sondern auch fachliche und finanzielle Unterstützung strukturell verankern.
Neben einer gesicherten Finanzierung braucht es auch zeitliche und personelle Ressourcen, um die bereits bestehende Qualität nachhaltig zu sichern. Gerade die zurückliegenden acht Monate zeigen deutlich, dass ein funktionierendes Qualitätsmanagement insbesondere in Krisenzeiten wichtig ist, da es durch seine Steuerungsfunktion den Trägern Orientierung und Unterstützung in der Umsetzung von Prozessen und Leitlinien gibt. Qualitätsarbeit ist eine Managementaufgabe und kein Add-on, das in Krisenzeiten eingespart werden kann.
Für die Lösung aller zukünftigen Aufgaben bleibt entscheidend: Freiwillige wie auch beteiligte Einrichtungen und deren Nutzer/innen haben Anspruch auf verlässliche Rahmenbedingungen des freiwilligen Engagements und die Wertschätzung ihres Einsatzes.
Die Freiwilligen profitieren von der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Qualität in den Freiwilligendiensten, z. B. durch die Anpassung der Gewinnungsstrategie, der Begleitung, der pädagogischen Arbeit oder des Krisenmanagements auf die Bedarfe der aktuellen und kommenden Freiwilligengenerationen.
Für Quifd als Agentur bedeutet dies, den Trägern auch weiterhin attraktive Angebote zu machen, um sie durch Beratung, Fortbildung und Zertifizierung in ihrem Qualitätsmanagement zu unterstützen. Quifd hat es geschafft, ein starkes Bewusstsein für Qualitätsmanagement aufzubauen. Dieses sollte nun nicht durch die Krise und knappere Ressourcen verspielt werden. Im Gegenteil: wir sollten nun gemeinsam dafür sorgen, dass bestehende Strukturen erhalten bleiben und das bisher Erreichte gesichert werden kann.
Endnoten
[1] Die Jubiläumsfeier fand am 16. Dezember 2019 in Berlin statt. Der Einladung folgten circa 60 Gäste der zertifizierten Träger, ehrenamtlichen Gutachter/innen, langjährige Wegbegleiter/innen und Partner/innen sowie (ehemalige) Freiwilligendienstleistende, Vertreter/innen aus dem Deutschen Bundestag und den für die Freiwilligendienste verantwortlichen Ministerien.
[2] Vgl. Susanne Saliger (2018): Qualität in Freiwilligendiensten – eine Bestandsaufnahme, in: Voluntaris, 6. Jg., Heft 1, S. 47–63.
Beitrag im Newsletter Nr. 23 vom 19.11.2020
Für den Inhalt sind die Autor*innen des jeweiligen Beitrags verantwortlich.
Autorinnen
Dr. Kristin Reichel ist Leiterin der Agentur Quifd.
Kontakt: reichel@ehrenamt.de
Susanna Hölscher ist stellvertretende Leiterin der Agentur Quifd.
Kontakt: hoelscher@ehrenamt.de
Weitere Informationen: Quifd – Agentur für Qualität in Freiwilligendiensten, Akademie für Ehrenamtlichkeit im Förderverein für Jugend und Sozialarbeit e.V.
Redaktion
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